Zwischen Kaserne und Kindergarten
Es war die erste „Duftmarke“ von Dr. Ursula von der Leyen in ihrem Amt als Bundesverteidigungsministerin: Kindertagesstätten in Kasernen, Teilzeitmodelle für Soldaten, verlässliche Karriereplanung und weniger dienstlich bedingte Umzüge. Mit einem Wort gesagt: Die Bundeswehr soll nach dem Willen ihrer Ministerin familienfreundlicher werden.
Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages widmet dem Thema „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ ein ganzes Kapitel über sechs Seiten. Er zeigt Defizite auf, aber auch, dass es gute Ansätze gibt und sich in den vergangenen Jahres vieles positiv entwickelt hat in der Bundeswehr.
Wie die Wirklichkeit aussieht, das wissen die Betroffenen am besten. In der von-Seydlitz-Kaserne Kalkar leistet seit knapp einem Jahr ein Offizier-Ehepaar seinen Dienst. Heide und Andreas Hänseroth, beide im Dienstgrad Hauptmann, sind im April 2013 gemeinsam nach Kalkar versetzt worden. Und auch sonst zeigt der Weg durch die Truppe seit ihrer gemeinsamen Grundausbildung im Jahre 2001 einige Parallelen auf. „Die Bundeswehr ist in dieser Hinsicht gut aufgestellt“, ist Heide Hänseroth überzeugt und ihr Mann weiß, dass es viele positive Ansätze in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Dienst gibt. Aber: „Man muss auch selber Initiative ergreifen und darf sich nicht darauf verlassen, dass der Dienstherr alles für einen regelt“, so Andreas Hänseroth.
Das Ehepaar hat gemeinsam bei der Bundeswehr begonnen und sich in der Grundausbildung kennen und lieben gelernt. Beide haben Bauingenieurwesen studiert und bereits während des Studiums an der Universität der Bundeswehr in München die Flexibilität ihres Arbeitgebers kennen und schätzen gelernt. Da zum Zeitpunkt der Abschlussprüfungen bereits die erste Tochter Mara auf der Welt war, stellte sich die Frage nach der Kinderbetreuung. „Während einer Prüfung hat sogar unser Gruppenleiter an der Universität auf Mara aufgepasst“, erinnert sich Heide Hänseroth mit einem Lächeln. Wie ihr Mann betont auch die Mutter – die zweite Tochter Ina wurde 2008 geboren – das man aktiv auf die Personalführung zugehen sollte, um gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten für familienfreundliche Verwendungen zu suchen. So ging es für das Ehepaar 2007 nach dem Studium in den hohen Norden, zwar nicht an einen gemeinsamen Standort, aber doch in einer Entfernung, die einen gemeinsamen Familienwohnsitz zuließ. Während Hauptmann Heide Hänseroth nach Hohn zum Lufttransportgeschwader 63 versetzt wurde, war das Husumer Spezialpionierbataillon 164 die neue Heimat für ihren Mann.
Zwei Jahre später ging es für das Offizierspaar weiter in den Raum Berlin, und damit an den Familienwohnort von Andreas Hänseroth. Der gebürtige Erfurter lebte bis zum Beginn seiner Bundeswehrlaufbahn mit seinen Eltern in der Hauptstadt. „Das war natürlich gerade im Hinblick auf die Kinderbetreuung gut, dass wir einen Großelternteil in der Nähe hatten“, so Andreas Hänseroth, der fortan seinen Dienst beim Einsatzführungskommando in Potsdam leistete. Seine Frau wurde nach Strausberg, im Nord-Osten Berlins gelegen, zum Infrastrukturstab Ost versetzt. In diese Phase fielen die beiden Auslandseinsätze des Paares. Im Herbst 2011 ging es zunächst für Andreas Hänseroth nach Afghanistan. In Kunduz war er im Bereich der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit eingesetzt. Eine spannende, aber auch nicht ganz ungefährliche Aufgabe, da die Tätigkeit den 32jährigen auch immer wieder aus dem geschützten Feldlager hinaus führte. Den Einsatz am Hindukusch möchte er so wenig missen wie seine Frau. „Diese Zeit prägt einen als Mensch“, so Andreas Hänseroth und seine Frau ergänzt, dass man erst nach einem solchen Einsatz wisse, wie gut es „uns hier in Deutschland doch geht.“
Heide Hänseroth war 2012 im Baubüro des Camp Marmal in Mazar-e Sharif fünf Monate lang für Infrastrukturvorhaben wie den Bau der Wartungshallen und Abstellflächen der Hubschrauber „TIGER“ und „NH-90“ verantwortlich. Beide betonen, dass die Belastung eines Einsatzes für den Partner zu Hause ungleich höher sei, als für den im Einsatz. „Alles was sich sonst auf zwei Paar Schultern verteilt“, so Andreas Hänseroth, „muss nun von einem Partner alleine getragen werden.“ Die beiden Töchter haben sie gemeinsam auf die jeweilige Abwesenheit eines Elternteils vorbereitet, unter anderem mit Büchern, die sich kindgerecht genau mit dieser Thematik befassen. „Speziell die Große hat das schon sehr bewusst mitbekommen“, so Heide Hänseroth.
