Haus Burgeck - ein multikultureller Treff: Hausmeisterin Dörte Rusky erzählt
(von Cay Kamphorst)
Als ehemalige Hausmeisterin im Haus Burgeck, dem inzwischen abgerissenen Migrantentreffpunkt an der Bahnhofstraße, hat Dörte Rusky viel erlebt und viel darüber zu erzählen.
„Ich habe im STADTSPIEGEL die vielen Geschichten über Hattinger Migranten gelesen, von denen ich einen Teil während meiner Zeit als Hausmeisterin im Haus Burgeck kennenlernen durfte“, freut sich Seniorin Dörte Rusky. Das Haus sei eine lebendige Begegnungsstätte gewesen, in dem viele Feste, Lesungen, Treffen und Folklore stattgefunden haben.
Im Dachgeschoss habe es vier kleine Räume gegeben, in denen die Folkloregruppen ihre Kostüme aufbewahrten und sich umzogen. „Es war einfach herrlich, wenn beispielsweise die Portugiesinnen ihre Landestrachten anzogen und tanzten. Die Röcke waren in Falten gelegt und sie trugen einige Unterröcke. Wenn sie sich beim Tanzen drehten, dann blitzten die Spitzen der Unterröcke hervor.“ Dörte Rusky strahlt bei der Erinnerung.
Im ersten Stock gab es noch die Deutsch-Schulungsräume, das Büro vom damaligen Leiter Bernd Baumhold, einen Frauenraum und eine Nähstube mit neun Nähmaschinen.
„Da konnten die Frauen nähen lernen. Die Räume im Haus Burgeck waren so trist. Darum schlug ich Bernd Baumhold vor, dass ich in meiner freien Zeit schöne Sachen nähen könnte. “
Und so nähte die engagierte Hausmeisterin aus alten Stoffen, die noch vom Vorbesitzer übrig geblieben waren, dekorative Gardinen und Tischdecken. „Da sah es schon viel freundlicher aus.“
Viel gefeiert wurde dort und oft bis spät in die Nacht. „Das Haus schloss um 22 Uhr. Bei Feierlichkeiten wie Hochzeiten durften die Gäste bis 24 Uhr bleiben. Doch die Türken und Portugiesen fanden dann noch kein Ende. So musste ich viel länger bleiben, obwohl ich es nicht mehr bezahlt bekam.“
Der große Festsaal im Haus Burgeck stand allen Migranten für ihre Feste gratis zur Verfügung. „Die Auflage war nur, dass hinterher wieder alles besenrein sein sollte. Keine Essensreste mehr oder Dekoration, die Tische und Stühle mussten wieder in die Kammer gebracht werden. Aber nicht immer hielten sich die Menschen auch daran, so dass oft mein Mann und ich noch hinterher aufräumen mussten“, ärgert sich die Seniorin und darüber, dass die Migranten „alles für ganz selbstverständlich hielten. Da sagte keiner mal der Stadt Hattingen danke für die Bereitstellung des Hauses. Und die Stadt war sehr freigiebig. Es war eine Zeit des Gebens. Aber es wurde nicht immer gut damit umgegangen.“
Es sei viel zu Bruch gegangen. „Gardinen waren angekokelt, Glühbirnen rausgeschraubt, Klopapier und Aschenbecher entwendet worden. Das alles musste durch uns ersetzt werden. Dafür gab es später ein städtisches Budget ‚Haus Burgeck‘, das nach meinen Gesprächen mit dem damaligen Stadtdirektor Dr. Augstein eingerichtet wurde.“
Die Seniorin ist stolz auf das, was sie erreicht hat. Auch für sich. „Zu Anfang war es sehr schwierig für mich, Respekt zu erhalten. Immerhin war ich eine kleine Frau, die den Menschen etwas zu sagen hatte. Ich wurde beschimpft, beleidigt und mit zweideutigen Bemerkungen belästigt. Bis sie wussten, wer mein Mann war, der mir oft bei der Arbeit geholfen hatte. Der hatte auf der Hütte gearbeitet und war vielen bekannt. Von da an achteten mich die Männer dann auch.“
Dörte Rusky schwärmt von den alten Zeiten: „Es gab viele Lesungen, zu denen mehr Deutsche als Migranten kamen. Des öfteren zu Gast war ein türkischer Schriftsteller, der in einer tollen Satire über türkische Serails oder Harems erzählte. Es war einfach zum Schenkelklopfen“, lacht die ehemalige Hausmeisterin.
