Gegen die Einsamkeit
Rotarier unterstützen Schul-AG zur mentalen Gesundheit
Dass Einsamkeit unter jungen Menschen in Nordrhein-Westfalen stark verbreitet ist und durch die Coronapandemie vermutlich noch deutlich zugenommen hat, ergab jüngst eine Studie im Auftrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Emotionale und soziale Einsamkeit beeinträchtigt auch die mentale Gesundheit der Heranwachsenden – da passt dieses Engagement des Rotary Club Hilden-Haan mehr denn je auch in die Weihnachtszeit: Seit dem Beginn des Schuljahrs unterstützt der Club finanziell eine Arbeitsgemeinschaft, die von der psychologisch-systemisch ausgerichteten Hildener Privatpraxis „Weiße Villa“ in der Realschule Hochdahl angeboten wird. Die AG für die 9. und 10. Klassenstufe lässt sich mit der Förderung mentaler Gesundheit oder auch mit „Empowerment“ betiteln.
„Wir sehen es als eine Art Pilotprojekt“, sagt Janine Mertens, die die Praxis in Hilden seit Anfang 2022 betreibt. Unter den verschiedenen Beratungs- und Therapieangeboten bildet die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen einen Schwerpunkt. Da es vergleichbare Angebote an deutschen Schulen kaum gebe, soll es am Ende des Projekts ein Handbuch als Leitfaden geben. „Der könnte dann auch von anderen Schulen für vergleichbare Angebote genutzt werden“, so Mertens weiter. Die Idee zu der Arbeitsgemeinschaft hatte Rotary-Hilden-Haan-Präsident Dieter Brenken, der das Thema der mentalen und emotionalen Gesundheit für die Dauer der Amtszeit zu seinem „Präsidentenprojekt“ gemacht hat.
Dass die AG ein Weg sein könnte, aufklärend und präventiv bei Kindern und Jugendlichen zu wirken, die mit ihren seelischen Belastungen überfordert sind, ist für die Psychologin, Psychoonkologin und systemische Therapeutin unumstritten. „Die Diskrepanz zwischen Anfragen nach Therapieplätzen und dem Angebot ist groß“, sagt Mertens mit Blick auf die tägliche Arbeit in der Praxis. „Wir stellen fest, dass gerade im Zuge der Coronapandemie mit ihren mannigfaltigen Belastungen sich nicht nur Eltern und Lehrer, sondern vermehrt auch Jugendliche selbst an uns wenden.“
Diese Belastungen hat auch die Studie „Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie“ im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung festgestellt. Durchgeführt wurde sie von einem Team rund um die renommierte Einsamkeitsforscherin Professor Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum. Laut der Studie, für die in zwei Stichproben rund 950 Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren sowie knapp 1250 Achtklässler befragt wurden, fühlt sich fast jeder fünfte ältere Jugendliche und junge Erwachsene stark einsam. Bis zu acht von zehn älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlen sich mindestens moderat einsam; unter jüngeren Jugendlichen sind bis zu sieben von zehn betroffen.
„Einsamkeit ist die neue soziale Frage unserer Zeit“, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Vorstellung der Studie Ende November. „Sie wirkt sich nicht nur auf das Leben der Betroffenen negativ aus. Einsamkeit fordert auch unser Gesundheits- und Sozialsystem heraus und schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
In der Arbeitsgemeinschaft an der Realschule Hochdahl geht es auch um Strategien und Übungen, die man anwenden kann, um aus einem emotionalen Tief herauszukommen und sich wieder handlungsfähig zu erleben. Unter anderem geht es um das Selbstmanagement als Grundlage guter Entscheidungen und wie sich in der schwierigen Phase der Pubertät das eigene „Gedankenkarussell“ stoppen lässt – Thema Achtsamkeit. Das Ziel ist, eine ganzheitliche Sicht auf mentale Gesundheit altersgerecht zu vermitteln und dies für die Jugendlichen erlebbar zu machen.
Es sind immer zwei Therapeuten dabei: Einer leitet die Arbeitsgemeinschaft, der andere ist der, der darauf aufbauend die AG der nächsten Woche leiten wird. Am Ende jeder Einheit gibt es eine kurze Auswertung per Fragebogen. Bei den Schülerinnen und Schülern scheint das Konzept gut anzukommen. Sie würden bei den einzelnen Fragen überwiegend die Möglichkeiten „stimme voll zu“ oder „stimme überwiegend zu“ ankreuzen, so Mertens. Mit den in der Regel zwölf Teilnehmenden, es sind fast ausschließlich Schülerinnen, wurde am Beginn des Schuljahrs zudem ein Vertrag geschlossen, der neben allgemeinen Regelungen auch beinhaltet, dass alles, was in der AG besprochen wird, den Raum nicht verlässt.
Dieter Brenkens Idee zur Arbeitsgemeinschaft passt zu einer Initiative des aktuellen Welt-Präsidenten von Rotary, Gordon McInally. Der Schotte hat die Förderung der psychischen Gesundheit zu einem Schwerpunkt seiner Präsidentschaft erklärt. „Mentale und emotionale Gesundheit sind entscheidend für unser allgemeines Wohlbefinden“, hatte McInally erklärt. „Mein Handlungsaufruf im Rahmen dieser neuen Initiative von Rotary besteht darin, dass wir uns dafür einsetzen, das Stigma zu beseitigen, über psychische Gesundheit zu sprechen, Betroffenen helfen, eine qualitativ bessere Versorgung zu finden, und sie auf ihrem Weg zur Genesung unterstützen.“
Autor:Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr |
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