Hattingen: Die Glocken der St. Georgs-Kirche - Unterwegs im schiefen Kirchturm

Bei der Begehung des Glockenturms von St. Georg dabei waren (v.l.) Kantorin Maria Cristina Witte, Pfarrer Dr. Udo Polenske, Glockensachverständiger Dr. Carl Peter und Peter Brinkmann vom Freundeskreis der St.-Georgs-Kirche. alle Fotos: Groß
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"Süßer die Glocken nie klingen": Was sich liest wie der Beginn eines bekannten Weihnachtsliedes, ist das Motto einer neuen Aktion der Ev. St. Georgs-Kirchengemeinde. Konkret geht es dabei um die Glocken im Turm der St.-Georgs-Kirche. Ihr Aufhängesystem muss dringend überholt werden.

Dazu hatte die Gemeinde jetzt einen Glockensachverständigen eingeladen. Dr. Claus Peter gilt in Fachkreisen als der Experte schlechthin, ist seit 1988 Glockensachverständiger der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Zu diesem Amt gehört es, steile Treppen und schmale Leitern zu erklimmen: Der Sachverständige muss hoch in den Glockenstuhl, muss die Klangkörper inspizieren, ihr Tonspektrum vermessen, ihren Zustand beurteilen können. Dabei ist Claus Peter beileibe kein junger Mann mehr, hat die 70 längst überschritten, ein Nachfolger ist nicht in Sicht.
Wie es auf der Website der Evangelischen Kirche von Westfalen heißt, benötigt ein Glockensachverständiger ein umfangreiches Wissen. "Ein Glockensachverständiger muss sich auf Augenhöhe unterhalten können nicht nur mit einem Kirchenmusiker, einem Denkmalpfleger und Kunsthistoriker, sondern auch mit einem Zimmermann, einem Bauingenieur und nicht zuletzt mit einem Glockengießer", sagt Claus Peter selbst.
Claus Peter ist als Glockenfachmann in ganz Deutschland unterwegs. Jetzt war er in Hattingen. "Nach den umfangreichen Renovierungsmaßnahmen in der St.-Georgs-Kirche in der letzten Zeit ist nun alles rund um die Glocken an der Reihe", beschreibt Pfarrer Dr. Udo Polenske im Gespräch mit dem STADTSPIEGEL. Kürzlich war der Pfarrer zusammen mit Tomás Stanke im Glockenstuhl und angesichts der alten Elektrik dort hatte der Hattinger Feuerwehrchef zu einer Erneuerung geraten. Zur Vorbereitung war jetzt Claus Peter da.
Der staunte zunächst einmal über das ungewöhnlich große Geläut der Eisenglocken. Deren Aufhängung verblüffte ihn ebenfalls, so etwas Stabiles habe er noch nie gesehen. Es wird vermutet, dass die Konstruktion auf der Henrichshütte gefertigt wurde, Aufzeichnungen sind Udo Polenske darüber nicht bekannt.
Überhaupt die Glocken: "Das ursprüngliche Geläut ist einfach verschwunden", sagt er und ergänzt: "Das heißt nicht unbedingt, dass sie eingeschmolzen wurden. Vielleicht liegen sie ja auch auf einem Glockenfriedhof."

Wurde die Konstruktion der Glockenaufhängung auf der Henrichshütte gefertigt?

Fakt ist, dass die heutigen Glocken der St.-Georgs-Kirche 1957 den Kirchentag in Essen eingeläutet haben. Anschließend, so Udo Polenske, habe die Gemeinde die Glocken "günstig" erworben. Sie stammen aus der Gießererei des "Bochumer Vereins". Nach altem Glockengießerbrauch sind sie mit Verzierungen und Sätzen versehen.
Die größte Glocke (Durchmesser 1,97 Meter) wiegt 56 Zentner und trägt de Aufschrift "O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort" sowie das Christus-Trigramm JHS, lateinisch gedeutet als "Jesus Heiland der Welt". Die Glocke mit dem Ton "a" wird für den Stundenschlag der Turmuhr benutzt.
Die Glocke in "c" fürs Läuten wiegt 38 Zentner und trägt Luthers Siegel, die "Lutherrose", sowie die Aufschrift des Luther-Liedes "Ein feste Burg ist unser Gott".
In "d" erklingt Glocke Nummer drei (27 Zentner). Ihre Aufschrift: "Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben" sowie ein Siegel mit dem Brustbild des "Heiligen Georg" und der Inschrift "Siegel des Heilgen Georg in Hattingen".
Die vierte Glocke von 15,6 Zentnern ist auf "f" gestimmt und verfügt über einen Reim über Johannes den Täufer. Sie wird zusammen mit der dritten Glocke für den Viertelstundeschlag der Uhr benutzt.
Die kleinste Glocke ist die Totenglocke. Pfarrer Polenske hat sie zum letzten Mal läuten lassen beim Tod von Pfarrer Klaus Sombrowsky 2005.
Verbunden sind die Glocken mit einem voll mechanischen Uhrwerk. Es steuert die Uhrzeiger und den Glockenschlag. "Es ist über 120 Jahre alt", weiß Udo Polenske, "und wird schon seit den 60er Jahren nicht mehr gebaut. Gesteuert wird es über elektrische Ergänzungen, was damals sehr fortschrittlich war. Der Sachverständige sagte, dass solche Uhrwerke ausgesprochen exakt laufen. Und über den guten Zustand war er ebenfalls erstaunt. Gepflegt wird es vorbildlich von Kirchbaumeister Willi Arnscheidt und Kurt Herbold."

Das größte Problem im Kirchturm sind Tauben

Das größte Problem im gut 50 Meter hohen Kirchturm sind Tauben. Udo Polenske: "Wir haben die Glocken schon zweimal reinigen müssen, denn der Taubenkot ist sehr giftig. Eine der Glocken zeigt jetzt einen leichten Rostansatz, so dass wir allen einen Schutzanstrich verpassen werden. Und auf den Rat des Glockensachverständigen hin überholen wir das Aufhängesystem."
Die Kosten dafür sollen über den Freundeskreis aufgebracht werden. Spenden sind erwünscht unter dem Verwendungszweck "Süßer die Glocken nie klingen" auf das Konto DE89 4305 1040 0000 2100 62 bei der Sparkasse Hattingen.
Übrigens sollen gleichzeitig auch die Holzleitern verschwinden, die heute noch zu den Glocken hoch führen. Udo Polenske sagt dazu: "Hoch ist nie das Problem, aber wieder runterkommen..."

Infos zu St. Georg

Die St.-Georgs-Kirchengemeinde umfasst den Innenstadtbereich der Stadt Hattingen sowie den Stadtteil Holthausen mit jeweils einer Predigtstätte und einem Gemeindehaus (St.-Georgs-Kirche und Gemeindehaus Augustastraße in der Innenstadt, Gemeindezentrum Holthausen).

Zur Zeit gehören etwa 7.000 Menschen zur Gemeinde, die von zwei Pfarrern versorgt werden.

In der Innenstadt hält die Gemeinde zudem noch einen Kindergarten vor.

Die St. Georgs-Kirche, mit ihrem schiefen Kirchtum neben dem Bügeleisenhaus das Wahrzeichen der Stadt, wurde um 1200 aus Ruhrsandstein neu errichtet.

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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