In Welper sitzen Menschen zusammen und nähen gemeinsam
Integration per Nähmaschine
Die Nähmaschinen rattern. Unter der Nadel liegt ein bunter Stoff mit aufgedruckten Welper-Symbolen. Unter anderem das alte Verwaltungsgebäude, in dem gerade ehrenamtlich gewerkelt wird. Es entstehen Taschen und Beutel für verschiedene Anlässe – von der stofflichen Impfausweis-Hülle bis hin zum Turnbeutel. Kissenhüllen gibt es auch. Doch wer lieber etwas anderes für sich selbst nähen möchte – kein Problem. Awo-Mitarbeiterin Rita Nachtigall ist über das Stadtumbauprojekt West Welper zuständig für das Teilprojekt „Altengerechtes Quartier“. Sie kümmert sich um die Frage, wie sich Menschen 55plus in ein Stadtteilleben integrieren können und wie man sie dafür gewinnen kann. Eine Antwort darauf ist das Nähcafé.
„Ich habe mit dem Nähcafé schon sehr positive Erfahrungen im Holschentor gemacht. Dort gibt es seit 2017 dieses Café und es richtet sich vornehmlich an Frauen mit Migrationshintergrund. Das wird sehr gut angenommen und startet jetzt auch wieder am 23. August. Jeden Montag zwischen 10 und 12 Uhr kann hier genäht werden, bis die Nadeln glühen. Die Nähmaschinen und Stoffe werden gestellt. Und Anleitung gibt es selbstverständlich auch. Wir haben beispielsweise Mund-Nasen-Schutz für die Werkstatten der Arbeiterwohlfahrt genäht oder Herzkissen für Lungenpatienten. Über das Nähen kommen die Frauen ins Gespräch und lernen dabei auch die deutsche Sprache. Deshalb habe ich gedacht, so ein Nähcafé wäre auch etwas für Welper im Rahmen des Altengerechten Quartiers“, erzählt Rita Nachtigall.
Über das Nähen kommen die Menschen zusammen. Im Idealfall entstehen sogar Freundschaften. Dass die Menschen hier mit einem besonderen Stoff, bedruckt mit Welper-Motiven, arbeiten können, ist durch das Stadtumbauprojekt entstanden. „Wir brauchen dringend für das neue Projekt noch Anleiterinnen. Bis jetzt haben das die Frauen übernommen, die ich schon beim Holschentor-projekt gewinnen konnte. Das sind aber noch zu wenig. Wer also nähen kann und Spaß daran hat, seine Fertigkeiten weiterzugeben, ist sehr willkommen. Und natürlich auch alle diejenigen, die einfach nur nähen möchten. Nähmaschinen und anderes Handwerkszeug und natürlich Stoffe – es ist alles da“, freut sich die Projektleiterin. Sie kann sich gut vorstellen, die Beutel, Taschen und Kissen gegen eine Spende in Zukunft auch auf Basaren oder Infoständen zum Stadtumbau in Welper abzugeben – wenn das alles einmal wieder stattfinden wird. Einen weiteren Nähtermin gibt es auf jeden Fall schon: Montag, 30. August, 10 bis 12 Uhr, im Bürgertreff im Gemeindeamt Welper, Im Welperfeld 23, geht es weiter. Infos und Anmeldung bei Rita Nachtigall unter 0151/62875433 oder per Mail unter aq@stadtumbau-welper.de
Die Damen jedenfalls machen sich mit Eifer an die Arbeit. Die geöffneten Fenster lassen das Welperaner Leben in das alte Gemäuer eindringen. Und wer sich einfach nur in Gesellschaft eine Hose kürzen will – auch das ist selbstverständlich erlaubt.
Welper-Stoff kommt gut an
Doch die Nähmaschine ist nicht das einzige Hilfsmittel, Menschen im Quartier zusammen zu bringen. Eine andere Möglichkeit ist das Telefon und das hat auch in Zeiten der Corona-Pandemie richtig Konjunktur. „Die Aktion heißt ,Besuch per Telefon‘“, erzählt Rita Nachtigall. „Oft und insbesondere durch die Pandemie nehmen die sozialen Kontakte mit dem Alter ab. Manchmal kommen auch körperliche Schwierigkeiten dazu, so dass die Menschen schlechter ihre Wohnung verlassen können. Bei diesem Projekt gibt es regelmäßige vertrauliche Telefonate mit festen Gesprächspartnern. Es gibt viele ältere Menschen, die ihre Geschichten erzählen möchten. Doch oft kennt der jüngere Rest der Familie diese Storys zur Genüge oder hat keine Zeit zum Zuhören. Da tut es gut, am Telefon ein Schwätzchen zu halten. Sieben Pärchen habe ich bereits vermittelt, die nun regelmäßig miteinander telefonieren. Und es können gerne noch mehr werden. Wer sich hier ehrenamtlich engagieren möchte oder Bedarf an solchen Besuchen am Telefon hat, darf sich gerne bei mir melden.“
Worüber gesprochen wird, ist höchst unterschiedlich. Über Barrieren auf Welpers Straßen, die das Laufen erschweren, über das Impfen, aber auch ganz persönliche Lebensgeschichten kommen zur Sprache. „Das Wichtigste bei diesen Projekten und Ideen ist der Austausch mit anderen Menschen. Sich nicht einfach in die eigenen vier Wände zurückziehen, sondern sich im Stadtteil integrieren. Das schafft Lebensqualität und ist gut für uns alle.“
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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