Hartes "Charity Race" für den Kinderhospizdienst
(von Alex Winkelnkemper) Matsch, Dreck, Staub, fliegende Fahrer, spannende Zweikämpfe in viel zu engen Kurven: Motocross gehört definitv zu den härtesten Motorsportarten überhaupt. Unter Protektoren und Helm stecken zwar harte Kerle, aber die haben dafür ein umso weicheres Herz: Bei einem Vier-Stunden-Rennen am morgigen Sonntag geht es mit Sicherheit ordentlich zur Sache – für einen guten Zweck. Die gesamte Veranstaltung dient dem Kinderhospizdienst Ruhrgebiet e.V.!
Aber von vorne: Der Hattinger Motocross-Fahrer Peter Wiersch rief mich an – ob ich nicht Zeit und Lust hätte, mal mit auf die Rennstrecke zu kommen. Live-Action im Dreck? Selbstverständlich! Also fix das gesamte Kameraequipment eingepackt und los geht’s!
Auf der Fahrt nach Grevenbroich vernichtet Peter Wiersch zwei Liter Vollmilch – diese Knochen werden also wohl niemals brechen. Auf dem Hänger steht eine leuchtend gelbe Husqvarna WR 250, Baujahr 1999. „Die alte Riege darf auch alte Mopeds fahren“, grinst Peter Wiersch.
Wenig später stehe ich mitten zwischen Sandpisten in einem ehemaligen Tagebau.. Rund 60 Fahrer jagen über die Rennstrecke, unter ihnen sind auch amtliche Weltklassefahrer, die mit einem irren Tempo über Sprunghügel springen und durch Kurven hämmern. Kaum vorstellbar: Beim Rennen am Sonntag werden bis zu 250 Fahrer gleichzeitig starten! Zwar treten die Fahrer in verschiedenen Klassen an, eng dürfte es aber trotzdem werden. Der Clou: Das Rennen dauert ganze vier Stunden!
Das „Vier-Stunden-Rennen in Grevenbroich“ ist mittlerweile zur alljährlichen Institution geworden. Zu gewinnen gibt es nichts von Wert; es geht allein um den Spaß am Motocross. So messen sich hochkarätige Fahrer aus aller Welt mit Amateuren und sogar mit Menschen, die nicht einmal eine Rennlizenz haben. Neu ist jetzt, dass das gesamte Rennen unter das Motto „Schenk der Liebe ein Gesicht“ des Kinderhospiz Ruhrgebiet e.V. gestellt wurde.
Und das ist der Verdienst von Peter Wiersch. Der 42jährige betreibt eine Motorradwerkstatt in Hattingen und engagiert sich seit vielen Jahren für den Kinderhospizdienst. „Ich habe schon seit langem im Hinterkopf, mal wieder eine größere Aktion zu organisieren“, erzählt Peter Wiersch. In den letzten Jahren hat das auch schon geklappt: 2008 etwa gab es einen Aktionstag in Witten, bei dem der Motorradstuntfahrer Wiersch ein paar Tricks zum Besten gab – unter der Schirmherrschaft der Fernseh-Polizisten Toto und Harry.
Eine Veranstaltung im Ausmaß des Vier-Stunden-Rennens allerdings ist schon ein ganz anderes Kaliber, auch weil es eben schon lange etabliert ist. Die Ursprungsidee war schnell geboren: Peter Wiersch wollte versuchen, einen Fahrerkader zusammenstellen, der Werbung für den Kinderhospizdienst fährt.
Zwar gibt es auch Fahrer, die sich alleine vier Stunden lang durch den Sand kämpfen – meist aber schließen sich Teams zusammen. Und das ursprüngliche Team des Hattingers war schon hochkarätig genug: Als Partner von Peter Wiersch, der über Jahrzehnte lange Cross-Erfahrung verfügt, startet der Junioren-Weltmeister Henry Jacobi. „Ich kam auf die Veranstalter mit der Idee zu, ein ,Team Kinderhospizdienst‘ auf die Strecke zu schicken“, so Peter Wiersch. „Die waren erst einmal mehr als skeptisch. Als sie dann erfuhren, dass Henry Jacobi auch unter diesem Label starten würde, haben sie ihre Meinung geändert.“
Plötzlich wollten die Initiatoren sogar die ganze Veranstaltung unter das Motto des Kinderhospizdienstes stellen. „Damit hatte ich gar nicht gerechnet“, so der Hattinger begeistert. „Aber das ist natürlich eine wahnsinnig tolle Sache!“ Er sei selbst überrascht, wie einfach eigentlich alles ging. „Das lief praktisch von alleine. Ich habe drei, vier Leute angerufen und begeistern können, dazu habe ich noch den Kontakt zu Henry Jacobi im Internet gesucht.“ Der Junioren-Weltmeister sprang sofort an: „Einfach ein super netter Kerl.“
Die Fahrer konnten sich auf diese Art allesamt im Vorfeld als „Team Kinderhospizdienst“ einschreiben – für fünf Euro zusätzliche Startgebühr, die direkt an den wohltätigen Verein überreicht werden. Viele Fahrer nahmen das Angebot an, aber um den finanziellen Aspekt geht es Peter Wiersch nicht in erster Linie: „Klar ist das toll, wenn da auch Spenden zusammen kommen. Aber das Musical Starlight Express hat im letzten Jahr zum Beispiel 28.000 Euro gespendet – so viel können wir niemals zusammenbringen!“ Viel wichtiger sei die Signalwirkung. „Die Arbeit des Kinderhospizdienst findet nun einmal in einem sehr sensiblen Bereich statt, viele Menschen möchten mit den teils sehr erschütternden Geschichten nichts zu tun haben – oder haben sich nie Gedanken gemacht. Deshalb ist mir wichtig, das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen, ein Bewusstsein zu schaffen. Kinderhospizarbeit ist in Deutschland noch sehr jung und wir haben noch jede Menge zu tun!“
Außerdem sei es auch für die Kinder ein positives psychologisches Signal. „Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn sie merken, dass sich jemand um sie kümmert und sie nicht im Stich lässt.“
Vor zwei Tagen hat es Peter Wiersch dann übrigens doch noch gejuckt: Für das Rennen musste eine moderne und schnelle Maschine her! Seit Donnerstag Mittag steht in seiner Werkstatt eine absolut konkurrenzfähige Kawasaki KX 450 F der neueren Generation – mit Aluminiumrahmen und Leistung im Überfluss.
Und was meint der „alte Hase“? „Das Ding hat bei kaum 100 Kilo Gewicht mehr PS als ein Kleinwagen. Da spielt es keine Rolle, in welchem Gang Du bist. So ein schnelles und brutales Motorrad habe ich bislang noch nicht im Rennen gefahren.“
Bleibt also nur, den Zuschauern ein spannendes Rennen und Peter Wiersch viel Glück bei seinem „Charity-Race“ zu wünschen.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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