Ich packe meine Kiwis...

Daria und Alina waren am Ende der Welt. Foto: privat
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Daria Berka und ihre Freundin Alina Grunwald hatten nach dem Abitur am Gymnasium Holthausen 2017 eine ziemlich weite Reise geplant: sie gingen mit „Work & Travel“ für ein Jahr nach Neuseeland, auf die Fidschi-Inseln und nach Australien. Jetzt, wo viele andere verreisen, sind sie wieder zurück in Hattingen – und haben als erstes neben Familie und Freunden ihre alte Schule besucht. Dort engagieren sie sich immer noch als Ehemalige im Orchester der Schule für Konzertauftritte. Zur Weihnachtszeit haben sie dem STADTSPIEGEL erzählt, wie das Fest am anderen Ende der Welt gefeiert wird. Jetzt berichten sie über Unterschiede und Erlebnisse, die ziemlich prägend waren.

„Wir waren schon sehr weit weg“, sagen beide. Mehr als dreißig Stunden Flug um in das Land der Träume zu kommen. Australien. Neuseeland. Die Fidschi-Inseln, der Südpazifik. Chillen pur. Na ja, für Daria und Alina nicht immer. „Das haben wir ja nicht zehn Monate gemacht. Wir haben zwischendurch gearbeitet, um beispielsweise die Fidschi-Inseln überhaupt erleben zu können. Wir haben auf Farmen und auf einer Kiwi-Plantage gearbeitet. Wochenlang. Immer nur Kiwis packen. Ich glaub‘, ich habe hier sogar im Supermarkt eine Kiste gesehen, die ich gepackt habe“, lacht Daria. Wer denkt da nicht an das alte Wortspiel „Ich packe meinen Koffer“ – hier heißt es dann wohl eher „Ich packe meine Kiwis…
„Außerdem haben wir Wwoofing gemacht.“ Bitte was? „Das bedeutet Arbeiten auf einer ökologischen Farm und steht für World Wide Opportunities on Organic Farms“, erklären die beiden. Überhaupt sei man in Neuseeland und Australien was die Nachhaltigkeit angeht viel weiter als in Europa. „Das ist dort ein echter Eco-Tourismus. Ökotourismus oder Ecotourism versteht sich als Tourismus mit dem Ziel eines verantwortungsvollen Umgangs zwischen Mensch und Natur. Wenn man beispielsweise auf einer Kiwi-Plantage arbeitet, bekommt man Beutel. Plastiktüten sind absolut verpönt. Die Infrastruktur ist dort ganz anders. Es gibt sehr viel Landschaft, nur wenige große Städte. Und auf dem Land spielt sich das Leben vielfach draußen ab. Es ist völlig normal, dass man zum Supermarkt oder selbst zum Krankenhaus weite Entfernungen zurücklegen muss. Da würde sich hier jeder aufregen, dort aber nicht. Das ist halt einfach so.“

