Anna Achmatowa, Мне голос был. Ich hörte eine Stimme
Ich hörte einer Stimme tröstend Wort
„Herüber komm, komm doch hierher
Verlass den stummen blinden Sündenort
Zurück nach Russland nimmermehr!
Von Deinem Herz zerr' ich die schwarze Schand'
Ich wasch' vom Blute Hände rein
Ich lindre Schmerzen tief die du gekannt
Aus lauter Güte soll es sein!"
Doch still bin ich und völlig in der Ruh
dass Würdeloses ich verhüt'
halt' ich mit Händen meine Ohren zu
beflecke nicht traurig Gemüt.
Die Nüchternheit dieses einfachen Gedichts hört man aus der Lesung der Lydia Davidova deutlich heraus. Im "Mne golos byl" aus 1917 ist das Ich die Dichterin selber, die schon ganz früh der Stimme der Emigration widerspricht. Kein trostloses, wurzelloses Leben in den Salons von Paris will sie. Wenn gelitten werden soll, dann mit ihrem Volk. Noch größere Schrecken als die der proletarische Revolution sollten noch folgen, aber sie bleibt auf ihrer Erde. Anfänglich war sie ein Schöngeist der literarischen Salons Russlands, dann wurde sie die Stimme der Leidenden, aber Trotzenden. Die verführende Stimme des Gedichts spricht von einem Leben ohne Schuld, Demütigung und Schande. Lass nicht diese Lüge dein Herz, das nun mal traurig sein muss wenn es um sich blickt, in Verwirrung bringen, ruft die Dichterin. Es ist ein Bezirzen und Beflecken, das die Seele hilfloser als zuvor zurücklässt.
Quelle: Bilingual Anthology of Russian Verse
Autor:Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau |
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