Aus dem Nichts entstand ein großes und sehr erfolgreiches Projekt
Dreißig Jahre Buschklinik Gambia
Jahaly ist ein Dorf im westafrikanischen Gambia. Das Land ist nur halb so groß wie Schleswig-Holstein mit einer Einwohnerzahl von zwei Millionen Menschen. Viele von ihnen wohnen in der Hauptstadt Banjul an der Mündung des Gambia-Flusses, der das Land in eine Nord- und eine Südhälfte teilt. Jahaly und Madina sind zwei Dörfer auf der Südbank, rund 250 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Etwa 4000 bis 6000 Menschen leben hier. Seit 1985 ist der gemeinnützige Verein „Projekthilfe Gambia“ vor Ort aktiv. Im Laufe der Zeit entstanden Gartenprojekte, ein Kindergarten mit Vorschule und eine Moringa-Plantage. Das größte Projekt – und damit fing alles an - war die Entstehung der Buschklinik in Jahaly. Sie blickt in diesem Jahr auf ihren 30. Geburtstag zurück und konnte bisher etwa einer Million Menschen helfen.
„Den ersten persönlichen Kontakt mit Gambia gab es 1985 in meiner Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger. Damals hatten die Augusta-Kliniken in Bochum eine Projektverbindung zu einer Kinderklinik in Njaba Kunda auf der Nordbank von Gambia. Im Jahresurlaub bin ich gemeinsam mit Frank Heuer, der die gleiche Ausbildung machte, nach Gambia geflogen und wir haben vor Ort gearbeitet. Das hat uns nachhaltig geprägt. Zurück in Deutschland haben wir mit sieben Personen die ,Projekthilfe Gambia‘ gegründet. Durch einen weiteren Kontakt zu einem gambischen Geschäftsmann, der in Jahaly wohnte, entstanden die Voraussetzungen für das Projekt der Buschklinik. 1987 gab es die ersten Gespräche, danach wurden Spenden gesammelt und 1991 wurde die Klinik eingeweiht“, erzählt Vereinsgründungsmitglied und Vorstandsmitglied Matthias Ketteler (59).
Die Klinik stand quasi im Nichts. „Es gab damals kein öffentliches Stromnetz. Wir hatten eine kleine Solaranlage und einen kleinen Generator. Wasser bekamen wir über einen Brunnen. Seine Pumpe wurde ebenfalls über Solar angetrieben. Es gab ein Gebäude mit einem großen Saal“, erinnert sich Ketteler. Von Anfang an kamen die Menschen aus den Dörfern und dem Umland in die Klinik. Sie waren froh über die neue medizinische Hilfe. Malaria, Atemwegserkrankungen, Durchfall, Hauterkrankungen, Schnittverletzungen oder Verbrennungen gehören bis heute zu den häufigsten Erkrankungen, die behandelt werden. In den dreißig Jahren seit Bestehen der Klinik ist viel passiert. „Wir versorgen bis heute zu 46.000 Menschen pro Jahr. Die Klinik verfügt jetzt über eine ambulante und stationäre Abteilung mit 27 Betten. Die Betten sind aus hygienischen Gründen gemauert und gefliest, weil sie so leichter gereinigt werden können. Sie hat mehrere Behandlungssäle, zwei Krankensäle, eine Entbindungsstation, eine Apotheke, ein Labor und einen Krankenwagen. 2017 wurde Jahaly an das öffentliche Stromnetz angeschlossen und im Februar 2019 bekam dann auch die Klinik endlich den Anschluss“, so Ketteler. Regelmäßig wird das Gebäude saniert und die Mitarbeiter leben mittlerweile auf dem Klinikgelände in Wohnungen mit ihrer jeweiligen Familie. „Die Leitung der Klinik hat eine examinierte gambische Krankenpflegerin und Hebamme. Mitarbeiter unseres Vereines sind mehrmals im Jahr auch für längere Zeiten vor Ort“, erklärt Matthias Ketteler, der selbst mit seiner Familie schon bis zu einem Jahr in Gambia lebte. Der Verein ermöglicht auch längere Praktika oder ein Freiwilliges Soziales Jahr.
