Olympia: Ski-As Pia Schmitt aus Sprockhövel in Sotschi

Pia Schmitt in ihrem Element und auf der Piste. Trotz ihrer erst 19 Jahre ist sie eine sehr erfolgreiche Ski-Rennläuferin.
2Bilder
  • Pia Schmitt in ihrem Element und auf der Piste. Trotz ihrer erst 19 Jahre ist sie eine sehr erfolgreiche Ski-Rennläuferin.
  • hochgeladen von Dr. Anja Pielorz

von Roland Römer

Kennen Sie Anatoli Nikolajewitsch Pachomow? Ein Tipp: Der Mann ist Bürgermeister einer Stadt – gut 340.000 Einwohner stark – mit den Postleitzahlen von 354000 bis 354396 und der Telefonvorwahl (+7) 8622. Wenn ich jetzt noch verrate, dass es sich bei der gesuchten Stadt um einen beliebten Bade- und Kurort handelt, der auf dem gleichen Breitengrad liegt wie Nizza und mit langen, heißen Sommern, warmem Herbst und kurzen, milden Wintern klimatisch zu den Subtropen gezählt wird, dann ahnen Sie möglicherweise, dass hier von Sotschi die Rede ist, dem diesjährigen Austragungsort der Olympischen Winter(!)-Spiele.

