Original entdeckt: „Plattduitske Misse föär’t Siuerlänske Volk“
Plattdeutsche Messe für’s Sauerländische Volk“
„Ich habe Notenblätter mit plattdeutschen Liedtexten gefunden - ob die wohl von Theodor Pröpper sein könnten?“ fragte sich Heinz Bernd Schulte aus Arnsberg – Herdringen. Gerade erst hatte ich ihm von meiner ehrenamtlichen Arbeit im Pfarrarchiv berichtet und auch von der Festveranstaltung zu Ehren des Balver Heimatschriftstellers und Musikers Pröpper (1896 bis 1979), am 16. Dezember des Vorjahres, erzählt.
Urfassung Pröppers lagerte bei ehemaligem Schüler
Dieses eher zufällige Gespräch am Rande des Meisterlichen Chorkonzertes des Männerchores 1874 Balve in der Balver Höhle im September 2012 führte bald darauf zu einer überraschenden Entdeckung: Die 6 Blätter mit per Maschine geschriebenen Texten und handschriftlich gesetzten Noten hatte der Vorsitzende des Kreischorverbandes Arnsberg im Nachlass seines Vaters Heinrich Schulte gefunden – lose eingelegt im „Klingemund“, dem Sauerländischen Liederbuch von Theodor Pröpper aus dem Jahre 1960.
In einem Vergleich dieser Originale mit dem Werksverzeichnis und späteren Drucklegungen im Pfarrarchiv der St. Blasius Pfarrgemeinde Balve stellten wir fest, dass es sich bei den zufällig entdeckten Notenblättern tatsächlich um ein Werk Pröppers handelte. Aber noch überraschender war die Erkenntnis, dass wir vor uns die Urfassung der durchgehend einstimmigen „Plattdeutschen Messe“ liegen hatten: das Original, das ich zwar schon lange gesucht, aber bislang nicht gefunden hatte.
Mit dem Fahrrad über die Berge nach Balve
Den Weg, den dieses ideell wertvolle Manuskriptes genommen hatte, bevor es jetzt wieder in Balve landete, konnte ich mit Hilfe von Heinz-Bernd Schulte weitgehend rekonstruieren. „Von Hüsten“, so berichtete mir mein Sängerfreund, „fuhr mein Vater als junger Bursche nach dem 1. Weltkrieg wöchentlich einmal mit seinem Fahrrad über die Berge nach Balve.“ Mit einem Mountainbike aus heutiger Fahrradfertigung wäre ihm das sicher leichter gefallen. Aber der Unterricht beim Organisten Theodor Pröpper war ihm damals schon Antrieb genug. 1961 wechselte er die Rolle, aus dem Musikschüler wurde der Chorleiter beim Männerchor 1874 Balve und blieb es bis 1970. Von der kreativen Zusammenarbeit zwischen Heinrich Schulte und seinem ehemaligen Lehrmeister, die zu mancher Notensetzung von Partituren für vierstimmigen Männerchor führte, profitierten diese Sänger, aber auch andere Chöre im näheren und weiteren Bereich des Sauerlandes, die Pröppers Liedkompositionen vortrugen.
„Urlaute des Plattdeutschen als Gesundbrunnen?“
Hat sich seitdem in unserer Sprachkultur wirklich viel verändert? „Unser Hochdeutsch leidet gerade in unseren Tagen“, so klagte Theodor Pröpper, „an einer Sprachverwilderung, an Unterwanderung und Überfremdung, die geradezu erschüttern und katastrophal sind und schon fast ein Ausverkauf deutschen Geistes und deutschen Selbstbewußtseins erinnern. Wer weiß, vielleicht geschieht es, daß sich die Urlaute des Plattdeutschen einmal als Gesundbrunnen für das in unseren Tagen so jämmerlich verwilderte und zerschundene Hochdeutsch erweisen.“ (Hönne-Zeitung 24.01.1969)
Vor dem heutigen gesellschaftlichen Hintergrund würde ein Teil dieser Aussagen Pröppers als reaktionär gelten. Doch wer wollte ihre Gültigkeit auch für unsere Zeit, also 50 Jahre später, abstreiten, wenn man unsere z. B. mit immer mehr Anglizismen durchsetzte Sprache beobachtet.
Westfalentag in Meschede mit Pröppers Plattdeutscher Messe
Am 19. Januar 1969 leitete diese Plattdeutsche Messe die Jubiläumsveranstaltungen des Balver Pfarr-Cäcilien-Verein ein. Zu seinem 50. Geburtstag sang der Kirchenchor die 7 Lieder im Festhochamt um 10 Uhr, geleitet von Theodor Pröpper, verstärkt durch den Balver Männerchor. Zwei Tage vorher hatte die Hönne-Zeitung den Text der Lieder für die Gottesdienstbesucher abgedruckt. Am 24. Januar 1969 berichtete diese Zeitung: „Die Plattduitske Misse wurde bisher gesungen in Balve, auf dem Westfalentag in Meschede, beim Sauerl. Heimattag in Obermarsberg, ferner in Holthausen, der früheren Wirkungsstätte Franz Hoffmeisters, sowie bei verschiedenen Tagungen in Fredeburg.“
Als außergewöhnliches Ereignis dokumentierte diese Aufführung auch der damalige Balver Pfarrer Ludwig Kinkel zum Patronatsfest St. Blasius am 3. Februar 1980 (Pfarrchronik St. Blasius). Im selben Jahr „umrahmte“ die „Allendorfer Chorgemeinschaft die erstmalige plattdeutsche Messe im „Sauerländer Dom“ in Attendorn. Dechant Klinkhammer und Propst Dünnebacke, Brilon, zelebrierten diesen Gottesdienst, so berichtete die Presse und ergänzte, dass diese besondere Messgestaltungs bereits seit 30 Jahren in Attendorn gepflegt werde. Im Jahr zuvor war Theodor Pröpper am 31. Juli verstorben. Beide musikalischen Einsätze leitete nun sein Nachfolger an der Orgel in Balve, Chordirektor Lothar Schuhenn.
Ist die Zeit der „Plattdeutschen Messen“ vorbei?
In Langenholthausen, Stadt Balve, wurde mehrfach, zuletzt im Jahre 2009, eine Plattdeutsche Messe (von Richard Müller aus Menden, nach Auskunft von Anton Kleine aber „übersetzt in „Balver Platt“) gefeiert, zelebriert von Pastor Franz Schnütgen. Auch ein Blick ins Internet zeigt, dass an anderen Orten solche textlich und musikalisch besonders gestalteten Gottesdienste seit vielen Jahren gepflegt und immer wieder neu belebt werden. Ich kann und will an dieser Stelle nicht zur Diskussion über eine (Wieder-) Einführung der lateinischen Sprache in unseren Gottesdiensten aufrufen – das liegt mir völlig fern! Aber umso mehr sollte uns Sauerländern an der Pflege unserer plattdeutschen Sprache gelegen sein – und dazu mögen auch entsprechend gestaltete Gottesdienste beitragen.
Anmerkung:
Vorstehender Text ist ein gekürzte Fassung des Gesamtberichtes des Verfassers in der Zeitschrift "Sauerland" Heft Juni/2 2014, Hg. Sauerländer Heimatbund e.V.
Rudolf Rath, Balve Juni 2014
Autor:Rudolf Rath aus Balve |
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