Zehn Jahre Hattinger Tafel: Eine offene Bilanz
Im Oktober 2003 wurde die Hattinger Tafel gegründet. Anja Werning, die heutige Vorsitzende, ist seit dieser Zeit dabei. Jürgen Sotzek kam ein halbes Jahr später als hauptamtlicher Mitarbeiter dazu. Beide sind sich einig: Die Hattinger Tafel soll es auch mittelfristig noch geben. Einfach ist das aber nicht.
Zuerst hatte die Hattinger Tafel ihr Ziel an der Bredenscheider Straße, zog dann um ins Evangelische Krankenhaus und von dort in die Nordstraße. Hier und in den Außenausgabestellen bedienen sie etwa 600 bis 800 Haushalte mit Lebensmitteln. Früher täglich, heute an drei Tagen in der Woche werden die Lebensmittel ausgegeben. Zweimal pro Woche dürfen die Menschen kommen. „Die Lebensmittelspenden fließen nicht mehr so wie früher“, so Jürgen Sotzek. In der Regel verkaufe man fast abgelaufene oder optisch nicht optimale Ware zu verbilligten Preisen im Lebensmittelgeschäft selbst. Außerdem befülle man die Regale nicht mehr in der intensiven Form wie früher. So bleibt weniger übrig für die Tafel.
Die Kunden der Hattinger Tafel sind Erwachsene. Die viel zitierte Kinder- und Rentnerarmut sieht Jürgen Sotzek mit gemischten Gefühlen. „Bei den Senioren ist es sicher richtig, dass manche von ihnen mit der Rente nicht auskommen. Doch diese Gruppe kommt nicht zu uns, obwohl sie Anspruch darauf hätte. Sie wollen nicht betteln, obwohl das ja damit gar nichts zu tun hat. Wir können diese Gruppe nur über Pflegedienste erreichen. Zu vielen Senioren kommen Pflegedienste und diese kennen die Umstände ihrer Patienten. Wir haben Kooperationen und geben den Pflegediensten Lebensmittel für ihre Kunden mit. Selbst würden sich die Senioren hier niemals hinstellen.“
Und die Kinderarmut? „Welche Kinderarmut?“ fragt Jürgen Sotzek zurück. „Die Kindertafel in der Emsche musste schließen, weil das Angebot nicht ausreichend angenommen wurde. Die meisten Einrichtungen im vorschulischen und schulischen Bereich sind heute Ganztagseinrichtungen und kümmern sich auch um Ernährung. Wir unterstützen noch zwei Kindertageseinrichtungen mit einem gesunden Frühstück einmal im Monat und erklären, was gesund ist und was nicht. Mit Kinderarmut hat das nichts zu tun. Wenn Kinder zuhause nicht frühstücken, hat das in der Regel erzieherische Gründe. Oder sie möchten einfach lieber in der Gruppe in ihrer Einrichtung essen. Armut wird heute völlig anders definiert, bei Kindern hier in Hattingen ganz bestimmt nicht über das Essen.“
An der Armutskonferenz am Freitag nimmt die Hattinger Tafel übrigens nicht teil. „Letztes Mal waren wir dabei und diesmal haben wir natürlich auch eine Einladung bekommen. Aber wir gehen nicht hin. Wir glauben, dass es viel zu viele Institutionen und Vereine gibt, die sich gegenseitig auf die Füße treten. Sie richten sich alle an die gleiche Zielgruppe, aber jeder macht sein eigenes Ding, anstatt die Ressourcen zu bündeln.“
Die Hattinger Tafel sieht sich in vielen Dingen als Voreiter. Ihre Ideen seien aufgegriffen worden und immer mehr Vereine schlügen nun in die gleiche Kerbe.
Jürgen Sotzek kennt auch die Kritik um seine hauptamtliche Mitarbeit. „Glauben Sie wirklich, dass in anderen Tafeln oder in unserem Dachverband nur ehrenamtlich gearbeitet wird? Es wird aber nicht offen kommuniziert. Wir sind ein Betrieb mit Buchhaltungspflicht und das kann man nicht alles ehrenamtlich machen.“
Geringerer Lebensmittelfluss und die Schwierigkeit, an das Kundenklientel heran zu kommen, sind nur zwei von weiteren Problemen. Drittens ist es der sehr unterschiedliche Spendenfluss. „Tafeln sind ein Tagesgeschäft. Nicht nur wir wollen ja Spenden haben und viele Einrichtungen unterstützen heute projektbezogen oder eben nur für eine bestimmte Zeit. Dann wird gewechselt und eine andere Einrichtung kommt in den Genuss der Spende“, so Sotzek.
Natürlich, man habe auch immer noch regemäßige Spender. Und auch immer wiederkehrende Aktionen. Beispielsweise der Reinerlös aus dem Besteckverkauf des Kulinarischen Altstadtmarktes. „Aber die Hattinger Tafel erhält pro Besteck Cent-beträge. Bei 10.000 Bestecke, die wir verpacken und säubern sind das ungefähr etwa 1500 Euro, die wir bekommen. Klar ist das wichtiges Geld. Aber zum Aufrechterhalten eines Betriebes wie die Tafel brauchen wir mehr Spenden und das regelmäßig. Und damit meine ich Geld und Lebensmittel.“
Mit Marc Nienhaus von Kaufland hat es übrigens schon Kontakt gegegen und Kaufland stellt sich auch in den Dienst der Tafel.
Worauf Jürgen Sotzek übrigens gar nicht gut kann: „Ich brauche keine offiziellen Stellungnahmen, wie gut und wichtig unsere Arbeit ist. Ich brauche Geld und Lebensmittel, um diese Arbeit auch nach zehn Jahren noch fortsetzen zu können.“
Wer unterstützen möchte: Hattinger Tafel, Sparkasse Hattingen, BLZ 43051040, Kontonummer 75127.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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