Schöne Straßenbäume behindern Rollstuhlfahrer

Das ist eine der unbeleuchteten Engpass-Stellen auf der Bürgersteigseite (Fahrtrichtung Sprockhövel) entlang der Sprockhöveler Straße in Blankenstein. Oft seien hier Autos verbotswidrig abgestellt, so Karl Günther, im Bild mit seinem Ex-Lehrerkollegen und Nachbarn Hans Hartung. Mit seinem Rollstuhl sei dann ohne fremde Hilfe kein Durchkommen. Foto: Römer
  • Das ist eine der unbeleuchteten Engpass-Stellen auf der Bürgersteigseite (Fahrtrichtung Sprockhövel) entlang der Sprockhöveler Straße in Blankenstein. Oft seien hier Autos verbotswidrig abgestellt, so Karl Günther, im Bild mit seinem Ex-Lehrerkollegen und Nachbarn Hans Hartung. Mit seinem Rollstuhl sei dann ohne fremde Hilfe kein Durchkommen. Foto: Römer
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„...und dann wurde ich wieder kurz wach, sah viele Menschen um mich herum stehen und hörte wie einer zu mir sagte: ,Keine Sorge, der Hubschrauber ist gleich hier!‘“ Danach war für Karl Günther nichts mehr so wie früher.

Eigentlich hatte dieser Herbsttag im Jahre 2009 prima ausklingen sollen. Mit seiner Frau zusammen hatte der heute 60jährige Vater zweier erwachsener Kinder eine Radtour über die ehemalige Bahntrasse nach Sprockhövel und zurück über Hiddinghausen gemacht.
„Dort sind wir die steile Straße heruntergefahren“, erinnert sich der Blankensteiner an den Tag, der sein Leben veränderte. „Es gab viele Schlaglöcher. Einigen bin ich mit dem Rad ausgewichen. Bei dem einen jedoch schaffte ich es nicht. Es war zu tief und zu groß und daher bin ich über den Lenker geflogen.“
Schwere Gesichts- und Kopfverletzung zog er sich dabei zu. Viel schlimmer: Seine Wirbelsäule wurde überdehnt. Die Folge: Querschnittslähmung. Das Tragische: Später erfuhr er, dass die Sanitäter bei der Erstversorgung versäumt hatten, seine Wirbelsäule zu kühlen. Möglicherweise wäre ihm dadurch der Rollstuhl erspart geblieben.
Seine Behinderung macht sich manchmal durch Spastik in den Beinen bemerkbar und durch fehlende Wärmeempfindung. Karl Günther fühlt sich am wohlsten bei Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad; ist es kälter, fröstelt es ihn bereits. Wegen der fehlenden Wärmeempfindung verbrüht er sich leicht etwa an heißen Kaffeetassen, ohne dass er es fühlt. Nur die Brandblasen sieht er hinterher.
Mittlerweile arbeitet Karl Günther wieder in seinem Lehrerberuf an einem Berufskolleg in Bochum. Hier unterrichtet er einige Stunden Mathematik und macht ansonsten „Verwaltungsarbeit“ – wie vorher auch schon. Nur sein zweites Fach, Elektrotechnik, kann er nicht mehr geben wegen der Versuche, die er nicht mehr durchführen kann.
„Meine Unterrichtsvorbereitung ist auf meinem USB-Speicherstift, meine ,Tafel‘ ist eine Power-Point-Präsentation durch mein Laptop“, beschreibt er seine Arbeitsweise und schmunzelt ein wenig aus seinem mit Unfallnarben durchzogenen Gesicht, als er sagt: „Mein Kopf funktioniert schließlich noch. Nur der Körper macht nicht mehr mit.“
Inzwischen musste er sein Haus an der Sprockhöveler Straße behindertengerecht umbauen. Seitdem schläft er nicht mehr im Schlafzimmer, sondern in der – natürlich entsprechend ausgestatteten – ehemaligen Garage.
So weit, so gut. Karl Günther hat sich in seinem „neuen“ Leben eingerichtet. Wenn da nicht der Bürgersteig entlang der Sprockhöveler Straße wäre. Er ist ihm und vielen seiner nicht behinderten, aber betagten Nachbarn ein großes Ärgernis.
„Unser Problem“, schildert er dem STADTSPIEGEL vor Ort, „ist der Zustand dieses Bürgersteigs. Für mich als Rollstuhlfahrer ist er unmöglich zu befahren, aber auch Menschen mit Rollator und Eltern mit Kinderwagen haben hier enorme Schwierigkeiten.“
In der Tat stellt sich besagter Bürgersteig als „Holperstrecke“ dar, die nach Regen zur Seenplatte wird: Notdürftig „geflickte“ Abschnitte wechseln sich ab mit Bodenwellen durch die Wurzeln der immer größer gewordenen Bäume entlang der Straße.
Viel schlimmer, beschreibt er, sei das aber mit den Lampen: „Jetzt kommt die dunkle und noch nassere Jahreszeit als die jetzt, die Sommer hieß. Und dunkel ist es auch auf dieser Seite des Bürgersteigs, denn die Straßenlampen stehen ausnahmslos auf der anderen Straßenseite. Das ist schon schlecht, aber einige von ihnen sind so zugewachsen, dass sie in den Baumkronen verschwunden sind. Dabei nutzen seit dem Versetzen der Mauer durch die HWG vor einigen Jahren die Blankensteiner lieber unsere Bürgersteigseite, weil die von Rewe aus bis zur Hesselbecke durchgeht – im Gegensatz zur gegenüberliegenden. Problematisch sind auch die oftmals trotz Verbots zugeparkten Bürgersteige. Zwei Bäume sind nämlich aus der Flucht gewachsen, stehen mitten auf dem Bürgersteig. Dann ist da kein Durchkommen – auch für Rollator-Fahrer und Kinderwagen nicht. Doch die können auf die Straße ausweichen. Ich nicht, denn lebensmüde bin ich nicht. So schön die Bäume auch sind, doch als Hindernis müssen sie weg. Manche haben auch noch Lochsteine, wo sie aus dem Boden kommen. Wenn ich da mit den kleinen Rädern des Rollstuhls hineingerate, muss ich warten, bis mir jemand heraushilft. Meiner Meinung nach ist das hier kein Zustand mehr, wenn er den Menschen solche Probleme bereitet.“
Hans Hartung ist nicht nur sein (Ex-)Kollege an der Bochumer Schule, sondern auch ein Nachbar: „Ich habe das Problem bereits im Seniorenforum angesprochen. Somit weiß die Stadtverwaltung über das Problem Bescheid.“
Geschehen ist indes noch nichts. Die Sprockhöveler Straße gehört zwar dem Kreis, doch der Bürgersteig der Stadt. Die Straße wurde im Herbst 2009 neu gemacht, der Bürgersteig jedoch nicht.

