Hermann Reiser: Der wichtige Mann im Hintergrund geht
„Der Zug fährt immer weiter“, wiegelt Hermann Reiser ab. Aufhebens um seine Person, die liegt dem 63jährigen Fachbereichsleiter Ratsangelegenheiten, Wahlen und Logistik nicht so. Ende des Monats geht er nach 47 Jahren in den Ruhestand.
Nicht so ganz freiwillig. Geplant war eigentlich der Herbst. Gesundheitliche Gründe zwingen ihn dazu, früher seinen Abschied zu nehmen.
Hermann Reiser nicht mehr im Rathaus, das wird aus verschiedenen Gründen nicht einfach. Viele Verwaltungsmitarbeiter werden seinen reichen Erfahrungsschatz vermissen, seine Ratschläge, vor allem sein profundes Fachwissen, das er sich im Laufe der Jahrzehnte angeeignet hat. Und wohl auch seine Anekdoten, die er auch im Gespräch mit dem STADTSPIEGEL immer wieder gern zum Besten gibt. Hermann Reiser war nie der „typische Beamte“ wie aus den hinlänglich bekannten „Witzen“. Hermann Reiser ist einfach immer Mensch geblieben. Auch und gerade als Beamter.
Geboren wurde er in Bredenscheid-Stüter und machte seinen Abschluss an der Realschule Grünstraße. „Ich habe gute Erinnerungen an diese Schule“, sagt er noch heute.
1965 fing der junge Hermann Reiser bei der Stadt Hattingen an als Verwaltungspraktikant. „Das war damals eine neue Laufbahn als Vorbereitung für den gehobenen Dienst“, erinnert er sich. „Nach zwei Jahren, mit knapp 21, wurde ich Inspektorenanwärter.“
Bevor Hermann Reiser die Prüfung zum Stadtinspektor bestanden hatte, wusste er bereits, dass er im Hauptamt arbeiten würde. So hieß der Fachbereich, dem er später vorstehen sollte, zu der Zeit noch. Er kannte ihn von seiner Ausbildung her, in der er alle vier Monate die Stadtämter hatte wechseln müssen.
„Ich kann ganz gut mit Zahlen und Statistiken. Vielleicht wäre ich ja auch ein guter Steuerberater geworden. Das Hauptamt war die richtige Sache für mich“, blickt er weit zurück. „Obwohl: Anfangs war ich ziemlich ehrfürchtig, in diesem alten, großen Rathaus arbeiten zu dürfen, zunächst allerdings im früheren Ratskeller, wo heute unsere Druckerei ist. Vor allem aber bin ich heute noch dankbar dafür, dass mir die Zeit gegeben wurde, mich richtig und in Ruhe einarbeiten zu können. Durch die Nähe zu allen, mit denen ich in dieser Zeit in erster Linie zu tun hatte, war mein Aktionsradius nur so groß wie ein Bierdeckel. Ab dem 15. März 1970 bin ich eigentlich immer auf dieser Etage geblieben – gleich neben damals dem Stadtdirektor und Ersten Beigeordneten, heute neben der Bürgermeisterin.“
Das Hauptamt nennt Hermann Reiser „die Servicestelle für die gesamte Stadtverwaltung. Wir haben weniger mit Bürgern zu tun, sorgen aber für Büroeinrichtungen, Verbrauchsmaterialien, Reinigungsmittel, stellen die Telefonzentrale, den Archivbereich, die zentrale Post, Kuriere zwischen den Verwaltungsstellen, denn nach wie vor geht ohne Papier nichts, und auch die Druckerei gehört zu uns. Langeweile kennen wir also nicht. Wir haben viel mit Kollegen zu tun und bei denen sind wir bekannt und anerkannt.“
Durchführung und Organisation der Wahlen seien für die Öffentlichkeit zwar „spektakulär“, aber: „Meine eigentliche Hauptbeschäftigung waren die Ratsangelegenheiten und die haben mich auch der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Dadurch hatte ich viel Kontakt mit der Stadtspitze, mit der Verwaltungsspitze und der Lokalpolitik. Da saß ich an der Schnittstelle. Seit 1981 bin ich Schriftführer im Rat und beim Hauptausschuss. Außerdem prüfe ich jede Verwaltungsvorlage auf Vollständigkeit.“
Aber auch für Geschenke zu Jubiläen und Verabschiedungen war Hermann Reiser zuständig, hielt den Dienstwagen für die Bürgermeister vor und rechnete nach Victor D’Hondt, damit der Ratssaal ja auch jedem neuen Stadtrat Tisch und Stuhl bot.
Schon am Wahlabend kümmerte er sich darum, wie es weitergeht mit der Hattinger Politik: „Ich musste alle Neugewählten anschreiben und hatte dadurch am schnellsten Kontakt mit ihnen und lernte sie kennen. Ich war ja auch für deren Aufwandsentschädigungen verantwortlich.“
Kurios: Als Hermann Reiser 1970 bei der Stadt Hattingen anfing, war er gleich bei einer Landtagswahl eingesetzt, obwohl er damals altersbedingt noch nicht selbst wählen durfte, und jetzt, 2012 und rund 30 Wahlen später, da war die letzte Wahl unter seiner Leitung wieder eine Landtagswahl.
