Das Kästchen, Beitrag inspiriert durch Anne Thoss

Kästchen meiner Oma, Hermine Kellendonk, geborene Toonen aus Venlo.
  • Kästchen meiner Oma, Hermine Kellendonk, geborene Toonen aus Venlo.
  • hochgeladen von Jan Kellendonk

Inspiriert durch die Ausstellung von Anne Thoss habe ich „mein eigenes“ Kästchen wieder geöffnet. Es ist das meiner Oma väterlicherseits. Voll mit Totenzetteln, dem Tagesbuch meines Vaters über den Fußmarsch von Siebengewalt nach Groningen, mit der Brille meines verunfallten Onkels und vielen Bildern aus Südafrika, wo mein Onkel Hans nach dem Krieg ein besseres Leben fand. Da fiel mir das Gedicht von Georges Rodenbach mit seiner ersten Zeile „Ma mère, pour ses jours de deuil et de souci“ wieder ein. Es passt so genau auf die liebe Frau, die einen Sohn durch einen Unfall verlor und einen zweiten durch Emigration. Ihr Leben war hart: lange Zeit holte sie Wasser für den Haushalt  aus dem Bach in Plasmolen, wo ihr Schwiegervater Förster war. Auch mein Kästchen ist rostig („Un petit coffre en fer rouillé“) und es bekam gleichfalls im Laufe der Zeit neue Erinnerungsstücke.

Le coffret de Georges Rodenbach

Ma mère, pour ses jours de deuil et de souci,
Garde, dans un tiroir secret de sa commode,
Un petit coffre en fer rouillé de vieille mode,
Et ne me l’a fait voir que deux fois jusqu’ici.

Comme un cercueil, la boîte est funèbre et massive
Et contient les cheveux de ses parents défunts,
Dans les sachets jaunis aux pénétrants parfums,
Qu’elle vient quelquefois baiser, le soir, pensive !

Quand sont mortes mes sœurs blondes, on l’a rouvert
Pour y mettre des pleurs ? et deux boucles frisées !
Hélas ! nous ne gardions d’elles, chaînes brisées,
Que ces deux anneaux d’or dans ce coffret de fer.

Et toi, puisque ton front vers le tombeau se penche,
Ô mère, quand viendra l’inévitable jour
Où j’irai dans la boîte enfermer à mon tour
Un peu de tes cheveux… que la mèche soit blanche !…

Das Kästchen

Die Mutter für Zeiten wenn Trübsal sie plagt
In ihrer Kommode, im Versteck, sie bewahrt
Ein Kästchen aus Eisen, verrostet, bejahrt
Nur zweimal hat sie es mir zu zeigen gewagt

Dem Sarg ist es ähnlich und gleichfalls versenkt
Die Haare der Eltern, die bewahrt sie als Kind
Mit Beuteln mit Düften, durchdringend die sind
Das Kästchen sie küsst es, wenn sie Eltern gedenkt

Als Töchter ihr starben, dann öffnete sie es
Um Tränen zu betten? für blonde Locken zwei!
Und von diesen Schwestern, sind auch Kettchen dabei
Und goldene Ringchen, in dem Eisenverlies

Du Mutter, zum Grabe, ach, neigt sich deine Stirn
Und ist der Tag da, wo die Seele verlässt dir
Das Kästchen ich öffne, die Reih‘ ist dann an mir
Dein Haar ich einschließe, lass es weiß sein wie Firn!

Autor:

Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau

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