Hattinger Spinn-Club

Jeden Dienstag trifft sich der Spinn-Club im Atelier Lichtburg um gemeinsam dem Hobby zu frönen (v.l.): Annette Schweihoff, Anne Gethmann-Siefert, Margitta Siewert, Anika Bönsch, Anja Handf und Daniela Kuhnert. Fotos: Nitschke
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  • Jeden Dienstag trifft sich der Spinn-Club im Atelier Lichtburg um gemeinsam dem Hobby zu frönen (v.l.): Annette Schweihoff, Anne Gethmann-Siefert, Margitta Siewert, Anika Bönsch, Anja Handf und Daniela Kuhnert. Fotos: Nitschke
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Hattingen. Anne Gethmann-Siefert hätte sich nach ihrer Pensionierung 2010 durchaus auf die Couch setzen und die Füße hochlegen können. Ihr Arbeitsleben als Professorin für Philosophie und Ethik an der Uni Hagen war anstrengend und aufregend genug, um sich jetzt einfach mal auszuruhen und das Rentnerleben zu genießen.

Eigentlich... - doch das war Anne Gethmann-Siefert schlicht und ergreifend zu langweilig. Und so entstand "Mama Anne" - der Fächerladen. Auf dem Kirchplatz gibt es seit mittlerweile acht Jahren Handgearbeitetes von Hobbyhandwerkern, die ihre Arbeiten dort ausstellen.
Der Laden bestand gerade ein paar Monate, als eine Kundin das Spinnrad von Anne Gethmann-Siefert entdeckte. Das stand dort ungenutzt herum, denn umgehen konnte zu dem Zeitpunkt keiner damit.
Und so kam es, dass die Dame ihre Tochter, eine Studentin, empfahl. Die konnte nämlich spinnen und gab ab Frühling 2011 die ersten Spinnkurse. Die Leidenschaft zum Spinnen hat Anne Gethmann-Siefert seit dem nicht mehr los gelassen. Nachdem die Studentin nicht mehr zur Verfügung gestanden hat, da sie inzwischen in Hamburg wohnt, ist der Spinn-Club entstanden.
2014 kam das Atelier Lichtburg, die Loge des ehemaligen Kinos, dazu: Hier gibt es mehr Platz zum Malen, Spinnen und Stricken. Für Anne Gethmann-Siefert ein Rückzugsort, denn beim Malen kann sie wunderbar entspannen. Wer im Alter von mittlerweile 73 Jahren neben dem Laden, Ehemann und zwei erwachsenen Kindern allerdings auch noch Bücher schreibt, dem sei Erholung gegönnt.
Aber zurück zum Spinnen: Beim Besuch des Spinn-Clubs wird die entspannte Stimmung in der Gruppe deutlich und Annette Schweihoff lobt die Hilfsbereitschaft der Frauen. Ja, es sind nur Frauen, Männer sind Mangelware. "Einer", so Anne Gethmann-Siefert, "war ein einziges Mal da, weil er selbst ein Spinnrad bauen wollte - ward allerdings nie wieder gesehen."

Die Gruppe von bis zu zehn Spinnerinnen trifft sich wöchentlich zum Spinnen oder auch, um die fertige Wolle zu verstricken. Anja Hanf ist bereits seit 2011 dabei und auch die anderen sind seit vielen Jahren dem Spinnen treu.
Wie kommt es denn jetzt zur Rohwolle? Zunächst werden die Schafe geschoren und die Wolle wird sortiert und gewaschen. Das Waschwasser eignet sich danach perfekt als Blumendünger. Nach dem Waschen kann die Wolle gefärbt werden und anschließend folgt das "Kardieren": Die Wolle wird gekämmt. Allerdings gibt es auch bereits fertige Wolle zu kaufen, denn nicht jede möchte oder kann diese Vorarbeiten selbst ausführen.
Die so vorbereitete Wolle ist jetzt fertig zum Spinnen. Aus dem Wollberg werden ein paar Fasern herausgezupft und mit dem Spinnrad zu einem Endlos-Faden verarbeitet. Liest sich einfach, ist es aber nicht. Bis das erste Mal ein Erfolg erzielt wird, kann es dauern, denn das gleichmäßige Spinnen will geübt werden. Mittlerweile sind die Spinnerinnen jedoch so versiert, dass sie gleichzeitig spinnen und reden können. Fleißig rattern die Spinnräder und die Gespräche laufen ganz nebenbei, was für den Ungeübten äußerst beeindruckend ist.
Kommen wir zu den Spinnrädern: Auch hier gibt es große Unterschiede. Die älteren Modelle haben in der Regel nur ein Fußpedal, mittlerweile gibt es aber sogar kugelgelagerte Spinnräder, die sehr leise und ruhig laufen, und auch welche mit zwei Fußpedalen. Durch die gleichmäßige Bewegung wird hier Knieproblemen vorgebeugt. Interessant sind auch die Reise-Spinnräder, die sich Anika Bönsch und ihre Mutter Margitta Siewert gegönnt haben. Diese können zusammengeklappt und am Ende des Abends problemlos mitgenommen werden, so dass auch zu Hause weiter gesponnen werden kann. Je nach Ausführung kann ein Spinnrad schon einmal mehrere hundert Euro kosten.

Nachdem die Wolle versponnen ist, geht es zum nächsten Verarbeitungsschritt. Die gesponnene Wolle muss verzwirnt werden, wozu meistens zwei Fäden genommen werden. Schöne Effekte ergeben sich, wenn hier eine andere Farbe oder ein anderes Material verwendet wird. Das Verzwirnen erfolgt jetzt in die entgegengesetzte Richtung zum Spinnen, damit die Fäden sich schön miteinander verbinden.
Im Anschluss wird die fertige Wolle mit Hilfe der Haspel zu einem Strang gewickelt. Wer sich übrigens "verhaspelt", hat viel zu tun, denn dann muss die Wolle erst einmal wieder geordnet werden.
Bei den Qualitäten gibt es große Unterschiede. Angefangen bei den Schafen, bei denen es je nach Rasse auch noch unterschiedliche Wolle gibt, sind Baby-Kamel und Alpaka sehr beliebt. Hier gibt es sogar Wolle aus der unmittelbaren Nachbarschaft, denn Alpaka "Gustav" wohnt in Sprockhövel.
Besonders edle Materialien sind Seide und wunderbar weiches Kaschmir. An diese Wolle trauen sich jedoch zumeist nur geübte Spinnerinnen, denn hier ist der Kilopreis für das Rohmaterial sehr hoch. Während es die günstigste Schafswolle bereits ab sechs Euro pro Kilo gibt, liegt der Preis bei Seide bei über 100 Euro.
Teilweise wird die Wolle aus dem Spinn-Club verkauft, die meisten Schätze wollen die Damen jedoch nicht abgeben und hüten oder verstricken sie selbst. Die daraus entstandenen Mützen, Socken oder Jacken haben dann auch noch einen besonderen Stellenwert - schließlich ist jetzt alles handgemacht. 

Autor:

Nicole Nitschke aus Hattingen

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