Während ihres Einsatzes zeigte sich die Flexibilität der Bundeswehr bei der Berücksichtigung besonderer Familiensituationen. Da die Dienstorte der beiden Offiziere fast zwei Autostunden auseinanderlagen, der gemeinsame Familienwohnort jedoch ganz in der Nähe von Heide Hänseroths Dienststelle lag, ermöglichte die Bundeswehr es ihrem Mann seinen Dienst statt von Potsdam aus, im Büro seiner Frau in Strausberg zu versehen. „Das ging völlig unkompliziert“, so der Hauptmann, dem an seinem „Zeitarbeitsplatz“ die entsprechenden Zugriffsmöglichkeiten auf das Netzwerk des Einsatzführungskommandos eingerichtet wurden. „Wenn es erforderlich war“, so Andreas Hänseroth, „bin ich natürlich auch nach Potsdam gefahren.“
Seit April vergangenen Jahres leistet das Ehepaar jetzt seinen Dienst in der von-Seydlitz-Kaserne Kalkar beim Zentrum Luftoperationen. Und wieder haben sie das Glück, Oma und Opa für die Kinder in der Nähe zu haben, denn Heide Hänseroth ist eine waschechte Niederrheinerin. Geboren in Duisburg und aufgewachsen in Straelen, war für sie die Versetzung nach Kalkar ein Heimspiel. Aber auch dieses Mal ist das Paar selbst aktiv geworden, hat zunächst nach Kindergartenplätzen Ausschau gehalten und sich erst dann für den künftigen Wohnort der Familie entschieden. Denn eine Kindertagesstätte gibt es in der von-Seydlitz-Kaserne noch nicht. „Es gibt aber schon heute an vielen Standorten Kindergärten, die Belegplätze für Soldatenfamilien vorhalten“, weiß Heide Hänseroth. Der Sozialdienst des jeweiligen Standortes könne da in der Regel weiterhelfen. Inzwischen gibt es auch ein eigenes Kinderbetreuungsportal für die Bundeswehr im Internet. Unter www.bundeswehr-kinderbetreuung.de können sich Soldaten über die Situation am neuen Dienstort informieren.
Derzeit befindet sich Andreas Hänseroth auf einem Lehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Auch diese Planung hat das Soldatenpaar aufeinander abgestimmt, denn nach seiner Rückkehr geht Ehefrau Heide an die Führungsakademie. Schon in der Vergangenheit haben sie Lehrgänge gemeinsam mit der Personalführung geplant, genauso wie die Elternzeit, von der sowohl Heide als auch Andreas Hänseroth Gebrauch gemacht haben. Dass speziell Männern, die diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, teilweise mit Skepsis begegnet wird, diese Erfahrung hat auch Andreas Hänseroth gemacht. „Anfangs fanden manche Kameraden das etwas seltsam“, so der Offizier, „später jedoch wurde meine Entscheidung dann sehr positiv bewertet.“ Nicht nur das: „Andere Kameraden haben erst danach die Entscheidung gefällt, ebenfalls von der Möglichkeit der Elternzeit Gebrauch zu machen.“
Von ihrem Dienstherrn hat das Ehepaar Hänseroth bislang hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Dienst viel Flexibilität erfahren, lediglich bürokratische Hürden erschweren manchmal noch das Entgegenkommen der Vorgesetzten. Dennoch glauben beide, dass die Bundeswehr im Vergleich mit zivilen Arbeitgebern gut aufgestellt ist. Verbesserungen seien zwar immer möglich, aber: „Die Bundeswehr ist in Sachen Familienfreundlichkeit ein guter Arbeitsplatz“, betonen sie beide, ehe sie in den Wagen steigen um gemeinsam nach Hause zu fahren, zu Mara und Ina.
Text: Oberstabsfeldwebel Klaus Sattler
Autor:Lokalkompass Kleve aus Kleve |
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