Amorbogen und Engelstritt
Während die geschwungene Einbuchtung der Oberlippe (hier in Rot) den schönen Namen „Amorbogen“ hat, ist die Ursache der Lippenform, die kleine Mulde oberhalb davon bis zur Nase (in Gelb), nur unter den Namen „Philtrum“ bekannt. Was immerhin „Liebeszauber“ bedeutet, aber dieser Begriff ist nicht volkstümlich.
„Amorbogen“, weil man darin die Form des Bogens von Amor oder Cupido, jenes kleinen Schelmes, der Pfeile auf das Herz der Menschen schießt, wonach sie sich verlieben.
Einmal hörte ich von einer jungen Frau „Engelstritt“ als Name für das Philtrum. Sie gab ihre Mutter als Quelle an. Diese Antwort gehört zu einem anderen Kulturkreis, als die griechisch-römische, nämlich zum Judentum.
In einem gewissen Talmudtraktat wird über die Zeugung eines Kindes berichtet, über sein Wachstum und die Geburt. Der Engel, der dies überwacht, in mancher Überlieferung heißt sie Layla, zeigt der Seele das Paradies und erzählt ihr die ganze Weisheit und Frommheit der Gerechten. So ist die unterrichtete Seele vor der Geburt fähig, alles zu durchschauen. Unwillig überhaupt geboren zu werden, fleht die Seele den Engel an, dort verweilen zu können, wo sie ist, in der Gebärmutter. Es hilft nichts und kurz vor der Geburt schlägt jener Engel das Kind mit einer Kerze auf die Lippe, und das Neugeborene vergisst alles, was es gesehen und gelernt hat. Aber es bleibt eine Spur zurück, sodass beim späteren Lernen das Gelernte nicht fremd ist.
Zu der Erzählung über Amor gehört noch, dass er, Kind von Venus und Mars, aus der Verliebtheit der Menschen keine harmonische Sache machen kann. Venus taucht die Pfeile in Honig, danach werden sie in Galle getaucht. Der „Engelstritt“ aber, eher ein „Engelsschlag“, gibt Hoffnung, dass in jedem Menschen die Anlage zu vollkommenem Wissen da ist, das heißt, in jedem Fall, wie er oder sie sich zu den Mitmenschen und zum Schöpfer aller Ding benehmen muss.
Autor:Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau |
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