Legendenschilder: Einfach mal stehenbleiben

Rundgang zu den Legendenschildern
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Einhundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erinnert in Hattingen im Rauendahl ein ganz besonderes Projekt an das Thema Flucht und Vertreibung. Schüler der Gesamtschule Welper haben es durchgeführt – entstanden sind sechs Legendenschilder, die an Straßenschildern im Rauendahl angebracht wurden und zeigen, wie lebendig Geschichte ist. Beteiligt waren an dem Projekt nicht nur die 26 Oberstufenschüler, sondern auch die Lehrer Corinna Brand, Thomas Waschkuhn und Veysel Hezer sowie Hattingens Stadtarchivar Thomas Weiß und der Heimatforscher Harri. Die Stadt Hattingen unterstützte das Projekt und die Finanzierung der Schilder ist dem Hattinger Lions-Club zu verdanken.

Sechs Schilder, die in einem Rundgang durch den Stadtteil auf das Thema Bezug nehmen, sollen zeigen: Das Rauendahl entstand als Stadtteil für Flüchtlinge und Vertriebene. Lange Jahre gab es hier nämlich nichts. Stadtarchivar Thomas Weiß machte mit einem gewohnt launigen Vortrag mit den Anwesenden im Kinder- und Jugendtreff Rauendahl einen Streifzug durch die Rauendahler Geschichte. Im Rauendahl soll man eine Burg gestanden haben, 1872 gab es ein erstes Bild vom Rauendahl – und es zeigte: dort war nix. Wiesen, Felder, keine Siedlung. Germanen sollen hier mal gelebt haben, das Rauendahl sollte eigentlich „rotes Tal“ heißen – weil dort so viel Blut geflossen war. Ab 1652 gibt es eine Bergbautradition, 1787 fuhr die erste deutsche Eisenbahn auf Eisenschienen (nicht Holz!!!). „Sie sehen, ab da wurden wir berühmt“, so Stadtarchivar Thomas Weiß, der auch gleich das Berühmteste überhaupt erwähnte: „Das war 2013, als das Stadtarchiv ins Rauendahl zog.“
Aber im Ernst: Sehr, sehr spät wurde das Rauendahl besiedelt. In den späten fünfziger Jahren baute die hwg dort die ersten Wohnungen, 1960 war die Marke „2000“ erreicht. Wohnunterkünfte für Flüchtlinge wurden errichtet, die aus den früheren ostdeutschen Gebieten kamen. Manche von ihnen leben als zeitzeugen noch heute im Rauendahl und berichten, wie es sich damals alles zugetragen hat. Eine Heimat, eine neue Bleibe, hätten sie hier gefunden – doch die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat ist für viele immer noch präsent. Thomas Weiß zeigt Postkarten über das Rauendahl und macht auch deutlich: als die Flüchtlinge von dort wegzogen und sich im Stadtgebiet verteilten, kamen neue Generationen – viele von ihnen mit Migrationshintergrund ins Rauendahl und sorgten für eine Veränderung des Stadtteils.
„Ziel des Projektes war es, sich mit der lokalen Flucht- und Vertreibungsgeschichte Hattingens auseinanderzusetzen und das Rauendahl als historischen Lern- und Erinnerungsort zu verstehen. Unsere Projektarbeit war die Weiterführung der im letzten Jahr begonnenen Erinnerungsarbeit: Zuletzt fand im November 2016 an unserer Schule in Anwesenheit von vier Zeitzeugen und diversen Kooperationspartnern ein Podiumsgespräch zur Wanderausstellung „geflohen, vertrieben – angekommen?!“ (Volksbund) statt. Daran anknüpfend sollte jetzt die Begegnung mit der Erlebnisgeneration intensiviert und natürlich die Teilhabe der Schüler an der Erinnerungskultur unserer Stadt gefördert werden“, erklärt Lehrer Veysel Hezer.
Bei einem Rundgang kann man die sechs Schilder entdecken. Sie laden ein, Geschichte erlebbar zu machen, stehen zu bleiben und sich Gedanken zu machen – ein nachhaltiges Projekt für Schüler, die in diesem Jahr die Schule mit dem Reifezeugnis verlassen werden.
Für Stadtarchivar Thomas Weiß und Heimatforscher Harri Petras ein gelungenes Projekt, zeigt es doch, dass sich auch junge Generationen mit dem Thema Flucht und Vertreibung auseinandersetzen. Schließlich ist das Thema heute noch genauso aktuell wie nach dem Ende des Ersten Weltkrieges vor einhundert Jahren.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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