Deutschland ist rückständig
Vor einer Woche bin ich aus einem dreiwöchigen Urlaub aus Schweden zurückgekehrt. Der Urlaub war schön und auch sehr aufschlussreich – danke der Nachfrage.
Während dieses Urlaubs habe ich festgestellt, dass Deutschland in mancher Beziehung ein ziemlich rückständiges Land ist.
Zum Beispiel bei der Bezahlung von Waren jeglicher Art. Barzahlung? Nicht in Schweden – oder zumindest sehr selten. Alles, aber wirklich alles, wird dort von Jung und Alt mit Kredit- oder Bankkarte bezahlt. Ob es eine Kugel Eis ist oder eine Bestellung bei McDonald’s oder anderen Imbissen, bei der Fahrradvermietung, in jedem Geschäft, an jeder Tankstelle – ausnahmslos überall ist es üblich, nicht mit Bargeld, sondern mit Karte zu bezahlen. Viele Tankstellen nehmen auch gar kein Bargeld mehr an, dort kann man nur noch mit Karte bezahlen. Auch Parkgebühren kann man in der Regel nicht mit Bargeld, sondern ausschließlich mit Karte begleichen.
Nur noch zwanzig Prozent der Schweden zahlen überhaupt noch ab und zu mit Bargeld. Bisher war ich ja auch Anhänger des Papiergeldes, aber nachdem ich die Kartenzahl-Methode drei Wochen lang ausgiebig, mit wachsender Begeisterung und zu meiner vollsten Zufriedenheit angewendet habe, bin ich Fan der bargeldlosen Zahlung, die ich jetzt auch hier in Deutschland, wo immer möglich, nutzen werde.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Kein Kleingeld mehr, das die Geldbörsen füllt und Überfälle lohnen nicht mehr, weil man ja kaum noch Bargeld bei sich hat.
Außerdem ist mir aufgefallen, dass man in Sachen Elektromobilität in Schweden auch sehr viel weiter ist als in Deutschland. Nicht in jedem, aber in vielen, auch kleinen Orten, stehen am Straßenrand bzw. auf den Parkplätzen Stromzapfsäulen. Es ist überhaupt kein Problem, jederzeit ein eventuell vorhandenes Elektrofahrzeug aufzuladen. Und Elektroautos gibt es in Schweden im Vergleich zu Deutschland viele. Wobei ich auch nicht unerwähnt lassen möchte, dass der Strom in Schweden wesentlich günstiger zu haben ist als in Deutschland.
Die deutsche Bundesregierung möchte bis zum Jahr 2020 Leitanbieter für die Elektromobilität werden und strebt an, dass im Jahre 2020, also in sechs Jahren, eine Millionen Elektroautos in Deutschland zugelassen sein sollen. Das wird nie was, denn im Gegensatz zu Schweden stimmt in Deutschland ja noch nicht einmal die Infrastruktur. Nicht nur, dass die Anschaffung von Elektrofahrzeugen im Gegensatz zu Schweden steuerlich nicht gefördert werden soll, es fehlt für private Laternenparker ja auch komplett die Möglichkeit, ein Elektroauto aufzuladen.
Ich komme viel herum, aber in keinem Ort in Deutschland habe ich bisher Stromzapfsäulen für Laternenparker gesehen. Anreize für den Kauf von Elektroautos gibt es also hier keine.
Auch der öffentliche Personennahverkehr ist in Schweden schon überwiegend elektrifiziert. Fast jeder Linienbus fährt rein elektrisch oder als Hybridfahrzeug. Die Busse, die nicht im Einsatz sind, stehen auf Sonderparkplätzen der Verkehrsbetriebe an ihren Stromtankstellen und warten auf ihren nächsten Einsatz. Auch so etwas habe ich in Deutschland bisher noch nicht gesehen.
Aber was mich am meisten in Schweden – neben der schönen Landschaft – beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass dort das Bildungsniveau ganz offensichtlich viel höher ist als bei uns. Oder können Sie sich vorstellen, dass zum Beispiel eine Kassiererin in einem hiesigen Supermarkt, wenn sie nicht auf Deutsch, sondern Englisch angesprochen wird, weil der Kunde die deutsche Sprache nicht gut beherrscht, sofort in perfektem Englisch antwortet? Egal, ob es sich um die Bedienung in einer Eisdiele, um besagte Kassiererin oder sonstwen handelte: ausnahmslos alle konnten perfekt Englisch, manche auch Deutsch. Diese sprachliche Flexibilität hat mir im Urlaub sehr geholfen, denn wer lernt für drei Wochen Auslandsurlaub schon so viel der dortigen Amtssprache, dass sie oder er sich dort einwandfrei verständigen kann? Die wichtigsten Begriffe wie Begrüßungsformeln, „ja“, „nein“, „Danke“ und ein paar mehr habe ich mir zwar beigebracht, aber das war’s auch schon.
Bemerkenswert auch, wie freundlich und hilfsbereit die Menschen in Schweden sind. Und das nicht etwa nur in Geschäften, sondern generell. Die strahlen eine innere Zufriedenheit aus, die ich in Deutschland oft vermisse.
Autor:Horst-Peter Horn aus Hilden |
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