Mosel statt Malle: Trotz Handicap alleine in den Urlaub
Alleine verreisen ohne Aufsicht – was für viele junge Menschen zum Erwachsenwerden dazugehört, gilt genauso für Menschen mit Behinderung. Auch Christian Schmidt (34) und Bianca Joosten (25), die gemeinsam in einer Wohnung in Kranenburg leben und vom LVR-HPH-Team „Ambulant Betreuten Wohnen Nissingstraße“ unterstützt werden, träumten davon, auf eigene Faust in den Urlaub zu fahren. Zusammen mit ihren Bekann-ten Andreas Schwarz, Rosemarie Baustian und Angelika Maesmanns, mit denen sie früher in einer Ambulant Betreuten Wohngemeinschaft lebten, sollte es nach Mallorca gehen. Um die Urlaubsträume der Fünf zu realisieren und sie auf diesem Schritt hin zu mehr Selbstständigkeit zu unterstützen, arbeiteten die LVR-HPH-Mitarbeitenden und das Team des alltours Reisecenters Kleve Hand in Hand. Zwar ging es im ersten Anlauf nicht nach Mallorca, dafür verbrachte die Reisegruppe ereignisreiche Tage in einem Bungalowpark an der Mosel.
„Wir haben früh mit der Planung angefangen. Ein halbes Jahr vorher haben wir uns das erste Mal mit allen zusammengesetzt und uns dann regelmäßig bis zum Urlaubsantritt getroffen. So konnten wir in vielen Gesprächen den ersten Urlaub alleine gut vorbereiten und auch auf bestehende Unsicherheiten und Ängste individuell eingehen“, berichtet Heike Füllgrabe, Mitarbeiterin des LVR-HPH-Wohnverbundes Dr. Broekmannstraße. In den Vortreffen ging es unter anderem auch um den Gruppenzusammenhalt, gegenseitige Rücksichtnahme, das Verhalten gegenüber anderen Urlaubsgästen und in Notfallsituationen. Mallorca als spontanes Urlaubsziel wurde allerdings recht schnell wieder verworfen, da der Flug und auch die fremde Sprache für eine erste Reise alleine doch höhere Hürden mit sich brachten als zunächst angenommen.
„Für den Anfang haben wir uns in der Gruppe entschieden, unseren Urlaub doch lieber in Deutschland zu verbringen. Hier ist es auch schön und wir können uns besser verständigen als in einem Land mit einer fremden Sprache“, erzählt Christian Schmidt. Um mögliche Unterkünfte zu sichten und Preise zu recherchieren ging es direkt ins Reisebüro auf die Hagsche Straße. „Wir wurden herzlich empfangen. Das alltours Reisecenter-Team rund um Nina Hütten nahm sich viel Zeit für unser Anliegen und recherchierte engagiert nach einer passenden Urlaubsreise, die allen Wünschen und Bedürfnisse gerecht wurde“, so Füllgrabe. Ein wesentlicher Punkt in der Vorbereitung bestand darin, auch bei den Angehörigen und gesetzlichen Betreuungen anfängliche Sorgen und Ängste zu nehmen. „Ohne Vertrauen in die Gruppe hätte es nicht funktioniert. Wir stehen als Unterstützerinnen und Unterstützer in der Verantwortung. Wir haben der Reise zugestimmt, weil wir wussten, dass wir die Fünf gut vorbereitet haben und wir sicher sein könnten, dass sie den Urlaub ohne Begleitung gut meistern würden. Alle Beteiligten wurden von Anfang an direkt in die Pläne einbezogen. Um Selbstständigkeit für die jungen Leute zu ermöglichen, ist es einfach auch notwendig, dass man ein Stück weit loslässt und darauf vertraut, dass sie es alleine schaffen. Auch wenn es zunächst schwerfällt“, erklärt die Heilerziehungspflegerin. Der Vertrauensvorschuss hat sich ausgezahlt, die Gruppe, deren Reiseleitung Christian Schmidt übernahm, hat die Herausforderung angenommen und den gemeinsamen Urlaub gut gemeistert.
„Es war sehr aufregend alleine in den Urlaub zu fahren. Am Anfang war ich unsicher, ob wir es schaffen, aber wir haben es geschafft. Es gab keine Probleme. Als Freunde sind wir in dieser Zeit noch enger zusammengewachsen“, sagt Schmidt, der als Hausmeister in der Gesamtschule Goch arbeitet. In der Woche an der Mosel haben sie gemeinsam viel erlebt. „Jeden Abend haben wir im Park Bowling gespielt. Wir haben Shoppingtouren unternommen und an einem Tag haben wir Mädels einen Wellnesstag verbracht, während die Jungs im Kletterpark waren“, berichtet Bianca Joosten. Der Abschied von den Parkangestellten am Abreisetag viel der Kantinenmitarbeiterin und den anderen sichtlich schwer, Tränen flossen auf beiden Seiten. Und auch die selbstgemachten Croissants zum Frühstück werden heute noch vermisst. „Ich freue mich, dass der erste Urlaub alleine so gut funktioniert hat. Man merkt richtig, wie viel Selbstvertrauen sie alle dazugewonnen haben. Das bestätigt uns in unserer Arbeit“, sagt Heike Füllgrabe. Mit dem Urlaubsende, gehen schon die neuen Planungen los. „Wir sparen gerade alle auf eine neue gemeinsame Reise im nächsten Jahr. Wir wollen wieder alleine in den Urlaub fahren. Diesmal vielleicht Richtung Norden“, sagt Christian Schmidt. Sie wollen andern Menschen mit Handicap zeigen, dass ein Urlaub alleine möglich ist und man sich einfach trauen muss. „Mit ein bisschen Mut und einer guten Unterstützung klappt das.“, so Schmidt, „In ein paar Jahren, wenn wir mehr Erfahrung gesammelt haben, fliegen wir auch nach Mallorca. Das steht für uns schon fest“. Einziger Wermutstropfen ist Rosemarie Baustians Heimweh nach ihrem Meerschweinchen, das wird auch beim nächsten Urlaub zunächst gemeinsam zu bewältigen sein.
Wer nähere Informationen zur Unterstützung im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens in Kranenburg erhalten möchte, dem steht Heike Füllgrabe telefonisch unter 02826 92201 oder per E-Mail an heike.fuellgrabe@lvr.de gerne zur Verfügung.
Autor:Yvonne de Mür aus Kleve |
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