Auf STADTSPIEGEL-Nachfrage erreichte uns die folgende Antwort der Pressestelle der Stadt Hattingen:
„Für die Gehwege ist die Stadt zuständig. Bei einer Ortsbesichtigung wurde festgestellt, dass der Gehweg vom Seilerweg bis An der Hesselbecke zwar nicht in einem schönen, aber auch nicht in einem unfallgefährdenden Zustand ist. Der Gehweg war gesäubert (kein Laub, keine Pfützen usw.) Dort, wo die Baumwurzeln hochdrücken, geht der Asphalt nach oben.
Sobald sich eine Unfallgefahr ergibt, werden diese Stellen mit Dolomitsand ersetzt.
Solange die (politische) Entscheidung, die Bäume alle zu fällen, nicht getroffen wird, gibt es nur die Möglichkeit, den Gehwegbelag an diesen Stellen durch Dolomitsand auszutauschen.
Der Gehweg (in Höhe ­,RABE‘) war durchweg begehbar. Auch wenn rechts und links Autos standen, die nicht immer auf der vorgegebenen Markierung parkten, war noch ausreichend Platz für Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator. Die Bäume auf der gesamten Straße wurden vor Kurzem von städtischen Gärtnern aufgeastet, so dass das Lichtraumprofil nicht eingeschränkt ist.
Drei Straßenlaternen, vor der Haus-Nr. 7 sind verschmutzt. Eine davon, die Laterne in Höhe Nr. 7, ist stark verdreckt und wird vom Baum eines Eigentümer-Grundstückes verdeckt.
Der Eigentümer wird von der Stadtverwaltung aufgefordert, den Bereich freizuschneiden. Die AVU wird gebeten, die verschmutzten Straßenlaternen zu überprüfen. Es gibt hier einen Vertrag zwischen der Stadt und der AVU, dass turnusmäßig alle vier Jahre die Laternen gereinigt werden. Im nächsten Jahr wird wieder gereinigt.
Wenn wir als Stadt die AVU auffordern zu reinigen, muss die Stadt das extra bezahlen. Dafür ist kein Geld da. Wir werden die Prüfung der AVU abwarten. Falls die Verschmutzung an der Lampe zu groß ist und eine Gefahrenstelle darstellt, wird die Stadt für Abhilfe sorgen.“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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