Hattinger verzichten auf Gemüse
EHEC – vier Buchstaben, die unsere Essensgewohnheiten verändert haben, die Gesundes in Krankmachendes und sogar Tödliches verwandeln. Rohes Gemüse soll Träger sein für krankheitsauslösende Stämme eines Darmbakteriums, die enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), die blutige Durchfälle auslöst, an denen bereits knapp 20 Menschen in Deutschland gestorben sind, Hunderte sind infiziert.
Kein Wunder also, dass Gurken, Tomaten und Salat wie Blei in den Verkaufsregalen liegen bleiben.
Auch die Hattinger Tafel ist betroffen, die laut Auskunft von Geschäftsführer Jürgen Sotzek keine Abnehmer für das ansonsten begehrte Frischgemüse findet. Die Konsequenz: Entsorgen, wodurch der karitativen und gemeinnützigen Einrichtung überflüssige, aber nach Lage der Dinge zurzeit unvermeidliche Ausgaben entstehen.
Betroffen ist auch „Früchte Brandenstein“ – und alle Händler, die neben Obst auch Gemüse feilbieten. „Wir haben große Absatzsorgen bei Gurken, Tomaten und Salat“, so Unternehmer Heinz-Ulrich Brandenstein, „und verzeichnen für diesen Bereich Einbrüche zwischen 80 und 90 Prozent.“
Er habe mit Händler-Kollegen gesprochen: „Bei denen sieht es ähnlich aus. Dauernd neue Katastrophen-Meldungen des Robert-Koch-Instituts und Äußerungen der Landes- und Bundesregierung verunsichern die Verbraucher zusätzlich.“
Heinz-Ulrich Brandenstein findet es sowieso mehr als eigenartig, dass mitten in der Saison Gurken aus Spanien eingeführt werden – auch wenn mittlerweile feststeht, dass der Erreger nicht von dort stammt.
Die Einfuhr, weiß er, ist auf den enormen Preiskampf gerade der Discounter und Supermärkte untereinander zurückzuführen: „Da werden die Preise der Erzeuger gedrückt, um in Deutschland wettbewerbsfähig zu sein. Auch der spanische Gurkenanbauer hat jedoch Kosten. Also muss irgendwo eingespart werden, damit er trotz der langen Wege nach Deutschland billiger als hiesige Anbieter ist. Da bleibt eben oft die Qualität auf der Strecke – zumindest bei den schwarzen Schafen in der Branche.“
Der Hattinger Gemüsehändler erzählt, dass er auf dem Wochenmarkt beinahe von jedem zweiten Kunden angesprochen wird: „Aber auch wenn wir versichern, dass unsere Ware hier aus der Region kommt, wir auf das Prinzip der kurzen Wege setzen und mit unserem guten Namen dafür bürgen, genau zu wissen, was wir selbst schon – seit Jahrzehnten übrigens – bei demselben Erzeuger einkaufen und an unsere Kunden weitergeben, im Prinzip also vollständige Kontrolle über unsere Waren haben: Es nützt nichts. Die Menschen lassen sich nur schwer überzeugen.“
Deutschland gehöre in Europa bei Obst und Gemüse zu den Billigpreisländern: „Unsere Nachbarn achten weniger auf den Preis. Für sie ist die Qualität ausschlaggebend. Es wäre nicht schlecht, wenn sich die Verbraucher hierzulande einiges von dieser Mentalität aneigneten. Es geht darum, Qualität zu angemessenen Preisen einzukaufen, mit denen Händler, Erzeuger und Kunden klarkommen.“
Und er erinnert daran, dass EHEC durch Hitze wirkungslos wird: „Warum also nicht nach gründlichem heißem Waschen Gerichte mit Kochgemüse zaubern oder Schmorgurken auf den Tisch bringen? Auch gefüllte Tomaten sind doch lecker oder mit Käse überbackene!“
Am besten fänden jedoch Heinz-Ulrich Brandenstein, seine Kollegen und wahrscheinlich alle Menschen, wenn die Herkunft des Erregers bekannt wäre. Nach der genetischen Entschlüsselung sind die Chancen dafür in der kommenden Woche stark gestiegen.
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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