„... dann sollst du nicht nach Balve fahren!" - das Hönnetal voller Schrecken!

historische Ansichtskarte vom Hönnetal
  • historische Ansichtskarte vom Hönnetal
  • hochgeladen von Rudolf Rath

Die Bahnstrecke Menden – Balve – Neuenrade wurde 1912 fertig. Bis dahin versorgte die „Postkutsche“ auf ihrem Weg durch das romantische Hönnetal die Bewohner der anliegenden Orte mit Briefen und Nachrichten. Sie sicherte die Verbindung mit dem Rest der Welt. Den Weg durch das Hönnetal gibt es immer noch – auch 100 Jahre nach feierlicher Eröffnung der Bahn.

Aber was heißt hier „Weg“?

Wir erreichen heute über eine befestigte und weitgehend gesicherte Straße mit asphaltierten und markierten Fahrbahnen unsere Ziele bequem nach beiden Seiten hin - oder doch nicht? Wenn da nur nicht diese Felsen wären…; unregelmäßig und unkalkulierbar stoßen sie immer mal wieder Geröll und Gesteinsbrocken ab oder trennen sich von wuchtigen Felsstücken und versperren uns die freie, ungehinderte Fahrt auf dieser Strecke. Und so ist die freie Durchfahrt durch unser Hönnetal schon wieder mal unterbrochen: Vollsperrung, damit der Langarmbagger aus Münster loses Gestein abtragen und die Felsen dauerhaft sichern kann.

Mit der Postkutsche voller Abenteuer

Was könnte uns Auto-, Krad- oder Radfahrer da besser trösten als ein Rückblick auf die angeblich doch so „gute, alte Zeit“? - Nein, auch die Postkutsche hatte schon ihre speziellen Probleme mit und in diesem Hönnetal. Am 29. März 1912 beendete sie ihre Zuständigkeit für den Transport von Menschen und Postgut zugunsten der neu angelegten Hönnetal-Bahnstrecke. Bis dahin aber waren die Reisen wohl stets auch abenteuerlich, voller Gefahren und Widerstände. So schildert es jedenfalls in anschaulicher Weise ein Gedicht, das schon um 1890 „in der westfälischen Tagespresse oft veröffentlicht“ wurde und den „Zustand der Straße kennzeichnete.“

Ein unbekannter Poet am Werk

Josef Pütter veröffentlichte diese gelungenen Reime eines leider unbekannten Poeten in seinem Aufsatz „Das Postwesen im Amt Balve“, erschienen in seinem Buch „Sauerländisches Grenzland im Wandel der Zeit“, S. 112, Balve 1965.*) Vier Jahre später, nämlich am 12. Dezember 1969, konnte man dieses Gedicht auch in der damals noch bestehenden und allseits beliebten „Hönne-Zeitung“ mit leichten Abweichungen lesen:

Bist du am Ziele mausetot!

„Siehst du drei Rosse vor dem Wagen
und den jungen Postillion,
dann sollst du nicht nach Balve fahren,
das merke dir, mein lieber Sohn.
Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken,
verderblich wirkt ein spitzer Stahl,
doch das schrecklichste der Schrecken
ist eine Fahrt durchs Hönnetal.
Und bist du dennoch eingestiegen,
dann schütze Gott dich in der Not.
Bleibst du nicht unterwegs schon liegen,
bist du am Ziele mausetot.
Der Wagen stockt im tiefen Schmutze,
im weichen Schlamme, zäh wie Wachs.
Es bläst der Postillion zum Trutze
ein neues Lied und füttert Flachs**).
So geht es weiter, immer schlechter,
fürwahr – so was sah ich noch nie.-
Der Moses seufzt: Ach, Gott, Gerechter,
wär’ ich doch erst in Sanssouci.
Drum, Postminister, hab Erbarmen
und hilf mit deinem großen Sack.
Die Balver könnens nicht. Die Armen:
gehn sonst bankrott mit Sack und Pack.“

Dem ist auch aus heutiger Sicht, nach rund 120 Jahren und einem halben Jahrhundert seit der letzten Veröffentlichung, wohl nichts hinzuzufügen – oder doch? Wenn überhaupt, dann dies als Anmerkung zur Zeile: „…dann sollst du nicht nach Balve fahren…“: In umgekehrter Richtung fährt es sich doch auch nicht besser!

Anmerkungen:
*) Auch in der von Werner Ahrens überarbeiteten Auflage, Hg. Heimwacht Balve e.V., Balve 2005, findet sich dieses Gedicht (S. 164).
**) d. h.: er trieb die Pferde mit der Peitsche an.

Autor:

Rudolf Rath aus Balve

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