Adorno,Miegel und der Existentialismus
Das (Bilungs-) System am Ende?
Meinhard Miegel ist Autor, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kultureller Bildung und Berater von Politik und Wirtschaft.
In seinem Buch „Das System ist am Ende. Das Leben geht weiter“ beschäftigt er sich reflektiert mit dem Weltgeschehen von 2017 bis 2020.
In einem Kapitel unter dem Titel „Brot und Spiele“ geht es darum, dass das Bildungssystem überholt ist und Reformen bedarf, da es die Schüler*innen auf eine Welt des Wettbewerbs vorbereiten würde. Dieser Wettbewerb bzw. dieses Kapitel der Wettbewerbsfixierung in den meisten hochentwickelten Industrienationen allerdings durch Automatisierung abgeschlossen ist.
Er kritisiert zudem, dass es nicht mehr um die Schaffung und Sicherung von Existenzgrundlagen ginge das System der Bildung allerdings noch darauf ausgelegt ist (vgl. Miegel, 2020, S.32).
Der deutsche Philosoph und Soziologe Theodor Wiesengrund Adorno hielt in den Jahren 1959-1969 zusammen mit Hellmut Becker Gespräche zum Thema Erziehung und Bildung.
Adorno kritisiert, ähnlich wie Miegel, dass wenn ein erziehungsziel von außen auf das Subjekt auferlegt wird selbiges nicht das „wozu“ der Erziehung bzw. der Bildung erläutert.
Adorno und Miegel verlangen deswegen, dass die Subjekte ihr Leben aus eigenem Antrieb heraus gestalten müssen. Adorno formulierte es so: „man fragt sich, woher heute […] jemand das Recht sich nimmt, darüber zu entscheiden, wozu andere erzogen werden sollen.“ (Adorno, 1971, S.107).
Diese beiden sehr existentialistisch anmutenden Feststellungen schlagen in dieselbe Kerbe. Die Autonomie des Individuums soll bewahrt werden und nicht durch die Eingriffe dritter oder das Diktat der z.B. Wirtschaft vorweggenommen werden.
Aber kann diese Autonomie denn wirklich funktionieren? Braucht es nicht feste Strukturen wie einen Fächerkanon?
Dieser Antwort bleiben Meinhard Miegel und Theodor W. Adorno natürlich nicht schuldig. Miegel kritisiert, dass durch die (heutige) Fixierung auf die MINT Fächer (Mathematik, Informatik und Technik) nicht ausreichen, um den Anforderungen, welche in den nächsten Jahren auf uns zukommen gerecht zu werden. Laut Ihm wird dabei die Künstlerische Komponente ganz außen vorgelassen. Zudem wird verkannt, dass wichtige „Softskills“ durch diese Fixierung nicht- oder nur unzureichend vermittelt werden können (vgl. Miegel, 2020, S.32).
Laut Adorno muss es zu einer „[…] Herstellung eines richtigen Bewusstseins […]“ (Adorno, 1971, S.107) kommen. Adorno argumentiert weiter, dass nur durch dieses Bewusstsein der „Mündige Mensch“ geschaffen werden könne. Demokratien können nur funktionieren, wenn in Ihnen Mündige Menschen leben, dabei werden mündige Personen als solche klassifiziert welche selbständig und bewusst Entscheidungen treffen können (vgl. Adorno, 1974, S.107).
Diesen beiden Denkern geling es, trotz der großen zeitlichen Differenz zwischen den Werken, ein Konzept vorzuschlagen bzw. anzureißen, welches auf der Freiheit der Individuen beruht. Ein existentialistisches Grundziel also.
Dieses Grundkonzept für die Bildung kann nicht nur die Demokratie als Staatsform stärken, sondern versorgt uns auch in Krisenzeiten mit dem nötigen „know how“ um diese Situation zu meistern.
Natürlich kann nicht auf Fächer aus dem Mintbereich verzichtet werden, allerdings sollten auch anderen Fächern wie der Kunst oder der Philosophie genügend Raum eingeräumt werden um durch diese Geistes- bzw. Kulturwissenschaftliche Bildung Ressourcen zu schaffen welche in den Krisenzeiten aktiviert werden können. Damit oder dadurch kann die Zukunft lebendig gestaltet werden. Vielleicht ist es ein Apell, grade in dieser schwierigen Zeit sich der Philosophie zuzuwenden und den Existentialismus neu zu entdecken.
Quellen:
Miegel, Michael (2020): Das System ist am Ende. Das Leben geht weiter. Oekom Verlag München
Adorno, Theodor W. (1971): Erziehung zur Mündigkeit. Surkamp Verlag Frankfurt. 27. Auflage 2019 (2019)
Autor:Luca H. aus Düsseldorf |
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