Serie Integration: Hattingen ist meine Heimatstadt

Sulaksan Gnanasegaram fährt höchstens noch im Urlaub nach Sri Lanka und lässt sich dort wie (fast) jeder Tourist mit Elefanten fotografieren, ansonsten fühlt er sich als „waschechter“ Hattinger. Foto: privat
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  • Sulaksan Gnanasegaram fährt höchstens noch im Urlaub nach Sri Lanka und lässt sich dort wie (fast) jeder Tourist mit Elefanten fotografieren, ansonsten fühlt er sich als „waschechter“ Hattinger. Foto: privat
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(von Cay Kamphorst) Der 22jährige Sulaksan Gnanasegaram ist zwar in Essen geboren, lebt aber seit seiner Geburt in Hattingen. Seine Eltern sind 1988 aus Sri Lanka nach Hattingen gekommen.

Wer in Deutschland geboren ist, fühlt sich auch deutsch. Sulaksan Gnanasegaram geht es da nicht anders. Aber seine Wurzeln liegen im fernen Sri Lanka.
„Meine Eltern leben seit 1988 in Hattingen. Wir sind Tamilen. Ich habe noch eine 28jährige Schwester, die bei einer Bank in Bochum arbeitet, und einen 21jährigen Bruder, der gerade sein Fachabi abgeschlossen und sich nun für ein Jahr bei der Bundeswehr verpflichtet hat. Wir alle leben seit unserer Geburt hier.“
Sein Herkunftsland habe er im September 2011 das erste Mal besucht. „Ich habe noch Familie dort. Meine Oma und einige Cousinen und Cousins leben dort. Das war eine spannende Erfahrung. Es ist ganz anders dort.“
Seine Familie lebe in einem kleinen Dorf im Zentrum des Landes. „Ich hatte einen Freund dabei. Am Tag nach unserer Ankunft wusste bereits das ganze Dorf Bescheid und stand schon vor der Tür, als ich aufwachte. Sie wollten vor allem auch meinen Freund sehen, der eine helle Hautfarbe hat, was die Dorfbewohner wohl noch nie gesehen hatten“, schmunzelt der 22jährige. Bisher habe er seine Oma nur von gelegentlichen Telefonaten gekannt. Umso schöner sei es gewesen, sie endlich auch persönlich zu treffen.
Vor dem Treffen habe er keine echte Sehnsucht nach Sri Lanka gehabt, erzählt Sulaksan Gnanasegaram. „Aber seit ich dort war, spüre ich durchaus eine Verbundenheit und ein heimatliches Gefühl. Ich telefoniere nun auch viel öfter mit meiner Oma. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dort zu leben oder den Rest meines Lebens dort zu verbringen. Ich bin hier geboren. Vielleicht wäre das anders, wenn ich erst mit zehn Jahren nach Deutschland gekommen wäre.“
So wie seine Schwester. „Sie war fünf Jahre alt, als sie nach Deutschland kam und hatte es dadurch schwerer als wir Jungs. Meine Schwester konnte kein Wort deutsch, kam direkt in die Schule und musste alles lernen.“ Einfach habe sie es dadurch nicht gehabt, sich aber durchgebissen und das bewundere er sehr.
„Aber eine Art Kulturschock habe ich nicht gehabt, als ich das erst Mal nach Sri Lanka reiste. Mein Freund wohl“, beschreibt Sulaksan Gnanasegaram seinen ersten Besuch. „Von Beginn unserer Schulzeit an, waren wir einmal pro Woche in Haßlinghausen in einer Schule, in der wir tamilisch lernten und viel über das Land.“
Seinen Eltern sei es wichtig gewesen, dass die Kinder über ihre Herkunft genau Bescheid wissen und auch die Sprache beherrschen. „Tamilisch ist eine schöne Sprache. Aber auch hier gibt es viele unterschiedliche Dialekte wie in Deutschland beispielsweise bairisch.“ Er spreche „hochtamilisch“ und finde die Sprache schöner als deutsch. „Ich finde es auch gut, dass meine Eltern uns auf die Schule geschickt haben. Es hat sicherlich nicht geschadet und wir haben viel gelernt. Es ist schade, wenn spätere Generationen, die in Deutschland geboren werden, irgendwann die Sprache nicht mehr beherrschen und über ihr Herkunftsland nicht Bescheid wissen“, bedauert Sulaksan Gnanasegaram.
