Wirtschaft vor Ort Hattingen: Rückblick und Ausblick
Hattinger Wirtschaft zeigt widersprüchliches Bild

Bürgermeister Dirk Glaser und Wirtschaftsförderer Martin Serres. Foto: Pielorz
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2020 – das Jahr der Corona-Pandemie zeigt auch in Hattingens Wirtschaft ein höchst ambivalentes Bild. „Es gibt Firmen, die das Jahr ohne nennenswerte Verluste überstanden haben. Aber es gibt eben auch Branchen, die es besonders hart getroffen hat. Bisher liegen uns keine Meldungen von drohenden Insolvenzen vor. Aber wir schauen mit gemischten Gefühlen auf 2021. Noch wissen wir nicht, welche finanziellen Hilfen von Land und Bund zu erwarten sind und wie sich die Pandemie auch unter der Hoffnung der Impfung entwickelt. Aber ich neige dennoch zur Zuversicht, dass wir auf der Basis eines soliden Haushalts die Herausforderungen bestehen werden“, sagt Bürgermeister Dirk Glaser.
Wirtschaftsförderer Martin Serres ergänzt: „Im produzierenden Gewerbe haben wir einen Umsatzrückgang zu verzeichnen, teilweise bis zu dreißig Prozent. Wir liegen aber in der Arbeitslosenstatistik mit etwa sechs Prozent immer noch auf einem guten Niveau. Die Ausbildungsverträge haben sich in 2020 sogar positiv entwickelt. Durch die finanziellen Hilfen von Land und Bund in der Corona-Pandemie haben wir das Jahr 2020 recht gut überstanden.“ Sorgenkinder, da sind sich beide einig, sind neben Handel und Gastronomie die Hotellerie, die Kultur und der Tourismus. „Trotzdem durften wir uns in diesem Jahr beispielsweise über die Ansiedlung von Toner Partner und Planet Sports in Hattingen freuen. Hier entstehen 500 neue Arbeitsplätze und die Ansiedlung ist auf gemeinsame Kontaktbemühungen und Messen zurückzuführen. Auch ein Unternehmen zur Elektromobilität mit weiteren vierzig Arbeitsplätzen konnten wir gewinnen. Hier haben wir das Glück, dass die Ansiedlung einer Firma manchmal einen Sogeffekt mit sich bringt, der weitere Unternehmen in die Stadt zieht.“
Auch die Anfragen von Firmen laufen recht gut. Eine ganze Reihe von städtebaulichen Veränderungen prägen das Hattinger Stadtbild. Der Bauantrag für das Projekt von Autohaus Tiemeyer ist eingegangen. Auf dem Gelände des ehemaligen Rewe-Zentrallagers an der Eickener Straße wird auf 50.000 Quadratmetern eine neue Aufbereitungszentrale gebaut. Bewegung soll es auch an der Nierenhofer Straße geben. Hier ist es politischer Wille, das Gebiet als Gewerbefläche zu nutzen – von klassisch fertigendem Gewerbe im Südwesten bis zu Büroimmobilien für den Dienstleistungssektor zur Innenstadt hin. Hier überlegt die Stadt, das Gelände selbst zu kaufen und zu entwickeln. Sie ist an einem fließenden Übergang von produzierendem Gewerbe bis hin zu Dienstleistungen und Büros interessiert. Im Mittelpunkt steht dabei auch die Digitalisierung, die das Arbeitsleben komplett verändert und gerade durch die Pandemie stark beschleunigt wird. „Wir werden als Stadtverwaltung hier auch neue Wege geben und viele Büroarbeitsplätze werden zunehmend auch als Homeoffice geführt werden können“, sagt der Bürgermeister. Aber andererseits gäbe es natürlich auch Überlegungen von Firmen, geplante Büroprojekte zurückzustellen, weil sich die Frage, ob man sie tatsächlich brauche, vor dem Hintergrund des Arbeitsplatzes zuhause stelle.

Innenstadt macht Sorge

Das etwa 140 ha große frühere Hüttengelände der Henrichshütte ist fast komplett belegt. „Zu 95 Prozent ist das Gelände vermarktet. In Hattingen haben wir sehr früh damit begonnen, auf industriellen Altflächen neue Industrie anzusiedeln. Das ist uns gut gelungen, wie dieses Beispiel zeigt“, so Martin Serres. Allerdings: Schon 2019, vor der Corona-Pandemie, sah der Wirtschaftsförderer die Entwicklung der Innenstadt mit Sorge. „Wir haben hier zwar insgesamt einen vitalen Standort, aber die dauerhaften Leerstände haben sich durch die Entwicklung des Jahres 2020 verstärkt. Das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich stark in Richtung Onlinehandel verändert und die Corona-Pandemie wirkt beschleunigend auf diese Situation. Wir versuchen gemeinsam mit Hattingen Marketing durch digitale Marktplätze und Gutscheinsysteme gegenzusteuern.“
Das, sagen sowohl Bürgermeister als auch Wirtschaftsförderer, sei nicht so einfach, denn: „Im Moment kann Hattingen Marketing seine Aufgabe, Menschen in die Stadt zu holen und dafür zu werben, nicht erfüllen – denn es sollen und dürfen ja keine Touristen kommen und überhaupt müssen die Kontakte reduziert bleiben.“ Mit den finanziellen Mitteln von 30.000 Euro aus dem nicht stattgefundenen Hansetag und dem ebenfalls abgesagten Altstadtfest planen die Verantwortlichen zum Jahresbeginn weitere digitale Impulssetzer.
Natürlich sei man auch in Sorgen für 2021. „Wir werden zwar den Haushalt 2020 ausgleichen können und stehen dank des Kanalgeschäftes nicht so schlecht dar, aber: Der Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr dürfte bei mehreren Millionen liegen. Diese werden zwar durch die finanziellen Hilfen in 2020 ausgeglichen, aber wir wissen nicht, was 2021 geschieht. Positiv ist, dass sich der EN-Kreis der schwierigen Situation bewusst ist und sich im Hinblick auf die Kreisumlage gesprächsbereit zeigt. Was aber sicher sein dürfte: Die Folgen der Corona-Pandemie werden uns auch in finanzieller Hinsicht noch Jahre beschäftigen und auf den Schultern mehrerer Generationen liegen.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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