Patagonien, Pampa und die Walthers aus der Winzermark

Ganz schön windig da, (fast) am Ende der Welt. „Genießen“ konnten das Helga und Gerd Walther besonders wegen der dreistündigen Wartezeit an der berühmten Magellanstraße beim Grenzübergang nach Chile.   alle Fotos: privat
13Bilder
  • Ganz schön windig da, (fast) am Ende der Welt. „Genießen“ konnten das Helga und Gerd Walther besonders wegen der dreistündigen Wartezeit an der berühmten Magellanstraße beim Grenzübergang nach Chile. alle Fotos: privat
  • hochgeladen von Roland Römer

„Wer nie verließ der Vorsicht feste Kreise, der war nicht töricht – aber auch nicht weise.“ Das ist so etwas wie das Motto für Helga und Gerd Walther. Gerade sind sie von einer ausgedehnten Südamerika-Reise zurückgekehrt, die sie bis buchstäblich ans Ende der Welt führte. Und so ganz „nebenbei“ hakten sie mit Uruguay ihr 75. Reiseland ab.

Wie (fast) immer, wenn das Ehepaar aus der Winzermark in ferne Länder aufbricht, war auch diese vierwöchige Tour mit Flügen, Fährschiffen, Überlandbussen, Mietwagen und dazwischen vielen Fußtouren von letztlich rund 10.000 Kilometern Gesamtlänge allein in Südamerika – hinzu kamen 28.000 km für den Hin- und Rückflug – selbst organisiert.
„Mir liegt das Organisieren, es macht mir Spaß“, meint Gerd Walther dazu. Diesmal durfte er sein gesamtes Talent, das er Jahrzehnte auch als Abteilungsleiter Organisation in der Karstadt-Konzern-Zentrale unter Beweis stellen konnte, voll ausschöpfen – leider.
Nachdem nämlich bereits alles bis ins Detail geplant war, verschoben sich plötzlich Flugzeiten, der Flughafen Bariloche in der argentinischen Schweiz wurde wegen eines Vulkanausbruchs gesperrt, Schiffspassagen waren von heute auf morgen ausgebucht und dann stellte sich auch noch heraus, dass in Argentinien Mietwagen an über 70jährige (Gerd Walther ist 71) nicht vermietet werden. Wegen der Schotterpisten traute sich Helga Walther die Fahrt am Steuer selbst nicht zu.
Gerd Walther: „Bedauerlich war das vor allem deshalb, weil wir dadurch die 3.000 Kilometer lange Autofahrt durch die Pampa nicht machen konnten.“
Aber auch so hatten die beiden Hattinger allerhand zu bestaunen auf einer „interessanten Reise mit riesigen Eindrücken“, wie sie selbst sagen. Die Tour hatten sie sich auf Januar und Februar gelegt, weil dann in Patagonien, etwa dreimal so groß wie Deutschland, Sommer ist – bei durchschnittlich etwa 14 Grad.
Von Buenos Aires mit allerdings 30 Grad ging es per Fähre nach Colonia del Sacramento, einem kleinen Ort in Uruguay am Rio de la Plata, dessen Altstadt die UNESCO zum Weltkulturerbe zählt, und in die Hauptstadt Montevideo.
Wieder von Buenos Aires aus flogen die Walthers gen Feuerland. „Es war ein fantastischer Anflug auf das Ende der Welt über die schneebedeckten Kordilleren, über die Einsamkeit und Weite unberührter Berge und Gipfel“, schwärmen sie noch jetzt. „Und zu allerletzt tauchten erst ein riesiger Regenbogen und dann das Zipfelchen Ushuaia, die südlichste Stadt der Erde, im Sonnenschein auf. Das war einer jener Momente, bei denen einem die Schönheit der Welt erschauern lässt und man den Atem anhält.“
Bei näherer Ansicht allerdings entpuppte sich die rund 40.000 Einwohner zählende Stadt Ushuaia zwar als bunt und lebhaft, aber auch inmitten von 1.500 Meter hohen Bergen mit dicken Schneeschichten etwas „heruntergekommen“. Übrigens müssen hierher, so erzählen die Winzermärker, alle Nahrungsmittel außer Fisch per Flugzeug, Lkw und Fähre herangeschafft werden.
Da beide keine Lust hatten, 14 Tage für je 7.000 Euro auf den Spuren von Scott und Amundsen die Antarktis zu erforschen, erkundeten sie lieber den 65 Hektar großen Nationalpark von Feuerland. Außerdem besuchten sie den „Hausgletscher“, den Marcial, bei drei bis fünf Grad, leichtem Schneefall und Regen.