Seine Eltern verließen Sri Lanka aufgrund der schwierigen politischen Situation und waren auch nie mehr in ihrem Heimatland. „Sie bekamen damals eine Aufenthaltsgenehmigung mit der Auflage, nicht mehr in ihr Land zurück zu kehren.“
Sie hätten zwar inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen können, dann wäre eine Einreise nach Sri Lanka möglich gewesen. Doch das haben sie nicht getan. „Mein Vater hat dort kaum noch Familie, seine Eltern sind verstorben und seine Geschwister ebenfalls ausgewandert. Von daher sah er keine Notwendigkeit, nach Sri Lanka zu reisen.“ Aber eine Verbundenheit zu seinem Land habe er durchaus.
Und auch Sulaksan Gnanasegarams Mutter kennt die Sehnsucht nach der Heimat. Aber wenn sich die politische Situation legen sollte und alle drei Kinder sind aus dem Haus und leben ihr eigenes Leben, dann könnte es auch sein, dass sich die Eltern für eine Rückkehr entscheiden.
Für Vater Gnanasegaram sei es oft emotional nicht einfach, seine Familie nicht sehen zu können. Besonders als seine Eltern starben und er nicht einmal zur Beerdigung fahren konnte.
Gesehen habe er sie seit seiner Ausreise nicht mehr, es habe nur telefonischen Kontakt gegeben. Seine Frau empfinde ähnlich. Ihr Vater sei inzwischen verstorben, ohne dass sie ihn bis dahin sehen konnte, und auch ihre Mutter konnte sie nicht mehr besuchen. Ein Besuch in Deutschland sei finanziell nicht machbar.
Sulaksan Gnanasegaram hat die katholische Weiltorgrundschule und dann das Gymnasium Waldstraße besucht. „Anfeindungen habe ich nie erlebt. Klar gab es mal Witze wegen meiner Hautfarbe. Aber ich war immer schlagfertig genug, um entsprechend zu antworten. Verletzt hat mich das nicht. Meine Freunde sind überwiegend Deutsche.“
Bis zum 25. Lebensjahr haben die Kinder beide Staatsangehörigkeiten, dann werden sie sich für die deutsche entscheiden. Sulaksan Gnanasegarams Schwester hat sie bereits angenommen.
„An Sri Lanka gefällt mir sehr die offene Art der Bewohner. Es ist alles lockerer. Ist jemand neu im Ort, kommen sofort alle und wollen ihn begrüßen.“
Der hinduistische Glaube sei auch sehr frei. „Wir glauben an Gott. Sehen aber alles nicht so eng. Mein Vater geht zweimal in der Woche in den Tempel und sonntags in die Kirche. Das ist kein Problem. Ich selbst war auch schon in der Moschee.
Obwohl wir ausreichend Feiertage haben, feiern wir auch Weihnachten mit – insbesondere für die Kinder, damit sie in Schule und Kindergarten ebenfalls erzählen können, was sie bekommen haben. “
Der 22jährige studiert derzeit Bauingenieurwesen in Bochum. Wohin es ihn nach dem Studium verschlage, wisse er noch nicht. „Meine Familie ist weltweit verteilt. Von daher steht mir alles offen. Dazu kommt, dass meine Eltern sehr aufgeschlossen sind und schnell neue Freundschaften schließen. Da ist es egal, in welchem Land sie sich gerade befinden“, lacht Sulaksan Gnanasegaram.

Sulaksan Gnanasegaram fährt höchstens noch im Urlaub nach Sri Lanka und lässt sich dort wie (fast) jeder Tourist mit Elefanten fotografieren, ansonsten fühlt er sich als „waschechter“ Hattinger. Foto: privat
Sulaksan Gnanasegaram
Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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