Auch Praktika sind möglich
Auch das Land selbst hat sich in den vielen Jahren verändert. „Es gibt viel mehr Autos“, antwortet Ketteler spontan auf die Frage nach den auffälligsten Veränderungen im Land. „Gambia hat eine junge Bevölkerung mit großer Landflucht. Es gibt auch viele Menschen, die ihr Land verlassen wollen und versuchen, nach Europa zu kommen. Bis vor wenigen Jahren hatte das auch politische Gründe, aber das hat sich verändert. Gambia hat wenig Produktion, das Land stellt nichts her und viele Gelder kommen aus dem Ausland. Man versucht zu elektrifizieren, aber selbst in den Ballungsräumen sind die Leitungen oft nicht stabil.“ Das Lohnniveau ist nicht hoch. „Eine Krankenschwester verdient im Monat etwa 150 Euro. Dabei sind die Gehälter unserer Mitarbeiter höher als in vergleichbaren staatlichen Einrichtungen. Unsere Patienten bezahlen eine sehr geringe Behandlungsgebühr zwischen 25 und 50 Cent. Seit April 2019 kommen 1,65 Euro Medikamentengebühr dazu. Einer der Gründe ist die hohe Zahl der Patienten und unsere Garantie der Medikamentenversorgung. Andererseits möchten wir auch zeigen, dass Medikamente wertige Produkte sind, die in der Herstellung etwas kosten und die es nicht zum Nulltarif geben kann.“
Die Corona-Pandemie ist natürlich auch in Gambia angekommen. „Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Viele Menschen in Gambia sind jung und überstehen die Krankheit möglicherweise mit geringen oder keinen Symptomen. Wenn jemand stirbt, so weiß man oft gar nicht, woran er verstorben ist. Hinzu kommt, dass der Verstorbene in der Regel aus kulturellen Gründen innerhalb von drei Stunden beerdigt wird. Das Leben in Gambia spielt sich draußen ab. Es gibt kaum geschlossene Räume und das mag im Hinblick auf die Corona-Pandemie ein Vorteil sein. Getestet wird sehr wenig. Ich glaube, wir sind die einzige Klinik im Land, in der jeder Mensch beim Betreten einen Mundschutz erhält. Die Masken aus Baumwolle haben wir selbst produzieren lassen. Neben dem Erhalt der Projekte versuchen wir auch, das staatliche Gesundheitssystem zu unterstützen. Wir haben allein 2020 vier Hilfscontainer mit gebrauchtem und medizinischem Equipment von Deutschland aus nach Gambia geschickt. Gefüllt waren sie unter anderem mit Klinikbetten und Beatmungsgeräten, die uns gespendet wurden, beispielsweise vom Uniklinikum Essen. Allein die Transportkosten lagen bei 13.500 Euro. Unser Kindergarten-Projekt in Jahaly, gleich neben der Klinik, wurde 2004 eröffnet. Projektpate ist der TV-Moderator und Journalist Markus Lanz und die ersten drei Jahre des Kindergartens wurden über den RTL-Spendenmarathon finanziert. Im November 2020 konnte der Kindergarten nach sieben Monaten Zwangspause wieder öffnen. In der Vorschule sind nicht mehr als 30 Kinder pro Klassenraum zugelassen – mit Abstand der Tische und Stühle und der üblichen Desinfektion, die wir auch hier in Deutschland kennen.“
Damals, so Ketteler, hätte er sich nicht träumen lassen, wie groß das Projekt einmal werden würde. Der Verein hat heute 50 Mitglieder und über 300 Förderer und Paten. „Wir freuen uns über jeden, der dabei sein möchte oder der unsere Projekte im Rahmen eines Praktikums oder eines Freiwilligen Sozialen Jahres kennenlernen will.“ Infos unter www.buschklinik.de
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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