Zu Besuch bei... Otto König
Der Mann mit dem roten Schal, der übrigens auch schon Eingang in eine Ausstellung im Westfälischen Industriemuseum gefunden hatte – Otto König, dreißig Jahre Erster Bevollmächtigter der IG Metall Hattingen-Gevelsberg. Otto König, der mit vielen Hattingern den Hüttenkampf durchgestanden hat. Der STADTSPIEGEL hat ihn jetzt zuhause besucht.
In diesem Jahr werden es fünf Jahre. So lange ist die aktive Metallerzeit von Otto König bereits beendet. Doch Abschied genommen hat er eigentlich nicht. Zuhause bastelt er von seinem Schreibtisch aus an der Homepage der Gewerkschaft. „Das hat mich immer schon geärgert und ich habe gesagt, darum will ich mich kümmern, wenn ich nicht mehr Erster Bevollmächtigter bin. Das mache ich auch jetzt und so bin ich noch Gast vieler Veranstaltungen“, erzählt er.
Von den dreißig Jahren als Erster Bevollmächtigter hat er zwanzig Jahre auf der Großen Weilstraße gesessen, weitere zehn Jahre in Gevelsberg. Der gelernte Fernmeldetechnikmonteur hat in der aktiven Gewerkschaftszeit den Strukturwandel von Kohle und Stahl voll mitbekommen. „Rückblickend kann ich sagen, als Gewerkschafter war das eine ganz besondere und sehr aktive Zeit – im Vergleich beispielsweise zu heute.“
Damals waren fast alle Arbeiter in den Betrieben Mitglied der Gewerkschaft. Die IG Metall hatte etwas zu sagen. „Wir haben in Deutschland eine Mitbestimmungskultur. Ganz anders beispielsweise als in Amerika. Dort haben die Führungsgremien oft gar nicht verstanden, dass sie mit den Gewerkschaften hier verhandeln mussten. Das wurde immer dann schwierig, wenn wir Verträge oder anderes mit einer Firma aushandeln mussten, deren Geschäftsführer eben Amerikaner waren. In der großen Zeit des Strakturwandels im Stahl- und Bergbaubereich haben wir viele Geschäftsführer gehabt, die noch hier in der Gegend lebten und die Bedeutung der Gewerkschaften kannten. Aber bei Avery Deninson beispielsweise war das schon anders.“ Das ist für Otto König auch heute der Knackpunkt: „Wenn Sie mit Menschen verhandeln, die am anderen Ende der Welt leben, dann interessiert viele die menschliche Situation vor Ort nicht besonders. Hinzu kommt, dass eine Gewerkschaft nur dann Stärke zeigen kann, wenn viele Arbeiter in den Unternehmen auch in ihr organisiert sind.“
"Der Skandal ist, dass wir überhaupt einen Mindestlohn brauchen"
Die Bedeutung der Gewerkschaften sieht König nach wie vor gegeben, auch wenn der Organisationsgrad heute nicht mehr so hoch sein mag. „In einem kleinen Betrieb können Sie manches im direkten Gespräch regeln. In einem größeren Unternehmen wird es immer Interessenskonflikte geben und diese sind nur mit Hilfe eines Betriebsrates und einer Gewerkschaft lösbar. Dabei haben wir durch Privatisierungen oft und in Zukunft noch stärker die Situation, dass es miteinander konkurrierende Gewerkschaften gibt. Das wird sich aber nicht ändern lassen.“
Der Organisationsgrad in der Gewerkschaft ist auch ein wichtiger Unterschied zu Frankreich. „Dort sind Streiks, vor allem Generalstreiks, oft politisch motiviert. Der Organisationsgrad in der Gewerkschaft ist niedriger als bei uns. Hier werden die Mitglieder befragt, was sie vom Streik halten und ob sie diesen wollen. Je stärker die Gewerkschaft ist, je mehr in ihr organisiert sind, desto größer ist der Streik als Druckmittel zu sehen.“
Ganz wichtig ist für König die Mitnahme der Arbeiter. „Nehmen wir beispielsweise die Hütte und Opel. Beide Schließungen konnten seitens der Gewerkschaft nicht verhindert werden. Aber bei der Hütte haben wir in allen Verhandlungen die Menschen mitgenommen. Sie waren in jeden Schritt eingebunden und haben deshalb voll hinter der VSG und dem Sozialplan gestanden. Bei Opel ist das nicht geschehen und deshalb gibt es viele Kritik an den Ergebnissen.“
Noch etwas kennzeichnet für König die heutige Zeit. „In Betrieben mit vielen Leiharbeitern gibt es eine Angstkultur. Jeder will die Chance wahren, in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Da überlegt man sich schon, ob man tatsächlich streiken soll.“
Seinen Alltag hat Otto König gut organisiert. „Vor allem war es mir wichtig, nicht wieder in ein so enges Terminkorsett zu geraten. Jetzt habe ich vormittags Zeit, Sport zu treiben. Ich jogge und schwimme und besuche auch eine Muckibude. Nachmittags kann ich dann am Schreibtisch arbeiten und finde auch Zeit für ein Buch. Der Kreuzfahrer-Typ bin ich sowieso nicht und Länder sammeln im Alter brauche ich auch nicht. Nur China und Vietnam habe ich mir damals angesehen. Das interessierte mich schon aufgrund der beruflichen Gespräche, die ich damals so oft geführt habe.“
Der Gewerkschafter war lange Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Erst durch Hartz IV ist er aus „seiner“ SPD ausgetreten. „Ich lese gern Biographien, aber nur von Schriftstellern, nicht von Politikern.“ Man will sich im Alter nicht mehr ärgern...
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.