Streit um Rheinhafen Orsoy
Anwohner wehren sich gegen Kohlestaub-Immissionen und NIAG-Pläne
Die Gegend am Rheinhafen in Rheinberg-Orsoy ist eigentlich ein schöner Ort. Der Deich zwischen Hafengelände und Wohnsiedlung lädt zum Spazieren ein, gewährt Ausblick auf den Rhein und hat neben Industrieanlagen auch Grünflächen zu bieten.
Robert Schneider-Scholz lebt seit 19 Jahren in diesem Teil von Orsoy, gründete dort auch seine Familie. Von der ersten Etage seines Hauses auf der Landrat-von-Laer-Straße aus kann er direkt auf das rund 80.000 Quadratmeter große Hafengelände schauen. Dort ragen die riesigen NIAG-blauen Kräne heraus. Das alte Verwaltungsgebäude ist zu sehen, Bahngleise und etliche, aufgeschüttete Kohlehaufen. Letztere sind Anlass für einen seit Monaten andauernden Streit zwischen Anwohnern und der Hafenbetreiberin NIAG. Kohlestaub gelang durch Verwehungen über den Deich in Gärten und Häuser der Hafenanlieger. Verschmutzte Möbel, verunreinigtes Pool-Wasser, schwarze Füße nach dem Barfußlaufen durch den Garten – für Schneiders-Scholz und viele Nachbarn war es buchstäblich ein pechschwarzer Sommer.
Ihren Höhepunkt erreichte die Schmutzbelastung an zwei Tagen im Juli und August. Der ölige Kohlestaub gelangte in die Häuser der Anwohner, setzte sich auf Oberflächen fest und konnte nur durch mehrfaches Reinigen restlos weggewaschen werden. Die NIAG reagierte laut Anwohner erst nach Häufung der Beschwerden. Sie begründete seinerzeit die Kohlestaubverwehungen mit einem Stromausfall, wodurch die Bewässerungsanlagen nicht betrieben werden konnten. Sie sollen die trockenen Staubhaufen beregnen, um Verwehungen zu verhindern.
Eine unangekündigte Prüfung durch die zuständige Immissionsschutzbehörde ergab, dass die Beregnungsanlage nicht ausreichend sei, teilweise sogar defekt war. So blieb der Staub trocken und wehte in die Wohnsiedlung. Die NIAG macht in einer kürzlich abgegebenen Stellungnahme die höheren Staubimmissionen an der damaligen Wetterlage fest. So hätte laut Hafenleiterin Anne Biehl „die Kombination von extremer Trockenheit und Windströmungen aus nordöstlicher Richtung zu Staubabwehungen Richtung Nachbarschaft geführt".
Die NIAG zahlte für die im Juli entstandene Verschmutzung aus Kulanz 150 Euro an jeden, der sich mit seiner Beschwerde an sie gewandt hatte. Für einige Anwohner wie Robert Schneiders-Scholz stand dies allerdings nicht im Verhältnis zum Reinigungsaufwand. Als im August erneut vermehrt Kohlestaubverwehungen für erhebliche Verschmutzungen sorgten, organisierten sich Menschen aus 60 Wohnparteien zur Interessensgemeinschaft „Belastungen durch den Hafen“. Diese lud erstmals im September die Hafenbetreiberin zu einem gemeinsamen Treffen ein, zu dem die NIAG vier Vertreter entsandte – darunter auch einen Anwalt. Im Vorfeld bat die AG darum, die Zusammenkunft ohne Sprecher der Stadt Rheinberg und den Kreis Wesel abzuhalten.
Im Gespräch mit den Anwohnern verdeutlichte die NIAG, sie würde den Hafen genehmigungskonform betreiben und daher von einer zweiten Entschädigungszahlung absehen. Allerdings erklärte sie sich dazu bereit, einen Arbeitskreis mit der Interessensgemeinschaft, der Stadt Rheinberg und dem Kreis Wesel zu bilden. „Ziel dieses Dialogs ist es, die vorhandenen Belastungen der Anwohner durch den Hafenbetrieb und den damit verbundenen Emissionen zu minimieren und die Akzeptanz des Hafens zu erhöhen“, teilte Bürgermeister Frank Tatzel auf Anfrage mit.
