Einmal fliegen wie ein Vogel
(von Christian Lukas). Einmal fliegen wie ein Vogel. Nicht in einem großen Düsenflugzeug, nein, lautlos, vom Wind getragen! Wer träumt da nicht von? Hans-Georg Harms zumindest kennt das Gefühl. Der Hattinger ist ein begeisterter Gleitflugflieger.
Bevor er aufsteigt, muss der 62-Jährige seine Ausrüstung überprüfen. Ausgelegt kommt sein Schirm auf eine stolze Fläche von 30 Quadratmetern bei zwölf Metern Spannweite. Die Leinen müssen sortiert und in die richtige Windrichtung gelegt werden. Das Gurtzeug muss ordentlich sitzen. Und dann ist da noch der Blick auf den Luftraum. Ist der leer?
„Bei günstiger Thermik sind Steigraten von bis zu sieben Metern pro Sekunde möglich“, erzählt der ehemalige Geschäftsführer der Ver.di im Kreis. Da dürfen keine Baumwipfel im Wege stehen. Sind alle Voraussetzungen erfüllt - geht es los. Und dann - fliegt der Hattinger.
Angefangen hat alles 1990. „Ich werde das nicht vergessen. Ich saß in meinem Büro. studierte die aktuellen Tageszeitungen und las eine Anzeige. In Hegenscheid bei Iserlohn trafen sich am Wochenende Drachenflieger. Ich las dies, vergaß es auch wieder - bis mich meine Frau fragte, was wir Schönes am Wochenende unternehmen sollten?“
Er erinnerte sich an die Anzeige, fuhr zum kleinen Flughafen Altena-Hegendscheid - und war begeistert. Vom Drachenfliegen wohlgemerkt! „In meinem nächsten Urlaub wollte ich das lernen“, schmunzelt er rückblickend. Doch es kam etwas anders. 1991 stand ein Urlaub am Attersee in Österreich auf dem Plan. Dort klopfte Hans-georg Harms - unangekündigt - an die Tür eines Drachenfluglehrers - der allerdings in dieser Saison mangels Schüler nur Gleitflug anbot.
Nach einer Woche Grundausbildung ging es schließlich mit dem Schirm in die Höhe. Das heißt, es ging nicht wirklich hoch, denn wirklich hoch dürfen Anfänger nicht. Aber es ging einen Hügel hinab. Immer in Nähe des Bodens. Das reichte, um den Funken endgültig zu zünden.
Inzwischen verfügt Harms über einen A- und einen so genannten B-Schein. Der A-Schein erlaubt es einem Gleitschirmflieger unbeaufsichtigt dahin zu gleiten - aber nie höher als 50 Meter. Der B-Schein hebt diese Beschränkung auf, allerdings verlangt er eine Prüfung mit allem Zipp und Zunder. „Es werden Fragen der Thermik, der Wetterkunde, der Aerodynamik gestellt, die Prüfung ist nicht leicht.“
Dennoch hat er sich dieser Prüfung erfolgreich gestellt, inzwischen gleitet er nicht nur Hügel hinab, Höhe macht ihm keine Angst. Der Blick eines kreisenden Adlers - er lässt sich mit Geld nicht bezahlen, sagt er. Dass sein Equipment über zwanzig Kilogramm wiegt, es macht ihm nichts aus. Man merkt es in der Höhe nicht, erklärt er und schwärmt von den Landschaften, die im Gleitflug erst ihre Schönheit offenbaren. Landschaften wie jene in Slowenien beispielsweise, im Soca Tal, wo die Flüsse aus der Luft einen türkisfarbenen Ton erhalten.
Mit Fallschirmspringen darf das Gleitschirmfliegen nicht verwechselt werden. Man startet als Gleitschirmflieger in der Regel ohne Hilfe vom Boden und - genau - gleitet dahin.
Harms ist ein vorsichtiger Gleiter. „Wenn das Wetter es nicht zulässt, bleibe ich ohne Wenn und Aber am Boden“, sagt er mit Nachdruck. Wirklich brenzliche Situation hat er bislang auch noch nicht erlebt - bis auf eine Ausnahme: „Da habe ich mich einen Tick in der Höhe verschätzt und durfte Bekanntschaft mit einigen Baumwipfeln machen“, schmunzelt er heute.
Seine Frau teilt sein Hobby bedingt. Manchmal fliegt sie mit ihm im Tandem, einen eigenen Schein aber möchte sie nicht machen.
Wie viele Jahre Harms noch aufsteigen wird, kann er heute noch nicht sagen. Der älteste Gleitschirmflieger, den er kennt, ist 82. Allerdings: „Man sollte schon etwas sportlich und ausdauernd sein.“
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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