Besonders junge Menschen brauchen Aufklärung
Interview zur Cannabis Freigabe

Jens Trappmann, Leiter des AWO VIA Beratungszentrums für Suchtfragen und Suchtprävention. Foto: Bernd Henkel
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  • Jens Trappmann, Leiter des AWO VIA Beratungszentrums für Suchtfragen und Suchtprävention. Foto: Bernd Henkel
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Konsum und Besitz des Rauschmittels Cannabis sind in begrenzten Mengen seit dem 1. April nicht mehr strafbar. Mit dem sehr umstrittenen Gesetz sollen, so der Plan der Bundesregierung, gleichzeitig Prävention und Aufklärung, Gesundheitsschutz sowie Kinder und Jugendschutz verbessert werden. Prävention und Aufklärung, insbesondere in Schulen, sind zentrale Aufgaben der Sucht- und Drogenberatungsstelle VIA der AWO EN für Wetter und Herdecke. Im Interview äußert sich deren Leiter Jens Trappmann zu Chancen und Risiken des neuen Gesetzes.

Mit einer Verbesserung von Prävention und Aufklärung kommen sicher viele neue Aufgaben auf Sie und Ihre Kollegen zu. Bemerken Sie schon Veränderungen?
Wir haben vermehrt Anfragen von Eltern zu den Gefahren und Risiken des Cannabiskonsums. Gerade bei Elternabenden in Schulen wird deutlich, wie besorgt Eltern sind und dass sie nun einen hohen Informationsbedarf haben. Zusätzlich erreichen uns Anfragen von Betrieben und Gaststätten, die im Augenblick auch noch keine Rechtssicherheit bezüglich des Konsums haben.

Wird es eine Zusammenarbeit mit Cannabis-Clubs geben, die präventive Angebote nachweisen sollen?
Eine Zusammenarbeit mit den Cannabisclubs ist erst einmal nicht geplant. Diese soll in Zukunft in der Hand der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) liegen und nicht bei den Suchtberatungsstellen vor Ort. Die BzGA soll cannabisspezifische Präventionsmaßnahmen und für Kinder und Jugendliche sowie ein digitales Beratungsangebot für Konsument*innen anbieten. Unabhängig davon wird das AWO VIA Beratungszentrum für Jugendliche in Zukunft „CANDIS“ anbieten. Dies ist ein Beratungsangebot speziell für Cannabiskonsument*innen. In Einzelgesprächen oder als Gruppenangebot werden der aktuelle Konsum beleuchtet, mögliche Vorteile einer Konsumveränderung erarbeitet und konkrete Schritte zur Umsetzung überlegt.

Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Freigabe von Cannabis?
Sie ist insgesamt total richtig, vor allem im Hinblick auf die damit einhergehende Entkriminalisierung. Vorstrafen wegen Besitz und Konsum von Cannabis konnten bisher gerade die Zukunft und die berufliche Entwicklung von jungen Menschen sehr nachhaltig negativ beeinflussen. Gleichzeitig hatte die Kriminalisierung keinen signifikanten Einfluss auf den Konsum. Und wenn Konsumentinnen und Konsumenten bei Bedarf künftig schneller Hilfen finden, etwa über die Cannabis-Clubs, ist das auch ein Vorteil. Aber es gibt neben Chancen auch Risiken und in Details muss in der Umsetzung des Gesetzes sicher noch nachgebessert werden.

Besonders umstritten war die Frage, ab welchem Alter die Cannabis-Freigabe gelten soll. Nun gilt die Freigabe mit Einschränkungen schon ab 18 Jahren. Wie beurteilen Sie das?
Anders als Alkohol, so belegen bisher Studien, verursacht Cannabis bei Erwachsenen über 25 Jahren keine Hirnschäden. Bei jüngeren Menschen sieht es jedoch anders aus. Die Hirnentwicklung ist erst
im Alter von 25 Jahren abgeschlossen. Der Entwicklungsprozess kann durch den Konsum von Cannabis gestört werden. Es können Angststörungen, Depressionen und Psychosen auftreten. Gerade bei jungen Menschen ist nun sehr viel Aufklärung notwendig, um sie auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Zudem sehen wir auch die Gefahr, dass Cannabis an Minderjährige weitergegeben wird.

Sie sprachen auch von Nachbesserungsbedarf im Gesetz. Wo sehen Sie den?
Polizei und Behörden wissen nicht, wie sie die Auflagen für Cannabis-Clubs und auch für den privaten Anbau kontrollieren sollen. Wer prüft, ob pro erwachsenem Familienmitglied wirklich nur drei Pflanzen im Haus sind und sich nicht auch Jugendliche daran bedienen? Pro Person dürfen Cannabis-Clubs pro Monat 50 Gramm Cannabis abgeben. Das ist eine große Menge. Und im Moment erleben die Schwarzmarkthändler noch einen richtigen Boom. Denn freies Cannabis gibt es ja noch nicht. Zu Hause muss es noch wachsen, die Clubs dürfen erst ab Sommer mit dem Anbau beginnen und können vielleicht im Herbst erstmals ernten.

Welche Regeln für Cannabis-Konsumenten künftig im Straßenverkehr gelten, ist auch noch nicht geregelt?
Nein, aber das zu lösen wird besonders spannend. Alkohol im Blut baut sich in einem gewissen, recht kurzen Zeitraum vollständig ab und ist nicht mehr nachweisbar. Wer abends Cannabis konsumiert ist am nächsten Tag fahrtüchtig. Der Cannabis-Inhaltsstoff THC ist bei regelmäßigem Konsum aber bis zu sechs Wochen lang nachweisbar.

Jens Trappmann und seine Kolleginnen Elvan Housein, Andrea Latusek und Vera Holtmann (v.l.) beraten Jugendliche im neuen Angebot CANDIS zu Fragen des Cannabiskonsums.
Fotohinweise: Bernd Henkel
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Zum Hintergrund

Seit dem 1. April ist für Erwachsene ab 18 Jahren der Besitz von 50 Gramm Cannabis und drei Cannabis-Pflanzen erlaubt. In der Öffentlichkeit darf man maximal 25 Gramm Cannabis dabeihaben. Cannabis-Clubs können maximal 500 Mitglieder haben und pro Mitglied und Monat maximal 50 Gramm Cannabis aus eigenem Anbau abgeben. Sie sind zur Einhaltung des Jugendschutzes verpflichtet und müssen Präventionskräfte vorhalten. An junge Menschen unter 21 Jahren dürfen sie monatlich nur maximal 30 Gramm mit einem THC-Gehalt von maximal 10 Prozent ausgeben. Der Konsum von Cannabis in der Öffentlichkeit ist erlaubt, allerdings nicht im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Jugendeinrichtungen sowie auch Cannabis-Clubs. Im Internet gibt es dazu bereits eine bundesweite Karte: bubatzkarte.de In Fußgängerzonen darf zudem zwischen 7 und 20 Uhr nicht gekifft werden.

Jens Trappmann, Leiter des AWO VIA Beratungszentrums für Suchtfragen und Suchtprävention. Foto: Bernd Henkel
Jens Trappmann und seine Kolleginnen Elvan Housein, Andrea Latusek und Vera Holtmann (v.l.) beraten Jugendliche im neuen Angebot CANDIS zu Fragen des Cannabiskonsums.
Fotohinweise: Bernd Henkel
Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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