Unterbringung von Flüchtlingen in Sprockhövel - Stadtrat vertagt die Entscheidung
Die Zukunft der Traglufthalle und die zukünftige Unterbringung von Flüchtlingen war jetzt bestimmendes Thema bei den Politikern in verschiedenen Ausschüssen in Sprockhövel. Der Rat der Stadt Sprockhövel vertagte am 28. September die Beschlussfassung.
Die Stadtverwaltung hatte den Politikern vorab eine Übersicht der aktuellen Belegungszahlen der städtischen Unterkünfte sowie eine umfangreiche Kostenübersicht vorgelegt. Danach verfügt die Stadt Sprockhövel aktuell über ca. 200 freie Aufnahmeplätze für Flüchtlinge.
35 neue Flüchtlinge für Sprockhövel
Die Politiker wurden auch darüber informiert, dass die Bezirksregierung 35 neue Flüchtlinge Sprockhövel zugewiesen hat. Diese werden in 3 Gruppen ab der zweiten Oktoberwoche in Sprockhövel eintreffen. Ob es sich um Einzelpersonen oder Familien handelt, von welcher Nationalität und wie hoch die Bleibewahrscheinlichkeit ist, wurde der Verwaltung noch nicht mitgeteilt.
Die Politiker verschiedener Ausschüsse diskutierten mit den Verantwortlichen der Stadtverwaltung unter Berücksichtigung der Kosten, der derzeitig freien Unterbringungskapazitäten und der bevorstehenden Flüchtlings-Neuzuweisungen über die Fragen:
- Soll die Traglufthalle leergezogen, abgebaut, veräußert werden oder leer stehenbleiben,
- sollen bei den Flüchtlings-Neubauten am Waldweg und am Gedulder Weg Gebäudeteile in Sozialwohnungen umgewidmet werden,
- sollen zusätzliche Wohncontainer für den Standort Merklinghausen angeschafft und
- soll die Schützenhalle für die Umnutzung als Flüchtlingsunterkunft für 16 Personen hergerichtet werden.
Umwidmung der Traglufthalle als sportliche Freizeitstätte
Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Denkmalschutz und Wirtschaftsförderung hatte bereits in seiner Sitzung am 11.9.2017 einer Bauvoranfrage der Verwaltung zur Umnutzung der Traglufthalle als sportliche Freizeitstätte, vorbehaltlich der Zustimmung der Fachbehörden, zugestimmt.
Auch die Mitglieder des Ausschusses für Soziales, Integration und Demografie diskutierten in der Ausschusssitzung am 20.9.2017 über die Zukunft der Traglufthalle und über die zukünftige Unterbringung der Flüchtlinge.
Ende 2015 war man in den politischen Gremien davon ausgegangen, bis Ende 2016 bis zu 900 Flüchtlinge unterbringen zu müssen. Diese Zahl wurde jedoch nicht erreicht.
Traglufthalle soll leergezogen werden
Die Unterhaltungskosten der Traglufthalle betragen unter Berücksichtigung der Erstattungszahlungen gemäß FlüAG laut ZGS bei bis zu 30 Personen monatlich 33.500 Euro, bei 90 Personen 23.500 Euro. Würden 150 Flüchtlinge in der Traglufthalle untergebracht, ergäbe sich unter Berücksichtigung der Erstattungen ein Überschuss von 1.500 Euro pro Monat. 240 Personen könnte die Traglufthalle maximal aufnehmen. Eine leere Traglufthalle, schwach geheizt und unbewacht, kostet unter Berücksichtigung der Abschreibung 20.500 Euro pro Monat (246.000 Euro pro Jahr), so Ralph Holtze von der ZGS.
Ergänzend wurden die Politiker darüber informiert, dass die Zuweisung einer Unterkunft durch die Stadt Sprockhövel nur für Flüchtlinge möglich ist, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Nach der Anerkennung als Flüchtling bzw. Asylberechtigter erfolgt ein Wechsel des Rechtskreises vom Asylbewerberleistungsgesetz zum Zweiten Sozialgesetzbuch. Ab diesem Zeitpunkt ist nicht mehr die Ausländerbehörde zuständig, sondern das Kommunale Jobcenter.
Preisgünstiger Wohnraum fehlt
Anerkannte Flüchtlinge sind daher berechtigt und verpflichtet, aus der Gemeinschaftsunterkunft auszuziehen und sich eine eigene Wohnung zu suchen. Während des Leistungsbezuges wird die Miete, sofern sie angemessen ist, vom Jobcenter übernommen. 129 Personen fallen in Sprockhövel nicht mehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz sondern wurden dem Rechtskreis des Zweiten Sozialgesetzbuches, also dem Jobcenter zugewiesen. Hierfür fehlen Wohnungen.
