Vierzig Jahre Integration in Hattingen

(von Cay Kamphorst)„Mami, ich bin türkisch“, sagt der vierjährige Sandro voller Überzeugung. „Nein“, antwortet seine Mutter völlig überrascht, „du bist ein Deutscher.“

„Aber was darf ich denn nicht essen?“, fragt er weiter. Vermutlich hat er im Kindergarten mitbekommen, dass manche Kinder nicht alles essen dürfen. „Du darfst alles essen. Türkische Menschen, so wie manche andere Nationalitäten auch, haben den muslimischen Glauben. Da gibt es das Gebot, kein Schweinefleisch zu essen.“
Natürlich hat er das nicht verstanden. Das verstehen selbst viele Erwachsene nicht. Aber der Kern der Sache ist doch, dass Kindern eine Nationalität völlig egal ist. Sie spielen miteinander und lernen dadurch andere Kulturen und Gepflogenheiten kennen. Warum tun wir Erwachsenen uns schwer damit?
1971 lebten in Hattingen rund 3.700 Ausländer, die in der Regel erwerbstätig und nur in Ausnahmefällen von Familienangehörigen begleitet waren. Der damalige Stadtdirektor Augstein und sein Beigeordneter Weinheimer haben damals in weiser Vorausschau die Anregung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen aufgegriffen und zum 1. August 1971 eine „Koordinierungsstelle für ausländische Arbeitnehmer“ im Schulverwaltungs- und Kulturamt der Stadt Hattingen eingerichtet. Mit der Leitung wurde damals Klaus Sager beauftragt, der in den Folgejahren vorbildliche Arbeit geleistet hat.
Am 5. Oktober 1991, also rund 20 Jahre später, haben sich die Koordinierungsstelle und der IG-Metall Ausländerausschuss im Rahmen einer kommunalen Ausländerkonferenz mit den Ergebnissen der 20-jährigen Arbeit und den Forderungen an eine zukünftige, innovative „Ausländer“-Arbeit in Hattingen befasst und ein umfassendes Arbeitspapier erstellt.
Nun mehr weitere 20 Jahre später treffen sich heute 20 Schlüsselpersonen aus dem Bereich der lokalen Migrationsarbeit und Vertreter des Integrationsrats zu einem Tagesseminar.
Hierin soll geklärt werden, ob die zwischenzeitlich nachhaltig veränderten lokalen Strukturen in der Migrationsarbeit den aktuellen Anforderungen gerecht werden. In Kooperation mit dem DGB Bildungswerk BUND wird das Seminar im Tagungszentrum „Am Homberg“ stattfinden.
Die Teilnehmer werden sich mit der Entwicklung der 40-jährigen Integrations- und Ausländerarbeit beschäftigen. Strukturelle Entwicklungslinien, Finanzierungsmöglichkeiten, Leitziele und Zukunftsperspektiven sollen erörtert werden.
uDoch fühlen sich Hattinger mit Migrationshintergrund wohl in ihrer Stadt? Ist Hattingen überhaupt „ihre“ Stadt? Fühlen sie sich hier gut aufgenommen? Und wie sehen das die deutschstämmigen Hattinger? Wie war das eigentlich damals, als die ersten „Gastarbeiter“ nach Hattingen kamen? Wie haben sie sich gefühlt fern der Heimat und ohne Familie? Diesen und anderen Fragen wird sich der STADTSPIEGEL in den kommenden Ausgaben im Rahmen einer Serie widmen.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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