Verdammt lang her - alte Liebe Nütterden
So lange her, dass ich hier vorbeigekommen bin. So lange her, dass ich an vergangene Tage gedacht habe. Die alte Dorfkirche, wo ich zur Kommunion gegangen bin. Weiter über die Bundesstraße, wo man rechts ins „Wiesenland“ abbiegt. Hohe Pappelalleen, kleine Pfade, die uns früher zum „Kranenburger See“ mit Unmengen von Enten und Rohrkolben geführt haben.
Ich aber biege links ab. Und da ist es, das Haus, was 10 Jahre lang meine Heimat war. Unverkennbar an den gelben Klinkern und den großen Gärten. Ein kleiner Schock, dass es nun so aussieht, als würde das nahe Industriegebiet daran knabbern. Ich erinnere mich an endlose Felder bis zur Kaserne. An große Nuss- und Obstbäume, die wir Kinder begeistert erklommen haben. Und im Winter, wenn es nach langen grauen Regentagen endlich anfing zu frieren, bildeten sich dort herrliche Flächen zum Schlittschuhlaufen.
Wir Kinder aus der Nachbarschaft waren eine verschworene Truppe. Wir liebten es, entgegen der Bedenken unserer Eltern, in den alten verfallenen Scheunen herumzustromern. Laubhütten zu bauen unter dichten Holunderbüschen. Und waren gänzlich hingerissen, wenn wir am frühen Morgen das neugeborene Kälbchen auf der Kuhweide gegenüber entdeckten. Richtig glücklich waren wir, wenn der Bauer sich herabließ und uns auf seinem Traktor mitnahm.
Ich denke, dass mein Vater den Grundstein dazu legte, dass ich die Natur so sehr liebe. Ganze Tage marschierten wir durch Wiesen und Wälder. Er erklärte mir geduldig die Vogelstimmen und die verschiedenen Pflanzen. Er machte mich aufmerksam auf das im Wind schaukelnde Korn, auf den Geruch des Waldbodens nach dem Regenschauer. Auf verschachtelte Kaninchenbauten und auf Rotwildlosung.
Ich war Winnetou auf seinem stolzen Rappen Iltschi, wenn meine Eltern mit mir auf den Ponyhof in Donsbrüggen fuhren und wir eins der kleinen Pferdchen ausliehen. Mit meiner besten Freundin damals vollzog ich feierlich das Ritual der Blutsschwesternschaft. Meine Angst vorm Wasser überwand ich beim Schulschwimmen im Hallenbad von Kranenburg. Stolz wie Oskar beim allerersten „Köpper“ vom Bock. Und natürlich lasen wir alle begeistert die Bücher von TKKG und gründeten ebenfalls eine kleine Gang.
Kindergarten und Grundschulzeit flogen nur so vorbei. Dann kam der Tag des Abschiednehmens. Denn der Umzug in die große Stadt stand bevor. Ja, als Kind kann einem selbst das beschauliche Kleve riesig vorkommen :-) Ich sehe mich noch mit unserem kleinen schwarzen Hund ein letztes Mal durch die Felder laufen, mitten rein in diesen wunderbaren Sonnenuntergang. Ciao Nütterden, es war schön mit Dir.
Diese Geschichte und noch viel mehr in meiner gerade erschienenen Kurzgeschichtensammlung "Die ganz normale Sitcom namens Leben"
Autor:Christiane Bienemann aus Kleve |
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