Der Mann hinter Krupp

Er war der Generalbevollmächtigte von Krupp und damit einer der bedeutendsten Industriellen der Bundesrepublik: Joachim Käppners faszinierende Biografie von Berthold Beitz ist ein literarischer Glücksfall – eine faszinierende Lebensbeschreibung und zugleich ein Panorama der deutschen Geschichte von der Nazi-Diktatur bis zur Gegenwart.
Der Glücksfall bezieht sich auch auf die Entstehung des Buches, denn Beitz gab nur wenige Interviews und erzählte nie viel von sich selbst - bis zu dieser Biographie. Käppner, promovierter Historiker und Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, hatte uneingeschränkten Zugang zum Archiv der Krupp-Stiftung sowie erstmalig zum Privatarchiv der Familie Beitz.
Am 25. September 1952 kommt es zu einem folgenreichen Gespräch am Hamburger Jungfernstieg. Dort fragt Alfried Krupp, Alleininhaber des großen deutschen Stahlkonzerns, den damals 39-jährigen Generaldirektor der Germania-Versicherung, Berthold Beitz: „Möchten Sie nach Essen kommen und mir helfen, den Konzern wiederaufzubauen?“ Nach anfänglichem Zögern schiebt Krupp nach: „Sie bekommen Generalvollmacht, Sie können handeln wie ein Eigentümer und machen, was Sie wollen.“ Beitz sagt zu und erzählt im Rückblick: „Es gab nichts Schriftliches,, nur einen Handschlag zwischen zwei Männern.“
Dieser Handschlag prägt die bundesrepublikanische Industrie- und Wirtschaftsgeschichte über Jahrzehnte. Aber Beitz und das Revier – das war keine zwangsläufige Verbindung. Als er einige Jahre früher das Revier besuchte, kommentierte er trocken: „Hier möchte ich nicht tot überm Zaun hängen!“ Und immer wieder gerne erzählt Beitz die Episode, dass er den Bochumer Verein, das bedeutende Hüttenwerk, zunächst für einen Fußballklub gehalten habe.
Aber er lebt sich schnell ein: Beitz macht aus dem Unternehmen, das im Ausland als Sinnbild für ein kriegerisches Deutschland steht, einen zivilen, modernen Konzern. Beitz wird als Industriemanager zum Vorreiter der neuen Ostpolitik, er sichert den Fortbestand des Unternehmens durch die Überführung in eine Stiftung und engagiert sich als Stiftungsvorsitzender für die Förderung der Kultur.
Erst spät wird bekannt, dass er 1942 bis 1944 in Polen Hunderten von verfolgten Juden das Leben gerettet hat. Von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird er dafür als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.
Glänzend geschrieben, ist diese Beitz-Biographie ein Muss – nicht nur, aber besonders auch für uns „Ruhrpottler“.

Autor:

Jens Holsteg aus Herdecke

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