Viele Feste wurden gefeiert. „Das sogenannte Zuckerfest der Türken für die Kinder wurde viel gefeiert, Hochzeiten und Verlobungen verschiedener Nationen und am 8. März der Frauentag. Das war immer ein toller Tag. Frauen unterschiedlicher Nationen begingen ihn mit viel Fröhlichkeit und Witz. Es wurden Gruppen eingeladen, die Comedy oder Musik vorführten.“
Ohne Bernd Baumhold wäre das Haus Burgeck nicht eine solche Begegnungsstätte geworden. „Er hat sich immer eingesetzt. Gab es Probleme, schlichtete er sie. Er war mir auch immer eine Hilfe, wenn die Männer mich nicht so ernst nahmen. Schließlich musste ich um 22 Uhr die Türen abschließen und alle rausschmeißen, was nicht immer einfach war.“
Das Haus sei bei den Menschen sehr beliebt gewesen. „Es wurde ja auch sehr viel geboten! Es gab eine eigene Bücherei verschiedener Sprachen. Veranstaltungen wie Ausstellungen, Lesungen, Reisediavorträge, politische Abende, Sitzungen, Musikabende und Theater für Erwachsene und Kinder. Kinder waren überhaupt sehr gerne gesehen im Haus Burgeck. Sie waren immer und überall dabei. Für die Jugend gab es Kicker und Billard. Leider wurden die Geräte oft zerstört.“
Dörte Rusky empört sich immer noch über die Rücksichtslosigkeiten mancher Menschen. „Keiner hat sich Gedanken darüber gemacht, was das alles kostet. Müll entsorgen, Strom, Birnen für die Lampen, Queues und Kreiden erneuern und alles andere. Und das Geld dafür war auch nicht so einfach zu beschaffen. Aber die Stadt hat trotzdem viel für diese Menschen getan. Sie sollten sich ja wohlfühlen in der neuen Heimat, mit Herz und Verstand. Sie wurden ja mit vielen neuen Eindrücken und Erlebnissen überflutet, da war es gut für sie, eine Anlaufstätte zu haben, in der sie Gleichgesinnte fanden und sich mit Menschen ihrer Nation austauschen konnten.“
In der türkischen Teestube waren die Teegläser stets gefüllt. Es wurde Backgammon und Karten gespielt und geraucht. Im Keller hatten die Portugiesen einen Bereich, in dem sie kochen konnten. Im Frauenzimmer waren die Damen unter sich.
„Donnerstags wurde der Stockfisch im portugiesischen Keller gewässert und das ganze Haus roch nach Meer und Fisch. Tintenfisch und Sardinen wurden aufgetaut und an Samstagen oder Sonntagen wurde alles gegrillt oder gebraten. Dafür stand ein riesengroßer handgemachter Grill im Hof. An den Wochenenden war das ganze Haus Burgeck ein Schmelztiegel unterschiedlichster Nationen!“ In einem Infokasten und in ausgelegten Flyern, die gerne mitgenommen wurden, standen die Veranstaltungshinweise.
Das Haus Burgeck habe so viele fremde Sprachen gehört, die mit der Zeit aber immer weniger wurden. Die Deutschkurse dort seien gerne angenommen worden. „Die Kursteilnehmer haben sich jedes Mal sehr gefreut, wenn sie mich mit neu erlernten Wörtern und Sätzen ansprechen konnten. Ihre Freude war dann immer sehr groß, wenn ich sie lobte und sagte, was für große Fortschritte sie machten.“
Es sei allerdings nicht immer einfach gewesen. Auseinandersetzungen mit Portugiesen und Jugoslawen habe es gegeben. Doch „die diplomatische und klare Art von Bernd Baumhold hat so manchen wirren Kopf zurecht gerückt. Er hat das Haus sehr gut geführt. Ohne ihn, wäre es längst nicht das geworden, was es war: eine gut und gerne besuchte Begegnungsstätte für Deutsche und Migranten, für gesellige Zusammenkünfte, aber zum Verweilen und Lernen.“
Viel damalige – und teilweise heute noch – Hattinger Prominenz ging dort ein und aus. „Der VFA hatte sich gebildet und die Treffen fanden im Haus Burgeck statt. Beispielsweise war Frank Staacken oft im Haus zu sehen. Hermann Reiser, Dieter Liebig, Bürgermeister Günter Wüllner, Hans-Jürgen Augstein, Klaus Sager mit seiner Frau Hannelore sowie Dr. Dagmar Goch, die damals die VHS leitete.“
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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