gute Leinenführigkeit, ein irrationales Unterfangen? Teil 2 Problembehebung1
Nun haben nicht alle Hundehalter das Glück, einen Hund zu bekommen, der sich sogleich auf seinen Menschen einstellt und diesem ausreichend Aufmerksamkeit schenkt, was aber Grundstein jeder guten Leinenführigkeit ist.
Spezialisten, die schon ausreichend lernen mußten sich selber abzusichern, zu kontrollieren (siehe Leinenführigkeit, ein irrationales Unterfangen Teil 1 ) etc. sehen wir somit tagtäglich auf der Straße, also immer dann, wenn der Hund zieht, haben wir Menschen ihm das unbewußt schon so beigebracht.
Jetzt ist die Frage wodurch der Hund zu kontrollieren beginnt, was sich im Symptom des Leineziehens widerspiegelt. Es sind allgemein gesagt zu viel "Jöbchen" die ihn so werden lassen. Angefangen von "ihn von jedem streicheln zu lassen", über "der will doch nur den Besuch begrüßen", bis hin zu "an der Haustüre bellen" und zuletzt auch das "ewige Markieren" Hündinnen sind hiervon nicht ausgenommen. In diesen Beispielen ist der Hund dabei die Situation zu klären, bevor der Mensch auch nur einen Schritt in Richtung der Aktion getan hat.
Also haben wir ihn nichtsahnend etwas lernen lassen, was aus unserer Sicht später einen Fehler darstellt, aus Sicht des Hundes aber absolut korrekt ausgeführt wird, da wir es im Vorfeld ja zugelassen haben. Jetzt fängt die Farce für den Hund an: wir korrigieren ihn für das Verhalten, was er nicht anders von uns beigebracht bekommen hat!
Mal ganz ehrlich meine lieben Leser und Leserinnen: wenn man sie einen Fehler machen läßt und anschließend bekommen sie dafür auch noch eine Abmahnung, wie gut und fair fühlen sie sich behandelt? Machen wir ganz beabsichtigt etwas falsch, damit sich ein anderer so richtig über uns ärgert?
Wohl kaum, wir ärgern uns über uns selber und fühlen uns wahraftig schlecht, peinlichst berührt, wenn man uns Vorhaltungen macht, obwohl wir es im Vorfeld nicht besser gezeigt bekommen haben, worauf es ankommt. Wieso sagen wir denn so lapidar: Lehrjahre sind keine Herrenjahre? Weil der Auszubildende einen Abrieb dafür bekommt, was ihm von den Verantwortlichen nicht besser gezeigt oder nur unzureichend erklärt wurde. Dies ist Verantwortung abgeben. Fehler einem anderen in die Schuhe schieben. Denn dann ist man wenigstens selber fein aus dem Schneider und muß nicht bei sich anfangen Veränderungen zu treffen, was zugegebener Maßen sehr bequem ist.
Das machen wir mit unserem Hund genaus so: die Fragen die ich dahingehend immer wieder gestellt bekomme sind doch ganz eindeutig: ER zieht so, was kann ich DAGEGEN tun? In genau diesem Augenblick sehen sie sich als das arme Opfer, weil der böse Hund nicht darauf achtet, daß sie noch am anderen Ende der Leine sind. Er zieht sie unsanft durch die Wohnsiedlung oder die Felder und welche Wohltat empfindet man, wenn man dann endlich ableinen kann um etwas mehr Ruhe zu haben.
Und genau hier beißt sich die "Katze" in den Schwanz! Man läßt ihn NOCH weiter weg, obwohl es doch ganz offensichtlich ist, daß ihr Hund sie schon an der Leine komplett ausblendet. Man läßt den Hund machen, auch hier wieder eigenverantwortlich und ohne seinen eigentlichen Verantwortungsträger, den Menschen und verschlimmert die Situation damit noch weiter. Sie kennen das, daß ihr Hund auf Rückruf nicht kommt? Ja sie sind eben nicht wichtig genug, er hat andere Prioritäten, nämlich seinen Reviergang zu beenden und sie hat er als "Klotz" am Bein dabei. Denn sie sind viel zu langsam.
Eigentlich wäre es richtig: er darf sie auf ihrem Reviergang begleiten! Mit diesem kleinen Satz wäre auch schon die Verantwortungsfrage geklärt.
Stattdessen lassen wir alles beim Alten und korrigieren ihn für die Zeit in der er an der Leine läuft.
Die Korrekturmaßnahmen sind dabei so vielfältig wie "einfallsreich": angefangen vom klassischen Leinenruck, über einfach mal die Richtung wechseln, über stehenbleiben bis hin zu Tritten, anschreien, mit der Leine einen überziehen, im Nacken packen, Kettenwürger, Halti, Stachler etc. Das sind die klassischen "Verzweiflungsrufe" der Halter, die der Hund jedoch aushalten muss. Traurig, wie ich finde, nichts was amüsant oder lustig wäre oder als Komödie auf dem Markt "vermittelt" werden könnte.
