Anne Thoss, Ausstellung in Arcen „Über Grenzen hinweg, Unrecht und Freiheit im Bild“
Anne Thoss stellt ihre Werke schon länger in der Grenzregion aus. Ich sah die Metallkistchen worin sie Szenen aus Krieg und Vertreibung darstellt zuerst 2015 in Kranenburg.
Über was die Menschen damals im Krieg erlebten wurde nur selten geredet. Ich, zum Beispiel, fand erst nach dem Tod der Eltern den handgeschriebenen Bericht meines Vaters über die Zwangsräumung eines niederländischen Dorfes wo er damals verblieb. Die alliierten Streitkräfte rückten der Grenze immer näher und die deutsche Besatzung trieb die Zivilbevölkerung zu einem überlangen Fußmarsch über Hönnepel und Rees nach Groningen. Niemals hat mein Vater auch nur ein Wort darüber verloren.
Das Heft mit den damals noch frischen Erinnerungen fand ich in einem Metallkästchen, etwas größer als die der Künstlerin.
Auch ein Totenzettel des Vaters einer Tante war unter den vielen überlieferten Erinnerungsstücken. Er war Hauptinspektor bei der Polizei und wurde 1944 41-jährig als Widerstandskämpfer hingerichtet. Ich fand auch Bilder die nach der Befreiung 1945 aufgenommen waren: mein Vater auf einem Motorrad, offenbar eingeteilt bei einer Armeeeinheit. Auch von diesen Erfahrung keine Erzählung, obwohl das Leben eines jungen Mannes in der neugewonnenen Freiheit gewiss aufregend war und seine Kinder hätten an seinen Lippen gehangen.
Dann baute man das zerstörte Europa wieder auf und man sprach nicht mehr über das was geschehen war. Die Schachteln und Kistchen der Zeitzeugen wurden weggeborgen und irgendwann von den Kindern entsorgt bei der Entrümpelung des elterlichen Hauses nach deren Tod. So wird es oft geschehen sein.
Die Objektkistchen der Künstlerin umfassen weit mehr als was einzelne Menschen erlebten oder erleben. Sie erzählen Geschichten einer Zeit, wovon wir glaubten sie sei Vergangenheit. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist der Krieg leider wieder da. Eine ältere Installation der Künstlerin, eine Strecke mit Asche, verkohltem Holz und grauen Steinen machte sie für die Ausstellung in Arcen aktuell, indem sie darin die Fahne des vergewaltigten Landes verarbeitete.
Anne Thoss erinnert mich an die große russische Dichterin Anna Achmátowa, die einst in der Stalinzeit mit vielen anderen Müttern und Ehefrauen vor einem Gefängnis stand um das Schicksal der Inhaftierten zu erfahren. Sie wurde von den Frauen erkannt und bedrängt ob sie nicht über ihr Leid schreiben könne. Sie konnte es und tat es. So gab die Dichterin, deren Sohn eingesperrt war, dem Leid aller eine Stimme. So ist Kunst.
Wo? Franz Pfanner Huis, Park Klein Vink in Arcen, Niederlande, am 26. Und 27. März und am 2. Und 3. April von 13.00 bis 17.00 Uhr.
Danach: Kerkje van Persingen, Persingerstraat 7, 6575 JA Persingen, Niederlande. 16. 17. 18. April von 11.00 bis 17.30 Uhr
Wenn Sie bei YouTube nach Anne Thoss suchen finden mehr über ihre Arbeiten.
Autor:Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau |
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