Hattingerinnen am Ende der Welt

Extrem sei das auf den Fidschi-Inseln gewesen. „Jedes kleine Kind lernt dort, wie man auf einer einsamen Insel überleben kann. Und nicht nur dort haben die Einwohner ein unglaubliches Wissen im Hinblick auf die Natur und die Pflanzen und wofür man sie einsetzen kann. Man lebt enger mit der Natur, ökologischer. Und man braucht manches einfach nicht zum Leben oder zumindest nicht so oft.“
Sie selbst haben die Erfahrung gemacht, dass das Handy doch nicht so wichtig sei. Darias Telefon war sowieso drei Monate kaputt. „Das war halt so. Ich sage ehrlich, ich habe es nicht vermisst. Wenn ich mich hier jetzt umschaue – da sitzt jeder in Bussen und Bahnen oder steht irgendwo und guckt auf sein Handy. Ist schon komisch. Überhaupt ist das Leben dort viel einfacher. Klar, ich habe hier meinen Kleiderschrank wieder und fand das auch toll, mal wieder nach zehn Monaten ein anderes T-Shirt anziehen zu können als die paar Sachen, die wir mithatten. Aber man stellt dann auch fest, dass man wahnsinnig viel im Kleiderschrank hat, was man echt nicht braucht.“ Auffällig sei bei ihrer Rückkehr gewesen, dass die Reinigung der Shirts mit der deutschen Waschmaschine und dem Waschpulver aber doch effektiver sei. „Ich habe noch gedacht, die Flecken gehen nie mehr raus. Aber einmal in eine deutsche Waschmaschine mit Pulver und schon ist gut“, bestätigt auch Alina.
Gewohnt haben die Hattingerinnen während ihres Auslandsaufenthaltes in der Regel in einem Hostel oder auf der Farm, wo sie arbeiteten. „Eigentlich war das kein Problem, aber in einem Hostel da liegst du schon mal mit zehn Leuten in einem Raum. Wir haben unglaublich viele Deutsche getroffen, die unterwegs waren. Und Südamerikaner und Engländer. Irgendwie ist es wohl ein Trend, nach dem Abitur dann erstmal weg zu sein und das möglichst weit.“ Was beide genervt hat: Die Lebensmittelpreise. „Das gesunde Essen, Gemüse zum Beispiel, ist richtig teuer. Und Fast Food total billig. Eine Paprika konnte da locker drei Dollar kosten, also so 2,50 Euro. Das ist schon echt heftig. Es gibt viele Menschen mit ein paar Kilos zu viel, aber die meisten erscheinen total fit. Fitnessgruppen sieht man überall im Land. Die landwirtschaftlich geprägten Zonen sind natürlich auch oft mit harter körperlicher Arbeit verbunden. Gereist sind wir meistens mit dem Bus. Busse sind total billig. Aber wir haben natürlich viel Geld für Aktivitäten ausgegeben, weil wir ja auch etwas Einmaliges erleben wollten. Wir waren beispielsweise mit Delfinen im offenen Meer schwimmen. Auf den Fidschi-Inseln waren wir auch viel schnorcheln und haben uns die Unterwasserwelt angesehen. Das war toll.“

Spannende Maori-Kultur

Die Maori-Kultur in Neuseeland konnten sie ebenfalls kennenlernen. „Das wird gerne gezeigt und ist auch spannend.“ Freundlich seien die Menschen und höflich. „Die bedanken sich beispielsweise beim Busfahrer, wenn sie aussteigen. Oder sie wünschen dir immer einen schönen Tag. Habe ich hier auch sofort gemacht, als wir ankamen. Da habe ich nur verblüffte Blicke bekommen, das macht hier einfach keiner. Oder im Geschäft hält die Verkäuferin einfach mal zwanzig Minuten mit jemandem ein Schwätzchen und du stehst da und wartest… hier würde man sich nach wenigen Minuten beschweren. Einfach alles sehr viel entspannter am anderen Ende der Welt.“
Sprachlich, sagen beide, hätten sie keine Probleme gehabt. Das Schulenglisch habe man durchaus als ausreichend empfunden. Was hat ihnen die Auszeit gebracht? „Wir wurden selbstständiger, haben gelernt zu organisieren, mit dem Geld klarzukommen und darüber nachzudenken, was man wirklich braucht. Die Zeit war toll und ein paar Monat auf den Fidschi-Inseln hätten wir gerne gelebt. Auf keinen Fall aber für immer. Da ist jeder Tag gleich, das ist auf Dauer nichts für uns.“
Was sie jetzt machen wollen, wissen sie eigentlich auch: Alina will Geographie in Bochum oder Wirtschaftsgeographie in Mülheim studieren. Daria wird zunächst in der Reha-Klinik in Holthausen ein halbjähriges Praktikum machen, um herauszufinden, ob Medizin und Pflege für sie Berufsfelder sein können.
Noch etwas fällt den beiden ein, was in ihrem Leben kaum mehr eine Rolle spielt: Fernsehen. „Wir hatten auf unserer Reise oft gar keins. Und jetzt, na ja, jetzt brauchen wir es nicht mehr. Wir haben soviel anderes.“ Daria spielt Saxophon, Alina Klarinette. Daria mag Tanzen und Handball. Beide treffen sich gern mit Freunden im realen Leben. Da bleibt für die virtuelle Welt nicht viel Zeit übrig.

Daria und Alina waren am Ende der Welt. Foto: privat
Die Ehemaligen zurück in ihrer Schule. Dort unterstützen sie immer noch das Orchester. Daria (links) und Alina vor dem "Abidenkmal 2017" ihres Jahrgangs in der Schulstraße. Foto: Pielorz
Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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