Warum ausgerechnet der STADTSPIEGEL solches Wissen verbreitet? Das liegt an Pia Schmitt. Die 19jährige ist nämlich dabei, wenn die Wintersportler aus rekordverdächtigen 90 Nationen vom 7. bis 23. Februar in Sotschi auf Medaillenjagd gehen.
Leider ist sie dort nur als Zuschauerin „am Start“, wo sie doch viel lieber selbst die vereisten Hänge und Pisten herunterrasen würde, so begeistert wie die junge Sprockhövelerin seit ihrer Kindheit vom Skilaufen ist. Eingeladen wurde Pia Schmitt mit rund 50 anderen Sportlern und Betreuern im Alter von 16 bis 19 Jahren nach Bewerbung und Auswahlverfahren vom Deutschen Olympischen Sportbund. Mit den anderen aus der Gruppe wird sie sich heute treffen und morgen früh von Frankfurt aus nach Kiew fliegen, von wo es weiter in die Olympiastadt am Schwarzen Meer geht.
„Ich freue mich sehr darauf“, gesteht die angehende Zahntechnikerin, die nach ihrem Abitur am Gymnasium Holthausen im letzten Jahr erst einmal eine Ausbildung macht, um später wie ihr Vater Christian, Zahnarzt in Sprockhövel, Zahnmedizin zu studieren.
Genau wie die großen Sportler in Sotschi kann auch Pia Schmitt auf beachtliche sportliche Erfolge verweisen – wenn auch (noch?) auf einer anderen sportlichen Ebene. Allein in diesem Jahr holte die Sprockhövelerin schon die Westdeutschen Meistertitel im Riesenslalom und im Super-G, wurde Westdeutsche Vize-Meisterin im Slalom.
Für die Jahre davor weiß sie gar nicht mehr so genau, wie viele Westdeutsche Titel sie im Riesenslalom und Super-G eingefahren hat: „So sieben etwa“, vermutet sie, vielleicht einer mehr, vielleicht einer weniger. Dreimal bekam sie den Silbernen Ski vom Westdeutschen Skiverband als beste alpine Skiläuferin der Saison, im Deutschland-Pokal gegen starke Konkurrenz aus Bayern und anderen eher alpiner als Sprockhövel gelegenen Regionen langte ihr fahrerisches Können immerhin noch für den beachtlichen Rang drei und selbst bei internationalen Wettbewerben fuhr sie ins Mittelfeld. Gut 120 Pokale zieren jedenfalls mittlerweile zwei Vitrinen im Hause Schmitt.
Talent wurde schon bei der damals neunjährigen Pia entdeckt. Trainer vom Skiclub Sprockhövel rieten ihr zu regelmäßigem Training, das sie in die Skihalle Bottrop führte. „Hier sprach eines Tages mein heutiger Trainer Ulrich Schubert meinen Vater an, ob ich denn nicht zum Ski-Klub Bayer Uerdingen kommen wollte“, erzählt sie und ergänzt: „Seitdem trainiere ich dort und fahre für den Verein Rennen – vor allem in Österreich und manchmal auch in Bayern.“
Und hier kommt Vater Christian Schmitt ins Spiel. Denn wenn es nicht gerade mit dem Vereinsbus in die Berge geht, dann muss eben Papa mit seinem Auto Chauffeur spielen – zwischen Januar und Ostern in der Regel jedes (!) Wochenende. Bis auf ganz wenige Ausnahmen heißt das jeden Freitag in die Familienkutsche und ab auf die bis zu siebeneinhalb Stunden dauernde Fahrt. Sonntag geht es die gleiche Strecke wieder zurück.
Stress ist das für Pia Schmitt nicht, sondern Spaß und Vorfreude pur: „Für mich ist die Begeisterung fürs Skilaufen nach wie vor ungebrochen. Dafür brauche ich mich nie zu motivieren. Und meine Freunde verstehen, dass ich in der Rennsaison an den Wochenenden keine Zeit für sie habe. Dann machen wir eben etwas in der Woche zusammen – kein Problem.“
Jedenfalls steht die Rennläuferin des Samstagmorgens gegen acht Uhr am Lift inmitten der schneebedeckten Alpen. Dann werden Startnummern abgeholt und der Rennstreckenverlauf verinnerlicht. Um zehn Uhr beginnt normalerweise ein Wettbewerb.
„Am besten bin ich im Riesen-Slalom, am liebsten habe ich jedoch Super-G und Abfahrt“, lacht sie. Leider jedoch könne man das nicht überall trainieren. „Wegen der Sicherheit, denn das ist schon ganz schön schnell und gefährlich.“ Angst hat Pia Schmitt aber nicht, wenn sie mit 100 Sachen die Pisten auf Skiern herunterstürzt. Andere umso mehr und deswegen, sagt sie, gebe es so wenige Strecken zum Trainieren.
Vor den Rennen kommt für die Sprockhövelerin die Trainingsphase zwischen Oktober und Dezember. Dazu geht es „nur“ alle zwei bis drei Wochenenden in die Nähe von Innsbruck an den Stubaier Gletscher. Auch im Sommer ist für Pia Schmitt Saison – irgendwie. Denn dann wird nach einem zuvor ausgearbeiteten Trainingsplan gearbeitet: Radfahren und Laufen stehen auf dem Programm, Reaktions- und Gleichgewichtsübungen, Kraft- und Schnelligkeitstraining. Da falle, gesteht sie fast ein wenig verschämt, die Motivation schon bedeutend schwerer.
Sechs Paar spezielle Rennski hat sie zurzeit, die es nicht in „normalen“ Geschäften zu kaufen gibt. Für Insider: Ihre Slalom-Skier sind 1,55 m lang, für den Riesen-Slalom 1,88 m, Super-G zwei Meter und Abfahrt 2,10 m. Auch die Schuhe, plaudert sie aus dem Nähkästchen, seien viel enger und härter als üblich.
Die hautengen Rennanzüge, die Pia Schmitt trägt, kennt mancher Winterssportbegeisterte vielleicht sogar aus dem Fernsehen, von den Skifahrern darin. Deren Outfits sind zwar maßgeschneidert, doch die Profis tragen sie nicht so lange. Stattdessen kommen sie nach dem „Ausmustern“ solchen hoffnungsvollen Ski-Talenten wie Pia Schmitt zugute und leisten nicht nur ihr noch hervorragende Dienste.
Auch wenn die junge Sprockhövelerin ihre Ausrüstung und die Skier zu einem Vorzugspreis erhält, sind immerhin noch alles in allem gut 2.500 Euro zu berappen. Während Handschuhe nur einmal im Jahr neu gebraucht werden, müssen pro Saison zwei Paar Skischuhe her. Skier selbst halten um die zwei Saisons.
Und jetzt Sotschi. Wohnen wird Pia Schmitt im Rahmen des – so der offizielle Titel – „Deutschen Olympischen Jugendlagers“ zwei Wochen auf einem Kreuzfahrtschiff. Dazu wird die ganze Gruppe einheitlich komplett eingekleidet – von den Schuhen über T-Shirts, Pullover bis hin zu Reisetasche und Rucksack. Immerhin sollen die Jugendlichen auch unser Land bei Olympia repräsentieren.
Wer jetzt denkt, das hört sich alles nach großer Party an, der täuscht sich. Die zwei Wochen Sotschi über wird regelmäßig trainiert in einem Kraftraum, der dafür eigens zur Verfügung steht.
Na gut, es wird natürlich nicht nur trainiert, ein Kulturprogramm gibt es auch und: „Jeder von uns hat sechs Wettkampftickets zur Verfügung. Ich möchte auf jeden Fall zum Skilaufen und möglichst auch zum Biathlon.“
Ein Besuch im „Deutschen Haus“ ist ebenfalls geplant. Dort trifft der sportliche Nachwuchs auf jeden Fall einige der deutschen Olympia­teilnehmer. Pia Schmitt hofft da besonders auf Viktoria Rebensburg und Felix Neureuther. Beide Ausnahme-Skirennläufer sind nämlich so etwas wie ihre Vorbilder. Ein Autogramm von ihnen versucht sie auf jeden Fall zu ergattern.
Ob es geklappt hat, das werden die STADTSPIEGEL-Leser spätestens erfahren, wenn Pia Schmitt aus Sotschi zurück gekommen ist. Dann wird sie nämlich ihre Eindrücke schildern – exklusiv im STADTSPIEGEL!

Pia Schmitt in ihrem Element und auf der Piste. Trotz ihrer erst 19 Jahre ist sie eine sehr erfolgreiche Ski-Rennläuferin.
Pia Schmitt mit nur zwei ihrer rund 120 Pokale, die sie im Laufe ihrer Karriere als Ski-Rennfahrerin gewonnen hat. Allein in diesem Jahr wurde die Sprockhövelerin Westdeutsche Meisterin im Riesenslalom und im Super-G sowie Westdeutsche Vize-Meisterin im Slalom.
Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

11 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.