Kinderhospizdienst schenkt Atempausen im Alltag
Das Haus liegt idyllisch in einer kleinen Straße. Das Garagentor zieren bunte Luftballons, das Markenzeichen des Vereines. Das Haus selbst, ein Wohnhaus, beherbergt Büro- und Schulungsräume und Gemeinschaftsräume, die eingerichtet sind wie ein schickes Wohnzimmer mit Blick ins Grüne. Hier treffen sich die ehreamtlichen Mitarbeiter des Kinderhospizdienstes Ruhrgebiet und die Familien mit ihren unheilbar kranken Kindern.
Elf Jahre gibt es den Kinderhospizdienst Ruhrgebiet mittlerweile. Fünf Einrichtungen im Ruhrgebiet, die jeweils ein Einzugsgebiet von rund dreißig Kilometern abdecken, haben sich entwickelt. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, Familien mit unheilbar kranken Kindern im Alltag zu helfen. Die Kinder, die alle lebensverkürzend erkrankt sind, leben zuhause in ihrer Familie. Den Alltag zu bewältigen, ist nicht leicht.
Birgit Schyboll ist die Vorsitzende des Vereines. Zwölf Jahre hat sie als Intensivkrankenschwester gearbeitet, Jahrzehnte eine naturheilkundliche Praxis geführt und Psychologie studiert. Jetzt bringt sie diese Erfahrungen seit Jahren in die Idee des Kinderhospizdienstes ein.
„Im Gegensatz zur Arbeit mit Erwachsenen beginnt die Arbeit des Kinderhospizdienstes nicht erst in der Sterbephase des Kindes, sondern gleich nach der Diagnose. Wir begleiten die Familien oft über Jahre, bis das Kind an der Krankheit oder deren Folgen schließlich verstirbt. Wir kümmern uns um Familien mit Kindern bis 25 Jahre.“
Die zentrale Frage des Dienstes ist dabei: Wie kann man den betroffenen Familien helfen, den Alltag zu leben? Oft geht es um Kinder, die nicht mehr selbständig atmen können. Viele von ihnen haben krampfartige Anfälle, manche leiden an Krebs und, sehr oft, an Stoffwechselerkrankungen. Der Verein schult ehrenamtliche Mitarbeiter, die zur Entlastung in die Familien gehen. Der Verein spricht aber auch über Tod und Sterben, das zum Leben gehört.
Zum Einzugsbereich, den der Kinderhospizdienst Mittleres Ruhrgebiet betreut, gehört auch Hattingen. Auch hier leben mehrere der insgesamt zur Zeit dreißig Familien, die betreut werden.
„Wir haben Eltern, die nicht mehr als ein bis zwei Stunden durchschlafen können, weil sie sich dann um das Kind kümmern müssen. Für sie ist schon das kontinuierliche Fensterputzen ein Gewinn, wenn sich unsere Mitarbeiter um das Kind kümmern“, so Birgit Schyboll.
Das Haus in Herbede ist dabei Anlaufstelle und Büro, aber auch kommunikatives Familienzentrum für alle. Hier finden Weihnachtsfeiern statt, hier werden auch ungewöhnliche Dinge gestaltet. Zum Beispiel nach dem Tod eines Kindes wurde in diesen Räumen von der Familie auch der Sarg gestaltet. Auf Wunsch der Angehörigen war es ein sehr persönliches Abschiednehmen in einem familiären Umfeld.
„Wenn ich mit den Kindern spreche, habe ich in den ganzen Jahren immer wieder erfahren, dass sie ihr Leben als lebenswert ansehen. Sie genießen die Ausflüge, die wir machen oder die Familienfreitzeit auf Norderney. Wenn sie älter sind, können sie über Tod und Sterben reflektieren. Aber so krank sie auch sind, nie habe ich erfahren, dass sie sich wünschen, es möge vorbei sein. Sie haben eine große Vorstellungskraft, wie es nach dem Tod sein wird und das sie ihre Lieben auch wiedersehen. Und in guten Momenten, wenn sie etwas Schönes erleben, dann freuen sie sich wie gesunde Kinder.“
Birgit Schyboll selbst zieht ihre Kraft aus der Musik, der Familie und dem Glauben. Seit zehn Jahren singt sie in einem Gospelchor. Ihr Mann unterstützt ihre Arbeit. „Ohne das ginge es auch nicht“.
Denn die Betreuung der Familien ist intensiv und viele der Geschichten und Schicksale nimmt man mit nach Hause.
Der Kinderhospizdienst Ruhrgebiet veranstaltet in naher Zukunft wieder Seminare und Schulungen für ehrenamtliche Mitarbeiter. Infos unter (02302/277719.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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