Dabei wollen wir das Wesentliche nicht aus dem Fokus verlieren:
Haben Sie sich schon mal überlegt, wann das Ziehen eigentlich beginnt? Na, dann machen Sie doch folgenden Selbstversuch und gehen Sie einfach mal zur Garderobe und ziehen sie ihre Jacke an. Oder nehmen sie doch ganz einfach mal die Leine in die Hand oder den Haustürschlüssel. Wenn ihr Hund schon in diesem Augenblick anfängt zu hecheln oder in irgendeiner anderen Form eine Reaktion zeigt, dann haben sie schon erfolgreich ihren Tagesablauf ritualisiert und der Hund fängt genau in DIESEM Augenblick an, sie auszublenden und meist auch zu manipulieren. Er hat schon hier eine Erwartungshaltung und in dieser Erwartungshaltung haben sie als wahrzunehmender Anwesender keinen Platz mehr.
erster Tip: diese Ritualisierung aufheben
nehmen sie ihren Haustürschlüssel und setzen sich z.B wieder hin oder ziehen sie sich eine Jacke an und trinken sie einen Kaffe oder Tee. Irgendetwas, was der Hund mit dieser Sitution nicht in Verbindung bringt und ihn verunsichert. Nehmen sie die Leine in die Hand und klicken sie willkürlich mit dem Karabiner herum, während sie weiter fernsehen...bringen sie anschließend die Leine wieder weg. Auch das Klicken des Karabinerhakens ist doch unbewußt schon konditioniert und vom Hund mit einer konkreten Erwartungshaltung verknüpft --> Freilauf.
zweiter Tip: lassen sie ihren Hund bitte lernen
Hundehalter sind erfahrungsgemäß ein ungeduldiges Völkchen. Veränderungen am besten schon gestern, aber bitte nur vom Hund ausgehend. Nur kann sich der Hund immer nur den aktuellen Veränderungen des Halters anpassen. Heißt: wenn sie den ersten Tip nur einmal in drei Wochen trainieren, dann wird sich dementsprechend kaum Erfolg einstellen können! Wie lange haben sie das 1x1 lernen müssen und wissen sie heute noch aus dem Stehgreif was die Wurzel aus...ist? Dann erwarten sie das bitte auch nicht von ihrem Hund. Er muss lernen dürfen, daß Veränderungen überall Gültigkeit haben, dann sollten sie ihm aber auch zur Verinnerlichung die Möglichkeit in verschiedenen Situationen dazu geben.
Übertragen auf unser Bsp. mit der Leine und der schon bestehenden Erwartungshaltung des Hundes: Trainieren sie es zu Hause, falls möglich auf der Arbeitsstelle (ihre Kollegen werden es ihnen danken, wenn die Mülleimer zukünftig stehen bleiben und sie nicht ungewollt wieder Müllmann spielen müssen oder die Stecker endlich mal in der Steckdose verbleiben, ohne daß der Computer oder der grad druckende Drucker abgestöpselt werden, oder ihre Verabschiedung nicht zwangsläufig mit einem kopschmerzauslösenden Hundegebell verbunden ist...) und selbstverständlich bei Freunden, Eltern, Schweigereltern...
Ist ihr erster Gedanke: puh, dann habe ich ja keine Zeit zum Kaffetrinken und quatschen, dann gehen sie absolut recht in dieser Annahme. Ist ihnen das schon zu viel, dann haben sie sich leider das falsche Haustier ausgesucht, denn ein Hund ist wie ein dreijähriges Kind und bedarf demenstprechender Aufsicht. Zumindest in der Anfangszeit des Trainings.
Je nach Stärke der ausgeübten Kontrolle ist es ratsam, den Hund während des Besuchs schon gar nicht abzuleinen. Damit machen sie es sich und aber auch dem Hund leichter, denn sie nehmen ihm von vorn herein die Möglichkeit eigenverantwortlich zu handeln und damit auch "Fehler" zu begehen.
dritter Tip: kleine Schritte führen zum nachhaltigen Erfolg
Es ist schon so, daß wir Menschen den Hund gerne überfordern, indem wir zu schnell zu viel verlangen. Dabei sind es die kleinen Erfolge, die sich beim Hund nachhaltig setzen und ihn sein Verhalten anpassen lassen. Haben sie also die Ritualisierung angefangen zu lösen und sie können ohne größere Ausraster ihres Hundes anleinen, dann gehen sie bitte nicht gleich raus und haben den Hund schon wieder vor sich im alten Verhaltensmuster...
Achten sie ebenfalls hierbei darauf, daß der Blickkontakt des Hundes auf ihnen ruht. Fixiert er schon die Haustür oder zieht evtl. schon dorthin, ist es nicht sonderlich ratsam, an dieser Stelle weiter zu machen...hier zeigt er doch schon, daß er nicht noch höheren Ansprüchen gewachsen ist.
Also brauchen sie im Haus mit jedem Schritt in Richtung Haustür den Blickkontakt, auch das muß ihm gezeigt werden. Leichter tut sich der Hund damit, wenn die Leine dafür nicht zu lang ist. Gerade so, daß er ohne Zug, locker neben ihnen stehen kann. Dafür dürfen sie die Leine auch gerne hinter dem Rücken führen.
Immer daran denken, daß jeder Blickkontakt bestätigt werden sollte, zumindest anfänglich, bis er weiß, was sie von ihm möchten.
Vorher können sie nicht raus gehen, geschweige denn, überhaupt einen Schritt tun. Auch muß er lernen dürfen, daß das Öffnen der Tür nicht gleichbedeutend ist mit der Kontrolle und dem ziehen der Leine. Empfehlenswert ist hier also diesen "Ablauf so lange zu üben, bis er sich ruhig anleinen läßt und auf dem Weg zur Tür, den Blickkontakt aufrecht erhalten kann und selbst beim Öffnen der Tür die Orientierung zu Ihnen nicht verliert.
Erst dann kann es vor die Tür gehen. Viel Spaß beim üben, die Ostertage bieten sich nun regelrecht dafür an! Niemals ungeduldig dem Hund gegenüber werden. Er kann nur so gut lernen, wie SIE es ihm vermitteln. Der zweite Teil des zweiten Teils folgt...danke fürs Lesen
Autor:Cornelia Benford aus Kalkar |
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