Wasser (8): Viel mehr als nur Angeln
Mit der Gründung des Hüttenwerkes Henrichshütte nahm der Wandel Hattingens zu einem schwerindustriellen Zentrum 1854 seinen Anfang. Die rasante Entwicklung des Unternehmens in der Mitte des 20. Jahrhunderts machte sogar eine Verlegung des Ruhrlaufs notwendig. 1959 waren die Arbeiten abgeschlossen. Zu dieser Zeit beschäftigte die Firma ca. 8000 Arbeitnehmer, die zum überwiegenden Teil im Großraum Hattingen ansässig waren. Heute hält ein Angelverein im Wortsinn den Firmennamen aufrecht – der ASV Henrichshütte, der im nächsten Jahr seinen 90. Geburtstag feiert. Heute geht es um viel mehr als nur darum, Fische zu angeln.
Die Henrichshütte war also die Urzelle für die Gründung eines Angelvereins, sein Initiator der Hüttenwerker Wilhelm Schäfer aus Welper. Heute hat der Verein über 400 Mitglieder und viele von ihnen fühlen sich dem Umweltschutz mehr als verpflichtet. Seit Mitte der neunziger Jahre befindet sich das Vereinsgelände in Sichtweite zum Hochofen am Ruhrdeich, gemeinsam mit anderen Vereinen, beispielsweise der DLRG.
Eines machen Jens Sowada und Walter Banhold vom vereinsführenden Vorstand sofort klar: Sie sind nicht nur Angler, sondern auch Naturschützer und Landschaftspfleger. Ein Foto, wie sie einen gefangenen Fisch in die Kamera halten, ist für sie undenkbar. „Wir wollen den geangelten Fisch zu einem gesunden Lebensmittel verarbeiten. Aber wir sind auch ein Verein, der seit vielen Jahren an der Aktion Saubere Ruhr teilnimmt, der sich der Natur verpflichtet fühlt und für den Fischbestand in der Ruhr durch das Aussetzen von Fischen auch etwas tut.“
Weg vom negativen Image des Jägers
Weg wollen sie vom eher negativen Image des Jägers nach dem Fisch, der triumphierend seine Beute präsentiert. „Wir setzen jedes Jahr alleine 5000 bis 8000 Forellen in der Ruhr aus. Der Fischbestand in der Ruhr soll ja erhalten werden. Kormorane und der Wels, ein Raubfisch, der eigentlich in der Ruhr nichts zu suchen hat, reduzieren die Fischbestände drastisch. Dazu kommen die vielen Freizeitangebote auf der Ruhr, die zumindest teilweise die Laichbestände der Fische verringern. Wir setzen Fische ein, weil sie sich auf natürlichem Weg nicht mehr so vermehren würden, wie sie es müssten. Wir kümmern uns um die Henrichsteiche. Und wir prüfen genauso wie der Ruhrverband ständig die Wasserqualität und wären wohl eine der ersten, die Probleme mitbekommen würden. So haben wir einmal Phosphat im Wasser festgestellt, weil Rohre undicht gewesen sind. Wir kontrollieren auch den alten Ruhrarm. Es bringt ja nichts, nur Verbotsschilder aufzustellen, man muss ja auch deren Einhaltung überwachen. Unsere Experten sind vom LANUV ausgebildet, dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW.“
In der Ruhr angeln kann man Forellen, Aal und Barben. Die Ruhr ändert sich aber zur Zeit. „Vom Industriegewässer angefangen ist der Fluss immer sauberer geworden. Wir haben fast Trinkwasserqualität. Das führt dazu, dass wir heute mit Dingen kämpfen, die eigentlich nur bei sauberem Wasser vorkommen. Dazu zählt die Elodea, die Wasserpest. Sie wurde aus Amerika eingeschleppt. Sie macht vor allem Freizeitsportlern sehr zu schaffen. Es gibt Fische, die die Wasserpflanzen fressen und damit den See frei machen sollen. Und ein Mähboot gibt es auch, das ist vom Ruhrverband im Einsatz. Wir befürworten eine vernünftige Renaturierung. Unser Herz hängt auch nicht an den Buhnen, sie machen für uns heute keinen Sinn mehr. Wir haben uns renaturierte Bereiche der Sieg und der Lippe angesehen und wollen den Renaturierungs-Prozess der Ruhr weiterhin konstruktiv begleiten“, so Walter Banhold.
In Hattingen wird über die Umgestaltung des sechs Kilometer langen Ruhrbogens diskutiert. Eine Bürgerinitiative und der Regionalverband Westfalen-Lippe wollen ihn als Symbol für die frühere Schiffbarmachung der Ruhr unter Denkmalschutz stellen. Mindestens einen Teil der dortigen Buhnen will man erhalten.
Die Krux: Obwohl sich die Qualität des Wassers super entwickelt hat, wird die Ruhr im Rahmen der Wasserleitlinie weniger positiv bewertet. „Dazu gehört nicht nur sauberes Wasser. Hier geht es auch um die Ablagerung von Sedimenten, um Flora und Fauna. Das muss alles stimmig sein und das ist es bei der Ruhr nicht. Das natürliche Gleichgewicht des Flusses ist gestört.“
Die Kenntnisse über Flora und Fauna und den Naturschutz, die will der ASV auch seiner 24köpfigen Jugendgruppe beibringen. „Unsere Kinder und Jugendlichen lernen hier nicht nur das Angeln. Sie lernen nicht nur, einen Fisch zu töten und ihn fachgerecht zuzubereiten. Sie lernen auch viel über Fischbestände, über Natur und Umwelt. Das sieht aber kaum einer. Wir werden in der Öffentlichkeit allzu oft nur wahrgenommen, als diejenigen, die dem Fisch Futter vorgaukeln, ihn aus dem Wasser ziehen, ihn fangen und töten. Die Jäger als Beispiel bleiben unter sich, üben die Jagd ja nicht in der Öffentlichkeit aus. Wir sitzen an einem Fluss, es kommen Spaziergänger, und man reduziert unsere Vereinsarbeit auf das Töten von Fischen“, ärgert sich Banhold.
Der ASV baute 2012 auch mit nachgewiesenem Erfolg Nistmöglichkeiten für Eisvögel, einer gefährdeten heimischen europäischen Vogelart und ist bei vielen Umweltaktionen am Start. „Unsere Jugendlichen bekommen viel Wissen vermittelt. Wir integrieren Menschen mit Migrationshintergrund. Wir werden hier am Vereinsgelände jetzt ganz neu eine Streuobstwiese anlegen. Das machen Jung und Alt gemeinsam. Auch das ist Vereinsarbeit. Das Angeln, das ist nur ein Teil des Ganzen. Und wir würden uns wünschen, dass die Öffentlichkeit das auch mal zur Kenntnis nehmen würde.“ Infos auch unter www.asv-henrichshuette.de
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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