In allen Jahren habe er gelernt, wie Kommunalverwaltung und die einzelnen Gremien funktionieren. Für seine Aufgabe sei es nämlich wichtig zu wissen, welche „Wege“ zu gehen seien, Zeitabläufe einzuschätzen – und auch zu erkennen: nicht alles geht! Er habe sich „so manches Aha-Erlebnis“ geholt...
Die Arbeit in den 70er Jahren habe ihm rückblickend am meisten Spaß gemacht, wegen der Aufbruchstimmung und der kommunalen Neuordnung, aber auch wegen des engen Zusammenhalts der späteren Führungskräfte der Stadtverwaltung. Damals entstanden das Schulzentrum Holthausen, die Altstadt wurde saniert, Gewerbegebiete geschaffen und Mehrzweckhallen in verschiedenen Stadtteilen gebaut.
In den 80ern hingegen sei vieles gekippt worden, etwa der fertig ausgearbeitete Plan für den Rathaus-Neubau an der Roonstraße oder der Friedhof in Holthausen, der dorthin sollte, wo jetzt die Siedlung am Altland steht. Grund: auch der, wie Hermann Reiser es nennt, „Paukenschlag Strukturwandel“.
Als Grundstein seiner persönlichen Karriere sieht er als „Glücksfall, dass ich nach der kommunalen Neuordnung gebraucht und dadurch integriert wurde in den Rathausbetrieb. Ich bin kein großer Architekt, habe keine bleibenden Stadttore errichtet. Aber ich habe bei großen Dingen im Hintergrund mitgewirkt. Damit bin ich zufrieden – auch wenn es immer Punkte und Momente gibt, wo man sagt, das hätte man anders, besser machen können.“
1988 machte ihn der damalige Stadtdirektor Augstein zum Amtsleiter, vor 17 Jahren hat er mit dem damaligen Stadtdirektor Dieter Liebig und Bernd Baumhold den Integrationsrat entwickelt, dessen Ehrenvorsitzender er, wie berichtet, dieser Tage wurde.
Auch das Thema Bürgerbus habe ihn so mitgerissen wegen der Begeisterung der Gründer um Ideengeber Josef Kettelhoit: „Ich habe ihn sehr gerne unterstützt und auch selbst mitgemacht. Heute ist der Bürgerbus ja ein Selbstläufer und ich bin froh, dass ich dabei war, den Bus in Hattingen zu etablieren.“
Karnevalist nennt sich Hermann Reiser zwar nicht. Dennoch sei er zuständig gewesen, als über Michael Lunemann vom damaligen Elternkreis Holthauser Rosenmontagszug der Hilferuf gekommen sei, dass die immer größer werdende Veranstaltung von ihnen auch aus rechtlichen Gründen nicht mehr zu schultern sei. Bis heute stelle die Stadt ihre Logistik dafür zur Verfügung: „Ich habe vom Büro Stadtverkehr aus formaljuristischen Gründen die Berechtigung erhalten, den Rosenmontagszug durchzuführen. Und beim Museumszug bin ich Vertreter der Stadt Hattingen genauso, wie ich das im Verkehrsverein war.“
Dadurch konnte er auf dessen damaligen Geschäftsführer Uli Summeck zählen, als die Einweihung der neuen Ruhrbrücke nach Winz-Baak anstand. Denn was für Hermann Reiser als eine „normale“ Einweihungsorganisation „nebenbei“ geplant war, entwickelte sich zu seiner größten Veranstaltung mit rund 5.000 Besuchern.
Wegen seiner guten Erfahrung als Anfänger bei der Verwaltung ist es Hermann Reiser bis heute wichtig, junge Leute mit den Verwaltungsaufgaben vertraut zu machen: „Öffentliche Verwaltung ist auch ein Service am Bürger fern vom üblichen Beamtenwitz-Klischee. Dass ernst zu nehmende Arbeit zu leisten ist, das war mir wichtig weiterzugeben. Alles andere kommt von selbst.“
Und in Richtung Lokalpolitik und Verwaltung sagt er: „Nach meinem Verständnis verwalten wir gemeinsam die Stadt Hattingen und haben dadurch im Prinzip die selben Ziele. Daher sollten wir nicht gegenseitig unsere Kräfte verschleißen – bei aller Auseinandersetzung, die es in einer Demokratie geben muss.“
Während seine Nachfolgerin Barbara Vogelwiesche und deren Stellvertreter Andreas Jüttendonk seinen Arbeitsbereich übernehmen, was macht dann eigentlich Hermann Reiser?
„Ich lege meinen großen Lebensabschnitt Stadtverwaltung ad acta. Ich will zu Hause da sein, was in all den Jahren zu kurz gekommen ist. Haus und Garten beispielsweise, da müsste einiges getan werden. Mein achtjähriger Enkel wohnt nebenan. Vielleicht kann ich als Opa einiges für und mit dem machen. Außerdem will ich endlich mal gemütlich auf meiner Terrasse sitzen. An Weltreisen denke ich nicht – zumindest noch nicht.“
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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