Jannik Berbalk: Offener Brief an Bürgermeisterin Britta Schulz und die Stadt Kalkar

Jannik Berbalk
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Hintergrund: Der Friedensaktivist und Aktionskünstler Wilfried Porwol wurde vor wenigen Tagen vom Amtsgericht Kleve zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt, weil er das kriegsverherrlichende Denkmal in Kalkar übermalt hatte. Zu dem Denkmal hat nun Jannik Berbalk, Fridays for Future und "Aufstehen gegen Rassismus Kreis Kleve“ - Aktivist, einen Offenen Brief an Bürgermeisterin Britta Schulz gerichtet und einen Antrag bei der Stadt Kalkar gestellt.

Sehr geehrte Frau Britta Schulz,
mein Name ist Jannik Berbalk, ich bin 21 Jahre alt und darf mich glücklich schätzen in einer Demokratie und einem friedlichen Deutschland der Nachkriegszeit aufgewachsen zu sein. Ich musste nie Krieg oder Hunger erleiden und musste die schrecklichen Zeiten der NS-Herrschaft niemals selbst erleben. Ich kenne diese nur noch aus Büchern und Erzählungen von Überlebenden, meiner Familie und Dokumentationen und bedauere auch nicht, dass ich ein besseres Los erhalten habe. Was ich allerdings bedauere, kann und will ich Ihnen mit diesen Brief zum Ausdruck bringen. Kalkar besitzt ein Denkmal des Hasses und einer Zeit, dessen Ehrung ich nicht akzeptieren kann und werde. Es geht, wie Sie sicherlich jetzt bereits denken, um das Kriegsdenkmal in Kalkar. Das Hitler-Zitat auf der Rückseite des Denkmals und der Begriff des „Helden[-tums]“müssen entfernt werden. Das gesamte Denkmal sollte aus meiner Sicht entfernt und durch eine korrekte, historisch aufgearbeitete Gedenkstätte ersetzt werden und das aus folgenden Gründen: Die Gefallenen des 2. Weltkrieges waren keine Helden, sondern Opfer und Täter einer menschenverachtenden Politik zugleich. Opfer, weil Sie ihr Leben für eine faschistische Diktatur und einem menschenverachtenden Angriffskrieg lassen mussten und Täter, weil Sie sich hätten weigern können wie bspw. die Geschwister Scholl und wenige andere. Nein, natürlich ist die Sache viel komplizierter und mir ist bewusst, dass sich viele zum Dienst an der Waffe gezwungen sahen, aber ebenso viele gingen begeistert in den Krieg für einen Mann, welcher am Ende für Millionen von Toten verantwortlich ist und dies im voraus in einem menschenverachtenden Werk ankündigte. Es ist zynisch, dass ein Zitat aus „Mein Kampf“ jene Toten „ehren“ soll, für die der Verfasser Hitler persönlich Verantwortlich ist. Noch zynischer ist es, wenn man mir, der ja zur jungen Zielgruppe einer kritischen Aufklärung über die NS-Vergangenheit sicherlich gehört, erzählen möchte, dass dieses Werk mit seinen kleinen Infotäfelchen eben diese Aufgabe hätte. Wir müssen das Kriegsdenkmal in Kalkar endlich historisch korrekt aufarbeiten, grade im Gedenken an die vielen Opfer des Holocaustes und der WiderstandskämpferInnen gegen das Naziregime, mit welche/r sich so manch „Querdenkende“ Mensch dieser Zeit vergleicht. Ich möchte daher an Sie und die Stadt Kalkar appellieren dieses Denkmal zu ersetzen – wir Schulden der Nachwelt und den wahren Opfern und Helden ein Gedenken an die schrecklichen Taten des NSRegimes und keine Propaganda der Täter. Wiederholen Sie bitte nicht jene Fehler, die ich in Geschichtsbüchern lesen musste, sondern helfen Sie mit jenes Denkmal des Hasses aus Kalkar zu verbannen und meiner und kommenden Generation einen Ort zu geben, der wirklich das Zeug hat ein Gedenkstätte zu sein. Keiner von uns ist für die Taten und Schanden der damaligen Zeit verantwortlich, wir jedoch sind dafür Verantwortlich, dass niemals vergessen wird – das niemals ein Nährboden für den Faschismus gesät wird. Ich hoffe daher sehr, dass Sie meinen Bürgerantrag, welchen ich in dieser Sache geschrieben habe, unterstützen und vielleicht durch das schnelles Handeln der Stadt sogar unnötig machen. Das wäre mein Wunsch.
Kleve, den 7.12.2020 Gezeichnet, Jannik Berbalk

Anregung nach §24 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen
Entfernung des Kriegerdenkmals und die Errichtung einer historischen Erinnerungsstätte
Der Rat der Stadt Kalkar möge beschließen:
1. Die Stadt Kalkar entfernt das Kriegerdenkmal nahe des Stadtparks und ersetzt dieses durch eine Erinnerungsstätte für die Opfer des Holocausts und des NS-Regimes.
2. Die Stadt Kalkar erstellt eine Erinnerungstafel für die Schrecken und das Leid , welche beide Weltkriege verursachten sowie eine Gedenktafel für die Opfer dieser Kriege.
3. Die Stadt Kalkar erstellt eine historische Erinnerungstafel für den Platz, auf der das Kriegerdenkmal stand und in der dessen Geschichte kritisch aufgearbeitet und historisch wiedergegeben wird. Begründung: Das Kriegerdenkmal wurde Mitte der 1930er Jahre durch das NSDAP zu Propagandazwecken eingeweiht und diente somit nur zweitrangig einem Gedenken der Gefallenen. Es enthält eine Inschrift, welches auf eine Passage aus Hitlers „Mein Kampf“ zurückzuführen ist. Es ist somit ein reines Denkmal der Menschenverachtung und stellt kaum eine historische und kritische Aufarbeitung mit der Zeit des NS-Regimes da. Es ist wichtig, dass wir Vergangenes nicht vergessen und jenen Menschen gedenken, welche unnötig ihr Leben lassen mussten. Dazu braucht es allerdings eine Gedenkstätte, die ihrer Verantwortung zur historischen Aufarbeitung gerecht wird. Das jetzige Denkmal stellt eine Verhöhnung für jene Menschen da, welche sich tatsächlich Heldenhaft der damaligen faschistischen Diktatur in den Weg gestellt haben. Wir schulden den Opfern des Holocausts, dass es kein Vergessen geben wird und wir die Geschehnisse von damals in einen richtigen historischen Kontext einbinden. Wir sind in der Verantwortung, dass wir uns der geistigen Ideologie des Faschismus, welche in den letzten Jahren in Europa leider erstarkte, entgegenstellen und die Freiheiten, die wir heute als alltäglich ansehen und die mit viel Leid erkämpft wurden, verteidigen. Eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung erfolgt vor Ort und die Stadt Kalkar muss daher der Dimension und Verantwortung einer historischen Aufarbeitung gerecht werden. Deshalb sollten wir den Platz des Kriegerdenkmals nun endlich zeitgemäß umbauen! Eine Ehrung der Gefallenen der Weltkriege durch ein Nazi-denkmal ist nicht nur zynisch, es ist eine Entwürdigung und ein Skandal!
Gezeichnet, Jannik Berbalk Kleve, den 07.12.2020

Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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