Wlado Bulant: 70 Jahre Balletttänzer mit Leib und Seele
„Ich habe den schönsten Beruf der Welt!“ Wlado Bulant sollte es wissen: In diesen Tagen feierte der Wahl-Hattinger sein 70jähriges Ballettjubiläum.
Heute ist er 74 Jahre jung, wobei jung durchaus wörtlich zu nehmen ist. Neidisch kann er einen machen, so viel Energie und Lebensfreude strahlt er aus.
„Ich bin unverwüstlich“, sagt er auch lachend über sich selbst, „nicht kaputt zu bekommen und sozusagen der eiserne Opa.“ Wlado Bulant raucht nicht, trinkt nicht, tut dafür sehr viel für sich und seinen Körper, geht regelmäßig in die Sauna, läuft täglich eine Stunde, meditiert für den Geist. Außerdem hat er noch einen riesigen Garten, den er selbst hegt und pflegt. Die Skulpturen darin sind auch von ihm. Daneben malt er, plant eine Ausstellung in nächster Zeit, singt in der Hattinger Sängervereinigung und bei „Mund-Werk EN“.
Und er bereitet gewissenhaft sein Ballett-Training vor. Jeden Mittwoch nämlich unterrichtet er in den Räumlichkeiten von Jasmins Tanzstudio „Let‘s dance“ Damen im Ballett. „Ich freue mich immer auf den Tag und die Frauen ebenfalls. Nach zwei Stunden Ballett fühle ich mich auch heute noch frisch. Kunst ist mein Leben. In technischen Dingen bin ich dafür ein totaler Idiot.“
Macht nichts, denn da gibt es ja das Tanzen – und noch viel mehr, wie ein Blick ins bewegte Leben von Wlado Bulant zeigt.
Sein Vater war Opernintendant und viel unterwegs, seine Mama Opernsängerin, aber keine gute Mutter. Dennoch brachte sie den vierjährigen Wlado in ihrer aller Heimatstadt Prag in die Ballettschule – der Disziplin und Beweglichkeit wegen. Eishockey spielte er ebenfalls. In der Schule liebte Wlado Bulant Literatur und Geschichte, hasste alle naturwissenschaftlichen Fächer, wechselte als 15jähriger in ein Internat in Reichenberg.
Wlado Bulant: „Über das Internat hinaus habe ich mich damals schon selbst verpflegt. Am dortigen Theater, an dem auch Hans Moser sein erstes Engagement hatte, machte ich praktisch alles. Ich habe Kulissen geschoben, kleine Rollen gespielt, gesungen, getanzt. Ich kam nie auf mehr als sieben Stunden Schlaf. Ansonsten war ich jeden Tag im Dauereinsatz für Schule und Theater.“
Nach dem Abitur war Wlado Bulant Compagnie-Tänzer und studierte Tanz bei einem russischen Professor. Eine harte Ausbildung erinnert er sich: „Er sagte immer, Theater ist hart und das will ich Dir hier vermitteln. Dafür habe ich ihn gehasst und geliebt.“
Durch den Tanz-Unfall einer Kollegin sah der junge Student, „wie kurz ein Tänzerleben ist. Daher nahm ich auch noch Gesangsunterricht, arbeitete nach dem Tod meines Vaters wieder in Prag, diesmal als Chorsänger. Dabei bin ich an ein avantgardistisches Musical-Theater gekommen, wo wir hauptsächlich westliche Stücke spielten. Nachdem die Kommunisten das Theater geschlossen hatten, spielte ich ein paar kleinere Rollen im Film.“
Da wegen der Schließung auch anderer Theater aus der Provinz immer mehr Schauspieler und Tänzer nach Prag strömten, wechselte Wlado Bulant für vier Jahre nach Teplitz-Schönau. Hier verliebte er sich in die Chefin des dortigen Balletts, Helga Roll.
Da die Situation für Künstler in der damaligen Tschechoslowakei immer schwieriger wurde, beschloss das junge Paar, nach der Hochzeit nach Deutschland zu gehen und eine Ballettschule aufzumachen. Helga Rolls Mutter war Deutsche.
Erste Anlaufstelle: Frankfurt am Main. Hier stellte sich heraus, dass eine Ballettschule rund 80.000 Mark kostet. Das versuchte das Ehepaar Roll-Bulant durch Engagements zusammen zu bekommen. So landeten sie als einzige klassische Tänzer in einer Revue mit Dean Martin, Frank Sinatra und Shirley MacLaine. „Das war eine Show für amerikanische Soldaten des Vietnamkrieges. Als der zu Ende war, da hatten meine Frau und ich erst die Hälfte des benötigten Geldes zusammen. Also mussten wir durchs Land tingeln, traten in Cabarets und Bars auf. Und so kamen wir schließlich auch nach Hattingen und in die Copacabana. Damals gab es jedoch noch keinen Striptease dort.“
Hattingen gefiel ihnen gleich sehr gut. Die Anbindung durch Autobahnen an den Rest der Republik war hervorragend. Hier waren sie als Ballettschule konkurrenzlos und die Hattinger nahmen sie gut auf.
Die erste Ballettschule Roll-Bulant entstand an der Moltkestraße links neben der Post. Nach zehn Jahren erfolgte der Umzug an die Heggerstraße/Ecke Augustastraße. Hier gehörte zu den Elevinnen auch eine gewisse Jasmin Michel. 20 Jahre hatte die Ballettschule Bestand, bis Helga Roll verstarb. Damals gab Wlado Bulant die Ballettschule auf, die nur noch seine Frau geführt hatte.
Er selbst war durch die Bekanntschaft mit Hannelore Saamann erst beim Turnerbund, später beim Deutschen Sportbund engagiert: „Ballett ist die Grundlage vieler Sportarten wie Rhythmische Sportgymnastik, Bodenturnen und Eiskunstlaufen beispielsweise und ist wichtig für Körperspannung und Eleganz. Neben Schulungen für Trainer und Kampfrichter vieler Nationen war ich in ganz Deutschland unterwegs – gerade vor Welt- und Europameisterschaften. Zuletzt habe ich die Nationalmannschaft im Synchronschwimmen trainiert.“
Ballett sei gut für Körper und Seele, ist Wlado Bulant überzeugt – und hat es selbst erleben müssen: „Nach dem Tod meiner Frau war ich ohne Verwandte, ganz allein auf der Welt. Jetzt ist Jasmins Tanzschule meine Familie, meine Kunst und meine Chormusik auch. Ich war jetzt für vier Tage in Prag. Das war vielleicht etwas! Dort strahlt mittlerweile alles wie eine Sahnetorte in allen Farben. Aber heute ist Deutschland und vor allem Hattingen meine Heimat. Für mich sind die Fachwerkhäuser wie Kulissen. Hier lebe ich unter Freunden und glücklich. Glück besteht für mich aus Demut, Dankbarkeit und Respekt. Und Ballett, aufgebaut auf Körperkontrolle durch Spannung und Eleganz. Es gibt für mich nichts Schöneres, wenn man am Ende einer Vorstellung für verschwitzte Eleganz auch noch Applaus bekommt. Das ist für mich das, was Ballett ausmacht. Ich habe den schönsten Beruf der Welt.“
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.