Mobbing im Netz führt zur Freiheitsstrafe
Regelmäßig berichtet der STADTSPIEGEL von den Hauptverhandlungen des Hattinger Amtsgerichtes. Nur beim Jugendschöffengericht bleibt die Öffentlichkeit aufgrund des jungen Alters der Angeklagten außen vor. Jetzt erreichte uns allerdings eine Zusammenschrift eines interessanten Falls von Internet-Mobbing.
Kürzlich mussten vor dem Hattinger Jugendschöffengericht zwei 15- und 16jährige Jugendliche erfahren, dass ihre Aktivitäten im Internet harte Konsequenzen auch für sie als Täter haben. Ihre Opfer hatten dies schon zuvor spüren müssen.
Die beiden Jungen hatten im letzten Sommer zunächst per SMS, dann im Internet verschiedene Schüler beleidigt und bedroht. Besonders betroffen war ein Mädchen, welches zunächst einfach ihr Handy abschaltete, um den teilweise rund um die Uhr eingehenden Anrufen zu entgehen. Dann löschte sie ihren Zugang zu Schüler-VZ, um Belästigungen im Internet auszuweichen. Da auch vor ihrem Haus Jungen aus der Gruppe um die Täter auftauchten, wagte sie bald kaum noch, ihr Zuhause zu verlassen.
Immer mehr gingen auch ihre Freunde „auf Abstand“. Einer schließlich erzählte ihr, dass bei Schüler-VZ ein Fake ihrer Seite eingestellt worden war mit ihren Fotos und allen Daten, unter anderem auch Adresse und Handynummer. Von diesem Zugang aus beleidigten die Angeklagten nun unter dem Namen ihres Opfers deren Freunde und Bekannte.
Der Gipfel der Angriffe auf die 14jährige, die übrigens die Angeklagten nicht persönlich kannte und sich auch nicht erklären konnte, warum man es auf sie abgesehen hatte, war ein „Video“, welches auf Youtube eingestellt war. Dabei wurde die Original-Stimme des Opfers in ein Lied eines deutschen Rappers eingearbeitet, so dass sie als Nutte im Songtext erschien. Auch die gesamte Präsentation mit voller Namensnennung zielte darauf ab, sie als Nutte zu bezeichnen.
Die Absender der Mails wechselten ständig und die Täter beschuldigten sich gegenseitig. Dadurch waren die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft sehr aufwändig, führten schließlich aber zum Erfolg.
Bis zur Hauptverhandlung war das Video übrigens noch eingestellt, so dass man sich den Song auch anhören konnte.
Die Hauptverhandlung ergab, dass die Täter selbst aus schwierigen Familienverhältnissen stammen. Das machte auch die Verteidigung geltend, die in dem Verhalten der Angeklagten auch einen „Schrei nach Liebe“ und Aufmerksam sah.
Die Staatsanwaltschaft warf den Jugendlichen vor, feige und versteckt zu manipulieren und Macht ausüben zu wollen, ohne sich über die Konsequenzen für ihre zufälligen Opfer im Klaren zu sein.
Wie zufällig das Opfer ausgewählt war, bestätigten auch die Täter, die ansonsten nur sehr begrenzt einsehen konnten, was sie getan hatten. Die Vorstellung, dass jeder jederzeit Opfer eines solchen zunächst nicht zu identifizierenden Angriffs werden kann, hinterließ – außer bei den Tätern – allseits nachdenkliche Stimmung.
So waren sich alle Beteiligten einig, dass hier freiheitsentziehende Maßnahmen angebracht waren. Zudem verhängte das Gericht in erheblichem Umfang Arbeitsstunden und verpflichtete die Täter zu einer Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs.
Letztlich wurde ihnen aufgegeben, im Wege der Schadenswiedergutmachung nicht nur das von ihnen eingestellte Lied endlich zu löschen, sondern in vergleichbarer Weise eine Entschuldigung zu platzieren, damit der Aufruf des Namens des Opfers nicht nur mit diesem negativen Eintrag, sondern auch mit der Wiedergutmachung erscheint, wenn man sie „googelt“.
Leider vergisst das Internet nie. Das Urteil nahmen die beiden Jugendlichen sofort an.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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