Schutthöhen sind festgeschrieben
Laut der Anwohner signalisierte die AG Bereitschaft, verbindliche Dokumente zu erläutern, die den Umgang mit Schüttgütern regeln. So existiert etwa ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der NIAG und der Stadt Rheinberg, in dem die zulässigen Schütthöhen festgeschrieben sind. Wie Dokumente von 2009 belegen, hielt sich die Hafenbetreiberin bereits vor 2018 nicht immer an die vereinbarten Normen. Und das, obwohl in den letzten Jahren durch die Stadt Rheinberg eindeutige und kontrollierbare Regelungen getroffen und Markierungen angebracht worden seien, die es auch den Hafenmitarbeitern ermöglichen, die Halden auf die entsprechende Höhe zu begrenzen. Die Kontrolle der Haldenhöhen obliegt der Stadt.
Zum ersten Treffen des Arbeitskreises am 31. Oktober erschien die NIAG ohne Akten, hielt die Anwohner damit hin, eventuell weitere Ansprüche für sie geltend zu machen. Spätestens mit dem anwaltlichen Schreiben Anfang Dezember, in dem die NIAG solche Ansprüche ablehnte, war auch diese Aussicht auf Schadensersatz dahin. Die AG zahlte stattdessen ein zweites Mal 150 Euro an jeden, der bereits die erste Zahlung im August erhalten hatte.
Kurz nach dem ersten Treffen des Arbeitskreises beantragte die Interessensgemeinschaft bei der Stadt Rheinberg Einsicht in die Genehmigungslage des Hafens. Aus den kostenpflichtig zur Verfügung gestellten Dokumenten ging hervor, dass Staubimmissionen durch die Hafenbetreiberin zu verhindern seien. Immerhin: Die NIAG teilte in ihrer Stellungnahme mit, dass in die Erweiterung der Beregnungsanlage investiert werden soll. „Die Maßnahmen werden über den Winter umgesetzt und zum Frühjahr 2019 abgeschlossen sein“, so Anne Biehl. Die Kontrolle der Staubemissionen des Hafenbetriebs ist Aufgabe der zuständigen Stelle des Kreises Wesel.
Neben der Erweiterung der Beregnungsanlage soll auch die Vergrößerung der Hafenfläche auf das Zweieinhalbfache vorbereitet werden. Damit wächst die Sorge der Anwohner, in Zukunft noch größeren Belastungen durch den zunehmenden Hafenbetrieb ausgesetzt zu sein. Die NIAG widersprach in ihrer Stellungnahme dem Verdacht, einen entsprechenden Antrag auf Aufnahme von Erweiterungsplänen in den Regionalplan für den Regionalverband Ruhr (RVR) bereits gestellt zu haben. „Ob, wann, für welche Güter und durch wen überhaupt eine bauliche Neuentwicklung von Hafenflächen in Orsoy in Erwägung gezogen wird, ist noch völlig offen“, so Biehl.
Allerdings solle der Hafen als „landesbedeutsam“ im Regionalplan festgesetzt werden, wodurch dem Hafenbetrieb insgesamt mehr Rechte und größerer Schutz eingeräumt würden. Außerdem genieße der Hafen damit in den nächsten 25 Jahren planerische Priorität.
Wohnbebauung würde abgestuft
Die angrenzende Wohnbebauung würde gleichzeitig wiederum in ihren Rechten abgestuft. So könnten etwa Schutzabstände zwischen Hafengelände und Wohnsiedlungen von 500 auf 100 Meter verkürzt werden. Die Anwohner berichten von Schutzabständen zwischen Staublagerungen und nächstgelegener Wohnbebauung, die bereits heute auf diesem Niveau seien. Laut der Stadt Rheinberg hat die NIAG sie darauf hingewiesen, dass sie im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung des Regionalplans eine Erweiterung des Hafengebiets anregen wird, über die der RVR zu befinden hat.
Um dem entgegenzuwirken, haben kürzlich Vertreter der Interessensgemeinschaft gegen die vorgesehene Regionalplanung eine Unterschriftenliste von 154 Unterzeichnern an Bürgermeister Frank Tatzel und dem 1. Beigeordneten Dieter Paus übergeben. Bei der gestrigen Sitzung des Stadtentwicklungs- und Umweltausschusses sollte die Liste laut Bürgermeister Tatzel bei der politischen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.
Ebenfalls eine Rolle spielen könnte der erste Bebauungsplan der Stadt Rheinberg zur Erweiterung des Geländes von 1984. Dieser war seinerzeit vom Oberverwaltungsgericht Münster für nichtig erklärt worden, weil schon damals die Belange der Anwohner nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Bis zum 1. März können Anwohner ihre Einwände beim Regionalverband Ruhr einreichen. Das nächste Treffen des Arbeitskreises ist für den 13. Februar geplant. David Weierstahl
Autor:Lokalkompass Moers aus Moers |
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