Furchtbare Zauberkünstler

Der Konzern produzierte synthethischen Treibstoff und synthetischen Gummi, er beschäftigte Zwangsarbeiter, er betrieb in Kooperation mit der SS das Buna-Werk in Auschwitz: Die IG Farben, der Zusammenschluss führender chemischer Unternehmen wie Bayer, Agfa, BASF und Hoechst, belieferte die Wehrmacht und unterstützte Hitler finanziell. Dafür standen deren Vertreter am 27. August 1947 in Nürnberg vor Gericht. Die Anklage: „Planung, Vorbereitung, Initiierung und Führung von Angriffskriegen.“
„Sie waren“, so der Chefankläger Telford Taylor, „die Männer, die den Krieg möglich machten. Sie waren die Zauberkünstler, die die Phantasien von Mein Kampf wahr machten.“ Der britische Journalist Diarmuid Jeffreys erzählt in seiner umfangreich recherchierten Studie „Weltkonzern und Kriegskartell“ die Geschichte eines Unternehmens, das die moderne Chemie erfand und sich – aus nackter Profitgier und ideologischer Verblendung – willig den brutalen, expansiven Plänen Hitlers unterordnete. Die „Interessengemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft“, kurz IG Farben, gründete sich 1925 mit dem Zweck, den technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Vorsprung der deutschen chemischen Industrie gegenüber der erstarkenden Konkurrenz aus den USA und Großbritannien zu bewahren und zu fördern. Schnell wuchs die IG Farben zu einem der mächtigsten Unternehmen der Welt. Damit das auch so blieb, sicherte sich der Konzern, insbesondere seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten, das Wohlwollen der Regierung – mit der üblichen Methode: Geld, Geld, Geld. Das blieb nicht ohne die erwarteten Folgen. In Görings Vierjahresplan wurde die IG Farben üppig mit Aufträgen für die anstehende Aufrüstung eingedeckt. Und die IG Farben lieferte – mit der Entwicklung synthetischen Treibstoffs und synthetischen Kautschuks ( Buna) unterstützte sie materiell den Eroberungsfeldzug der deutschen Truppen. Um im großen Maßstab und so billig wie möglich produzieren zu können, errichtete die IG Farben ein Buna-Werk in Auschwitz. Für die dort beschäftigten Zwangsarbeiter wurde eigens das Auschwitz-Lager III, Monowitz errichtet. Die Zwangsarbeiter der IG Farben vegetierten dort in einem so elenden Zustand, dass sich selbst die SS über die hohe Todesrate wunderte.
Wer wissen möchte, wie der Weg der international hoch geachteten, Nobelpreis-renommierten deutschen Chemieindustrie ins Konzentrationslager nach Auschwitz führen konnte, der sollte dieses Buch lesen.
Diarmuid Jeffreys / Weltkonzern und Kriegskartell /612 Seiten / Blessing Verlag

Autor:

Jens Holsteg aus Herdecke

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