Wachkoma: "Man entwickelt so eine Art Kommunikation"
2002 war es und Dietmar Breemann, heute sechzig Jahre alt, erinnert sich noch genau. Damals fiel seine Frau in eine Art Wachkoma. Die gemeinsame Tochter war dabei und damals zweieinhalb Jahre alt. Dietmar Breemann fand Halt in der Selbsthilfegruppe und im Verein CERES Hilfe für Cerebralgeschädigte, die sich regelmäßig treffen – Anfang September auch in Hattingen.
Hier sind sie nach 2013 bereits zum zweiten Mal. Im Bildungswerk des DGB stimmen einfach die Räumlichkeiten, die Angehörige und Patienten brauchen. Rund sechzig bis achzig Personen kommen zusammen. Sie tauschen Erfahrungen aus, hören Fachvorträge und erleben natürlich auch Freizeitmomente, wie einen Zoooausflug.
Dietmar Breemann ist nicht zum ersten Mal dabei. Er hilft mit bei der Organisation der Wuppertaler Selbsthilfegruppe „Wachkoma“. Die Gruppe hat ihm Halt gegeben in der schweren Zeit, als er sich um seine Frau kümmerte, die 2014 verstarb. Zwölf Jahre hatte sie in einer Art Wachkoma gelegen.
Ihr Mann erinnert sich genau, wie alles anfing. „Sie war 2002 auf dem Balkon, hängte Wäsche auf. Danach wollten wir mit unserer kleinen Tochter nach draußen. Ich war in der Wohnung und hörte plötzlich ein Poltern. Ich dachte, etwas wäre herunter gefallen, und dann schrie meine Tochter. Ich bin auf den Balkon gelaufen und sah meine Frau dort liegen. Sie hatte einen Herzstillstand und musste reanimiert werden. Doch weil ihr Gehirn mehrere Minuten ohne Sauerstoff war, erlitt sie die Hirnschädigung. Sie kam ins Krankenhaus und in die Reha und dann sagte man mir, ich müsse mich um einen Pflegeplatz bemühen. Das würde nichts mehr. Da war sie 43 Jahre alt.“
Ein Jahr, sagt Dietmar Breemann, habe er gebraucht, um das alles zu realisieren. „Erst ist die Hoffnung da, es wird schon wieder. Vielleicht nicht alles, aber doch das meiste. Wenn man begreift, dass es nicht so kommen wird, dann zieht man sogar die gelungene Reanimation in Zweifel. Aber das habe ich später nicht mehr gemacht, denn man entwickelt schon im Verlaufe der Zeit eine Art Kommunikation. Meine Frau hat ja etwas mitbekommen, konnte sich mit Tönen äußern. Und man hat schon nach einiger Zeit gewusst, ob sie sich wohlfühlt oder nicht.
"Meine Tochter kannte meine Frau nur krank"
Viel Kraft hat mir in dieser Zeit unsere Tochter gegeben. Sie kannte ihre Mutter nie anders als so krank, weil sie klein war, als es passierte. Und viel geholfen hat mir auch meine Mutter.“
Zu den regelmäßigen „Wiedererwachten-Treffen“ hat Dietmar Breemann seine Frau nie mitgenommen. „Sie ist ja nicht richtig wiederaufgewacht. Und sie mochte auch keine Ansammlungen von Menschen, dann wurde sie immer so unruhig.“
2014 verstarb seine Frau. „Ich habe mir das gedacht, sie war zwischendurch auch krank, hatte Fieber. Irgendwie verdrängt man das natürlich, aber es kam nicht so ganz überraschend.“
Trotzdem hat Dietmar Breemann die Selbsthilfegruppe und die Treffen nicht aufgegeben. „Ich kann meine Erfahrung und mein Wissen weitergeben und für mich selbst sind die Gespräche auch gut.“
Heute, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau, geht es so langsam etwas bergauf.
Hintergrund
CERES – Verein zur Hilfe für Cerebralgeschädigte e.V. (Koma, Wachkoma und was dann?) Bahnhofstr. 8, 72116 Mössingen
Weitere CERES-Vereine gibt es auch in anderen Städten. Zahlreiche Selbsthilfegruppen haben sich ebenfalls dem Verein angeschlossen.
Vom 4. bis 6. September findet in Hattingen in der DGB-Bildungsstätte „Am Homberg“ ein Wiedererwachten-Treffen für Patienten und Angehörige statt.
Die Fachvorträge können auch von Interessierten gehört werden.
Kontakt für Hattinger: Selbsthilfegruppe Wachkoma Wuppertal. Der Hattinger Dietmar Breemann ist Ansprechpartner unter der Rufnummer 02324/43204.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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