Wirtschaftskrimi oder heiße Luft?
Ist das nun ein Wirtschaftskrimi, bei dem eine Firma versucht, einer anderen Firma und insbesondere dem früheren Inhaber einer in Insolvenz gegangenen Firma zu schaden? Will man hier jemanden fertig machen? Oder hat der Mann auf der Angeklagebank tatsächlich Maschinen von der Altfirma gestohlen, die später im neuen Betrieb wieder auftauchten?
Ganz einfach ist der Fall nicht, der vor dem Hattinger Amtsgericht verhandelt wird. Die Akte ist dick und die Verteidigung des Angeklagten – zwei Rechtsanwälte mit profunden Kenntnissen zum Insolvenzrecht – scheuen sich nicht, die dicke Akte als „PPP-Akte“ zu bezeichen: will sagen – Pleiten, Pech und Pannen.
Schon der Tatort in der Anklage ist falsch und die Listen, die mit Beständen des Unternehmens bestückt sind oder die angeblich gestohlenen Teile aufweisen, sind in unterschiedlicher Form mit verschiedenen Inhalten vorhanden.
Aber der Reihe nach: fest steht, dass im Sommer letzten Jahres eine metallverarbeitende Firma in Hattingen in die Insolvenz ging. Es wurde eine Auffanggesellschaft gegründet. Siebzig Prozent der Firma wurden später von einem anderen Unternehmen aufgekauft und es entstand ein neuer Betrieb.
Mitarbeiter dieses Betriebes vermissten im Laufe der nächsten Wochen Werkzeuge und Maschinen aus der laufenden Produktion. Diese sollen dann einige Monate später in einem neuen Unternehmen in der Metallverarbeitung aufgetaucht sein. Dort arbeitet der ehemalige Chef der in Insolvenz gegangenen Firma als angestellter Techniker. Der Betrieb selbst wird von seinem Neffen geführt.
Hat dieser Mann, der nun wegen Diebstahl auf der Anklagebank sitzt, Eigentum der Altfirma gestohlen oder nicht?
Der Angeklagte selbst äußert sich zu den Vorwürfen nicht, lässt seine Anwälte reden, die gleich einen ganzen Packen Ungereimtheiten in der Anklage anführen. So legen sie von einigen Produkten, die als gestohlen gelten, Rechnungen der neuen Firma vor, wonach diese rechtmäßig erworben sein sollen.
Dann gibt es eine aus früheren Zeiten datierte Schenkung eines Objektes. Auch soll ein Kran lange vor der Insolvenz bereits abgebaut worden sein. Wohin er gekommen ist, weiß man nicht. Aber er tauchte in der neuen Firma wieder auf. Zufall? Diebstahl? Verkauf?
Auch die Zeugen können nur wenig Licht ins Dunkel bringen. Der Insolvenzverwalter hatte ein Unternehmen mit dem Erstellen einer Ist-Liste beauftragt. Doch diese Liste kann nur Dinge enthalten, die eben da sind. Niemand weiß, ob früher noch andere Sachen an Ort und Stelle eingelagert waren, die nun fehlen.
Die Anzeige gegen den Angeklagten kam aufgrund von Aussagen zustande, dass bestimmte Objekte fehlten.
Man vermutete offenkundig, dass sich diese Objekte in dem neuen Unternehmen finden könnten.
Eine Durchsuchung seitens der Polizei stellte in der Tat einige Objekte sicher. Doch sind es wirklich die identischen Objekte? Kann ein Individualisierungsnachweis, beispielsweise anhand von Lieferscheinen und Seriennummern oder speziellen Gravuren gelingen?
Und wenn ja, lässt sich beweisen, dass es der Angeklagte war, der hier tätig wurde oder der zum Diebstahl anstiftete?
Viele Fragen. Und sie bleiben in der Hauptverhandlung offen. Jetzt soll die Hattinger Polizei bei den beschlagnahmten Objekten Untersuchungen durchführen, ob solche Individualisierungsmerkmale zu finden sind.
Die Rechtsanwälte der Verteidigung wollen bei dem Prozedere dabei sein.
In drei Wochen, am Mittwoch, 12. Oktober, 9 Uhr, wird die Verhandlung fortgesetzt.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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