Bei Neuschnee nahmen Helga und Gerd Walther von hier aus einen Überlandbus, um die rund 700 Kilometer auf überwiegend Schotterstraßen nach Punto Arenas in Chile zu meistern. „Wegen des ständigen, dafür aber sehr starken Windes war das nicht ganz ungefährlich – vor allem in den Kurven“, erinnert sich Gerd Walther. „Kaum zu glauben, aber man hat das Gefühl, dass einen der Wind trotz Sonnenscheins gleichzeitig aus allen vier Himmelsrichtungen durchpustet und auch noch von unten und oben. ,Genießen‘ konnten wir das besonders wegen der dreistündigen Wartezeit an der berühmten Magellanstraße beim Grenzübergang nach Chile.“
Auf der Busfahrt sahen sie nach eigener Schätzung „Millionen Schafe, viele Guanakos, wie die wilden Lamas dort heißen, vereinzelt auch Rehe, Füchse und selten eine Estanzia, eine Rinderfarm“. In Patagonien leben auf 200 Quadratkilometern durchschnittlich 100 Menschen. Im Bus selbst saßen sie zusammen mit Abenteuer- und Entdeckungsreisenden aus vielen Nationen, so dass es unterwegs trotz eintöniger Landschaft drumherum nie langweilig wurde.
In Punto Arenas trafen sie hautnah auf riesige Pinguin-Kolonien. Die angeblich schönste Stadt Patagoniens, begeisterte die Winzermärker ebenfalls durch blitzblanke Straßen, Bürgersteige und Plätze – und das Sicherheitspersonal auch in kleinen Lebensmittelgeschäften.
In Chile stand der „Parque Torres del Paine“ auf dem Programm. In einem Kleinbus mit acht Personen aus Israel, Spanien und Chile machten sich auch die beiden Deutschen auf Tour, unternahmen erste Probewanderungen, um später dann alleine 400 Kilometer in der menschenleeren Landschaft im eigenen Mietwagen zu fahren (in Chile gab es keine Altersbeschränkung). Sie stimmen seit dem mit ein in das Loblied anderer, die bereits dort waren:
„Der Park ist wirklich einmalig in seiner Vielseitigkeit aus atemberaubender Landschaft mit einer reichen Tier- und Pflanzenwelt, bizarren Bergformationen, Gletschern, Seen, Wasserfällen und Urwäldern. Wir hatten bislang nirgendwo Vergleichbares gesehen. Den Menschen dort scheint die Schönheit so alltäglich zu sein, dass sie ihre Sonntage, wie wir beobachten konnten, lieber bei Bingo in einer riesigen Halle verbringen.“
Der nächste Park war der „Parque Nacional Los Glaciares“ mit der größten zusammenhängenden Eismasse der Erde, darunter auch der Perito-Moreno-Gletscher. „Der ist 240 km lang, am See vier Kilometer breit und 70 Meter hoch, einer der wenigen noch ,kalbenden‘ Gletscher der Welt“, erläutert Gerd Walther. „Sechs Stunden haben wir alles in allem den je nach Licht unterschiedlich blau-grün leuchtenden Eismassen und spektakulär herabstürzenden Eisblöcken zugeschaut. Es war einfach großartig!“
Das waren nur einige der Höhepunkte aus einer unvergesslichen Reise von Helga und Gerd Walther, die von weiteren Busfahrten durch die endlosen Weiten Schulter an Schulter mit Einheimischen geprägt war.
Einen Höhepunkt allerdings gibt es noch, der Beachtung verdient: Fünf Stunden Flug mit 20 Passagieren in einer Boeing 737 zu den Iguazu-Wasserfällen. Gerd Walther: „Wir kennen wahrlich tolle Wasserfälle in Kanada, Neuseeland oder Jamaika, aber diese sind die größten und eindrucksvollsten und teilweise kilometerweit auseinanderliegenden, bei denen die Wassermassen aus bis zu 80 Metern Höhe herabstürzen. Da ist durch die spritzende Gischt ruckzuck die Kleidung nass bis auf die Haut.“
Da der Park inmitten des tropischen Regenwaldes liegt, erlebten die Walthers neben üppiger Pflanzenwelt zahllose freche Nasenbären, die ihnen die Butterbrote aus dem Rucksack klauten, aber auch Affen, Echsen, Tukane, Kolibris, eine vielfältige Pracht an Fischen und bunten Schmetterlingen.
Helga und Gerd Walther hat es dort so gut gefallen, dass sie am nächsten Tag die gleiche Tour noch einmal machten, ehe Rio de Janeiro, der Zuckerhut, die Christus-Statue und die Copacabana lockten.
Inzwischen sind sie wieder in der Winzermark angekommen. Rückblickend gefragt, was denn nun der Höhepunkt der Reise gewesen ist, können sie diese Frage nicht beantworten: „Das ist letztlich auch egal. Wir waren da, alles war schön und wir haben viele neue Eindrücke bei einer diesmal besonders abwechslungsreichen Reise gewonnen.“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

4 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.