Daher wurde die ZGS beauftragt, für je einen Neubau pro Standort Waldweg bzw. Gedulder Weg einen Antrag beim Kreis auf Umwandlung in Sozialen Wohnungsbau zu stellen. Bei Zustimmung des Kreises würden dann 12 Wohnungen in Sozialwohnungen umgewidmet. Zu lösen wäre dann noch der Bedarf an „kleinen Wohnungen“ für Einzelpersonen.
Klaus Knippschild und Wolfram Junge von der SPD argumentierten, dass in Sprockhövel preisgünstige Wohnungen fehlen würden und begrüßten den Antrag der Verwaltung auf Umwidmung von 12 Flüchtlings-Wohnungen in Sozial-Wohnungen.
Die Politiker im Haupt- und Finanzausschuss diskutierten das Thema am 21.9. recht kontrovers. Die Vorlage der Stadtverwaltung sah unter anderem eine Neuanschaffung einer Containerreihe für den Standort Merklinghausen vor. Erstaunt zeigten sich die Politiker über die Aussage der Verwaltung, noch einer Abnahmeverpflichtung beim Lieferanten für Wohncontainer neben der Schule Börgersbruch nachkommen zu müssen. Da die dortige Aufstockung aber nicht vorgesehen ist, könnte vielleicht eine Ausgleichszahlung an den Container-Lieferanten erforderlich werden.
Um diese zu umgehen, empfiehlt die Verwaltung die Anschaffung von neuen Wohncontainern am Standort Merklinghausen und aus Kostengründen den Freizug der Traglufthalle.
Thorsten Schulte (CDU) argumentierte, dass seine Fraktion weiteren Investitionen so lange nicht zustimmen könne, bis geklärt sei, wie die vorhandenen freien Unterbringungsmöglichkeiten ausgenutzt werden. „Das sind wir den Bürgern von Sprockhövel schuldig“, so Schulte.
Nachdem auch Bodo Middeldorf (FDP) das Zahlenwerk der Verwaltung als „Milchmädchenrechnung“ empfand und Kritik äußerte, dass bis heute keine Klärung darüber erfolgt sei, was der Investor mit den 22 im Rohbau befindlichen Wohnungen an der Hattinger Straße vorhabe, wurde die Beschlussfassung des Haupt- und Finanzausschusses bei diesem Tagesordnungspunkt vertagt.
Stadtrat vertagt die Entscheidung
Bei der Sitzung des Stadtrates am 28.09.2017 wurde die Thematik der Flüchtlingsunterbringung parteiübergreifend erneut diskutiert. Ralph Holtze (ZGS) informierte, dass der Investor des Bauvorhabens an der Hattinger Straße 22 Wohnungen ausschließlich für Flüchtlinge zur Verfügung stellen wird, da das Bauvorhaben entsprechende öffentliche Zuschüsse erhalten habe.
Auch die den Ratsmitgliedern aktuell aufbereiteten Zahlen der Verwaltung führten nicht zu einer abschließenden Beschlussfassung.
Die SPD schlug vor, der Empfehlung der Verwaltung, eine zusätzliche Containerreihe in Merklinghausen aufzustellen, nachzukommen. Die anderen Fraktionen sahen das nicht so und erkannten weiteren Beratungsbedarf bei diesem komplexen Thema.
Martin Debold, Fraktionsvorsitzender der Piraten/MiS, informierte die Stadträte, dass nach seinen Informationen bei der Stadt Essen Wohncontainer in guter Qualität schon zum Stückpreis von 2.000 Euro zu erwerben wären.
Nach ausgiebiger Diskussion kamen die Ratsmitglieder dann bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen überein, den Tagesordnungspunkt zu verschieben. Die Fraktionsspitzen werden am 9.10.2017 bei der Zusammenkunft mit dem Bürgermeister weiter nach einer gemeinsamen tragfähigen Lösung, bei der alle Interessen berücksichtigt sind, suchen.
Zahlen und Fakten Stand 22.8.2017
- 204 Personen gemäß Asylbewerberleistungsgesetz
- 129 Personen, die inzwischen unter das Zweite Sozialgesetzbuch fallen, noch in
Gemeinschaftsunterkünften oder städtischen Wohnungen untergebracht
- 17 Personen in der Traglufthalle
- 35 neue Flüchtlinge sind für Oktober zugewiesen
- Z. Zt. noch 205 freie Unterkünfte zuzüglich Wohnraum der ZGS für 88 Personen ab Anfang 2018 und 22 neue zusätzliche Flüchtlingswohnungen des Investors an der Hattinger Straße.
Autor:Hans-Georg Höffken aus Hattingen |
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