Ein Renngespann mit 180 Pferdestärken
Froschgrün und flach wie eine Flunder, dabei schneller als jedes Rennpferd und doch für Rennen gemacht: Keine Frage, das Motorrad-Renn-Gespann von Alois Gornik ist ein echter Hingucker.
Zuletzt in Hattingen zu sehen und von vielen, vielen Besuchern bestaunt war das Gespann der Formel 1, eine R1 Yamaha mit 1.000 Kubik, 180 PS, vier Zylindern und rund 300 Stundenkilometer schnell, auf der Autoparty im April. Hier standen Fahrer Harry Barbutzki und sein Hattinger Beifahrer Alois Gornik gerne Rede und Antwort über ihr Hobby.
Rund 10.000 Euro, so erfuhren die Neugierigen, hat das Renn-Gespann gekostet. „Heute“, erzählt Alois Gornik, „fahren wir damit Gleichmäßigkeitsrennen. Obwohl wir immer am Limit fahren, müssen wir dabei nicht immer die schnellsten sein. Hauptsache, wir fahren Runde für Runde schön gleichmäßig. Dabei kann man sich nicht auf sein Gefühl verlassen. Wie gut oder wie schlecht man war, das erfährt man erst im Ziel, denn der Fahrer hat weder Tacho noch Uhr.“
Das mit dem Gleichmäßigkeitsrennen machen die beiden 61jährigen ziemlich gut mit ihrer von der bekannten Firma Baker in England gebauten Maschine, die schon bei der WM gefahren ist: In Walldürn bei der „Odenwald Classic“ wurden sie Dritte, beim Bergrennen auf dem Schottenring am Vogelsberg reichte es für Platz sechs. Mitte August soll es dort auf dem Rundkurs im Sonderlauf gegen andere F1- und 1.000-Kubik-Gespanne gehen.
Der Hattinger Alois Gornik ist Motorrad-Gespannen schon seit Jahrzehnten verfallen: „Von 1972 bis 1980, als wir aus privaten Gründen aufhören mussten, da sind wir mit unserer 500er BMW Rennen gefahren – auf dem Nürburgring, dem Hockenheimring, aber auch in Belgien und den Niederlanden.“
Wir, das waren Alois Gornik und sein Sprockhöveler Fahrer Werner Decker, der inzwischen verstorben ist. „In den Siebzigern, als es los ging bei uns, da stellte ich schnell fest, dass ich nicht der Heizer am Lenker war. Ich wollte mehr Risiko“, lacht Alois Gornik. „Also habe ich Gespann ausprobiert als Beifahrer und wusste sofort, genau das ist meine Welt. Viele sagen, Beifahrer sind alle verrückt. Man muss sich weit rauslegen zum Ausgleich der Fliehkraft und ist trotz einiger Haltegriffe am Rahmen immer noch voll dem Fahrtwind ausgesetzt. Da musste man schon gut aufpassen, Kraft und Kondition haben.“
Zumindest für früher galt das. Da hatten die Fahrer den Motor noch unterm Bauch. Heute liegt er bei den gebräuchlichen Lang-Gespannen unterm Gesäß.
Alois Gornik: „Dadurch ergibt sich ein anderer Schwerpunkt. Unser Seitenwagen bei der Yamaha befindet sich links. Da muss ich bei einer Rechtskurve über dem Motorrad hängen. Bei einer Linkskurve muss ich mich nicht mehr so übertrieben raushängen. Heute brauche ich vor allem Kraft, weniger Kondition. Nach einem Rennen werden einem die Arme schon ganz schön lang, auch wenn es statt früher bei der DM über 120 Kilometer heute für uns nur noch über rund 30 Kilometer geht.“
Vor allem die Oberschenkenkelmuskulatur sei sehr wichtig, da er sich beim Losfahren hinten am Gespann regelrecht mit den Zehen einhaken müsse. Das gehe sehr auf die Kraft.
Neben dem Ausgleichen der Fliehkraft hat der Beifahrer noch andere Aufgaben: „Bei unserem Gespann starte ich die Maschine und öffne den Benzinhahn. Mein Fahrer hat nur den Drehzahlmesser vor sich und am Handschuh den Draht zum Notschalter, der den Motor ausmacht, falls dem Fahrer etwas passieren sollte.“
Apropos Fahrer: Alois Gornik kannte Harry Barbutzki schon aus den 70ern – damals als Konkurrenz. Als sie sich jetzt wiedertrafen, kamen sie ins Gespräch und natürlich auch auf ihre momentan unbefriedigte Leidenschaft fürs Gespann-Fahren zu sprechen. Kurzerhand kauften sie sich zusammen das Yamaha-Gespann. „Es hat von Anfang an mit uns geklappt“, freut sich Alois Gornik, der zunächst als Baufachwerker arbeitete und ab 1993 als Haustechniker für die Klinik Holthausen.
Mit ein Auslöser für seine nie erloschene, aber wieder entflammte Begeisterung fürs Gespannfahren war der Besuch im Deutschen Museum Neckarsulm. Dort entdeckte er nämlich das Gespann, das er 1976 gemeinsam mit Werner Decker gebaut hatte.
Um seinen anstrengenden Sport nach wie vor ausüben zu können, fährt Alois Gornik seit seiner Pensionierung jeden Tag bei Wind und Wetter Fahrrad, ehe sich der Vater der Zwillinge Laura und Sebastian (19) – beide haben Papas Rennblut nicht geerbt – seinen Pflichten als Hausmann widmet. Ehefrau Gudrun ist noch berufstätig. „Den Rest an Kraft hole ich mir aus meinem Garten, der mit 800 Quadratmetern und einem Fischteich ganz schön Arbeit macht“, schmunzelt er.
Was Alois Gornik aufregt: „Seit Mai bin ich nun Rentner. Ich habe das Gefühl, seit dem regnet es ständig. Da komme ich kaum in den Garten und als Schönwetterfahrer erst recht nicht raus mit meiner 1600er Harley Heritage Softail, und das ärgert mich!“
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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