Serie "Integration": Memi Kartina arbeitet als Integrationslehrerin
(Von Cay Kamhorst) Mit 23 Jahren kam die Indonesierin Memi Kartina zum ersten Mal nach Deutschland, und arbeitete ein Jahr als Au-Pair Mädchen.
In der Zeit lernte sie auch ihren heutigen Mann kennen und lieben. Trotzdem ging es für sie erst mal zurück in ihr Heimatland. „Ich wollte erst mein Pädagogikstudium beenden. Dann bekam ich eine Anstellung in einer Schule als Lehrerin für das Fach ‚Deutsch als Fremdsprache‘.“
2008, mit 26 Jahren, kam Memi Kartina zurück nach Deutschland und absolvierte ein einjähriges Praktikum an Grundschulen in Sprockhövel und Herdecke. „In der Zeit habe ich dann meinen Mann geheiratet und bin in Deutschland geblieben. Seit 2009 lebe ich mit ihm in Hattingen.“
Anfangs habe sie mit der Kleinstadt gar nichts anfangen können. „Mir war hier so langweilig und es war so schwierig, Menschen kennen zu lernen. In Indonesien kennt man direkt alle und redet miteinander und begrüßt sich. Hier war das anders. Die Menschen sind verschlossener und es ist schwierig, einen Zugang zu finden.“ Über das Internet fand sie Kontakt zu einer indonesischen Gesangs- und Tanzgruppe in Dortmund. Die große Leidenschaft der 30jährigen Indonesierin ist das Singen. Sie hatte bereits einige Auftritte und sich im letzten Jahr auch bei „X-Factor“ beworben, kam aber nicht weiter. „Ich wollte dann unbedingt Gesangsunterricht nehmen, sobald ich genügend Geld verdiene.“
Inzwischen gibt sie bei der Hattinger VHS Deutschkurse in den Abendstunden und ist tagsüber in Gevelsberg an einer Sprachschule als Integrationslehrerin tätig. „Das ist ein Kurs für Spätaussiedler und Migranten, der vom Bundesamt finanziert wird. Erst erhalten sie einen Deutschsprachkurs und im zweiten Teil gibt es dann einen Orientierungskurs“, beschreibt die sympathische Hattingerin ihre Tätigkeit. „In dem Kurs erhalten die Migranten Informationen über die deutsche Politik, deutsche Lebens- und Umgangsformen, Religionen und die deutsche Geschichte. Aber auch praktische Hilfen. Beispielsweise wussten sie nicht, wie man Geld überweist und haben sich riesig gefreut, dass sie das nun gelernt haben.“
Die Arbeit mache ihr besonders viel Spaß und die Sprachschule ist weltweit bekannt, auch in Indonesien. „Ich habe ganz stolz meine Freundinnen dort angerufen und ihnen von meiner Arbeit erzählt.“ Und jetzt leiste sie sich auch den privaten Gesangsunterricht. „Dafür muss ich einmal pro Woche nach Herne fahren. In der Hattinger Musikschule singe ich auch einmal wöchentlich im Chor mit.“
Ihre Eltern haben ihr als Kind merkwürdige Dinge über Deutschland erzählt. „Sie sagten, ich solle bloß nie nach Deutschland gehen, da sei es ganz dreckig und da sei ein böser Mann. Da hatte ich ganz schön Angst und wollte nie herkommen“. Memi Kartina muss lachen.
„Gut, mit dem bösen Mann könnten sie damals Hitler gemeint haben, denn ansonsten wüsste ich nicht, wer das sein sollte. Und dreckig war hier gar nichts, ich hab mich selbst gewundert, wie sauber hier die Straßen sind. Das ist in Indonesien schon anders.“
Aber auch zu dieser Aussage ihrer Eltern hat sie eine amüsante Theorie. „Meine Eltern kennen keine Toiletten ,wie sie hier üblich sind. Bei uns gibt es ein Loch im Boden und hinterher wäscht man sich sauber. Aus dem Fernsehen kannten sie aber die europäische Art mit der Toilette und vor allem mit dem Toilettenpapier!! Dass man sich nur mit Papier den Po abputzt, fanden sie eklig und dreckig.“
Die offene 30jährige amüsiert sich über die groteske Denkweise ihrer Eltern. „Eine Freundin von mir, die damals mit mir als Au-Pair nach Deutschland kam, konnte sich nie an die Toilette gewöhnen. Sie erzählte mir, sie würde sich auf die Brille stellen und so hocken. Da sie nie die Tür abschloss, kam einmal ihre Gastmutter rein und sah sie so. Das war ihr aber total peinlich!“
Während ihres Studiums wurde den Studenten über die Deutschen erzählt, sie seien „individuell, linear und auch egoistisch. Die Deutschen fahren in andere Länder und wollen aber die Sprache nicht lernen, sondern sagen einfach ‚warum soll ich eure Sprache lernen, ihr könnt doch deutsch‘. Am Anfang sah ich diese Beschreibung auch bestätigt, als ich neu hier war, doch inzwischen sehe ich das etwas anders.“
Im Gegenteil, sie mag die deutsche Mentalität im Grunde. „Die Ordnungsliebe gefällt mir sehr gut und dass man sich bei der Polizei beschweren kann, wenn was ist. In Indonesien geht das nicht, die wollen erst Geld haben, dort herrscht viel Korruption.“
Ihr Heimatland habe sie nicht mehr besuchen können, seit sie ganz in Deutschland lebt. „Ich habe seit drei Jahren meine Familie nicht mehr gesehen und sie fehlen mir. Dieses Jahr will ich versuchen, sie in den Sommerferien zu besuchen. Aber das ist halt sehr teuer.“ Im Herzen fühle sie sich ihrem Heimatland Indonesien sehr verbunden, aber sie habe sich dem deutschen Lebensstil angepasst und fühle sich wohl damit.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.