Das Leben in der Traglufthalle – Ein Gespräch mit Jonas aus Eritrea
Beim Betreten der Traglufthalle an der Hiddinghauser Straße in Niedersprockhövel ist man zuerst überrascht über die Größe, die Höhe der lichtdurchfluteten Halle und über die angenehme Wärme.
Hat man die Drehtür passiert, trifft man auf 2 ständig anwesende Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Jeder Besucher wird in eine Kontrollliste eingetragen. Der Sicherheitsdienst schlichtet etwa auftretende Streitigkeiten unter den Flüchtlingen und sorgt auch für die Einhaltung der Nachtruhe.
Michael Bergediek, der Flüchtlingskoordinator der Stadt Sprockhövel stellt mir Jonas vor, einen in der Traglufthalle lebenden Flüchtling.
Jonas kommt aus Eritrea, ist 27 Jahre alt und seit 2 Monaten in Deutschland. Er hat einen College-Abschluss im Bereich Garten- und Landschaftsbau und kam über das Mittelmeer nach Italien. Nach seiner Registrierung in einem Hot-Spot in Italien wurde er Deutschland zugewiesen und kam so nach Sprockhövel. Hauptzweck eines "Hotspots" in Italien ist die erkennungsdienstliche Behandlung, da oftmals „Boatpeople“ ohne gültige Papiere ankommen. Er spricht neben seiner Heimatsprache tigrinya fließend englisch und lernt gerade deutsch, nutzt dabei das Selbststudium und die Angebote der Flüchtlingshilfe.
400 Flüchtlinge in Sprockhövel
Insgesamt beherbergt die Stadt Sprockhövel aktuell ca. 400 Flüchtlinge, von denen ca. 160 Frauen sind. „Von einer Zuweisung durch die Bezirksregierung erfahren wir ca. 1 Woche vorher, wenn die Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel erfolgt. Momentan sind auch unsere anderen Wohncontainer nicht voll belegt“, sagte Michael Bergediek im Pressegespräch.
42 Flüchtlinge in der Traglufthalle
Da zurzeit in der Traglufthalle, die über 150 Flüchtlinge beherbergen könnte, nur 42 Flüchtlinge untergebracht sind, wirkt der ganze Bereich hier sehr großzügig.
„Die Flüchtlinge in der Traglufthalle kommen aus verschiedenen Ländern. Sie sind alle registriert und kommen aus Eritrea, aus der Türkei, aus Guinea, dem Iran, aus Indien, Afghanistan, Marokko und aus Ägypten. Es sind alles Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren“, sagt der Flüchtlingskoordinator, der seit 24 Jahren Sozialarbeiter ist.
Jonas „wohnt“ in der Traglufthalle mit einem weiteren Flüchtling in einem durch Bauzaun und Folie abgeteilten kleinen Bereich. In diesem Bereich stehen nur zwei Doppelbetten. Vor den Doppelbetten stehen Reisetaschen mit den Utensilien der jeweiligen Flüchtlinge.
Jonas fühlt sich wohl
„Ich fühle mich hier wohl und bin glücklich“ sagt Jonas, strahlt und ergänzt „nachts kann ich schlafen , weil dann hier Ruhe herrscht. Wir haben in der Halle Nasscontainer für die Körperpflege und auch unsere Wäsche können wir hier waschen“. Langeweile hat Jonas nicht, weil es zahlreiche Angebote der Flüchtlingshilfe gibt.
Die Verpflegung erfolgt in dem benachbarten früheren Gebäude der Burgschützen. Ein Catering –Unternehmen liefert für die Flüchtlinge in der Traglufthalle 3 Mahlzeiten am Tag. Auf die religiöse Ausrichtung der Flüchtlinge wird auch bei der Herstellung der Mahlzeiten Rücksicht genommen. Ist ein Flüchtling bei einer Mahlzeit abwesend, kann er sich, wenn er dieses rechtzeitig mitteilt, ein Lunchpaket mitgeben lassen.
„Da ich Unterkunft und Verpflegung kostenlos erhalte, bleiben mir noch 175 Euro im Monat“, sagt Jonas im Pressegespräch. Damit komme ich aus.
Deutschkurse werden genutzt
Er hat die Möglichkeit, an entsprechenden Tischen in der Traglufthalle mittels bereitstehendem Notebook im Internet zu surfen, auch für Selbstlernkurse. Ab und zu telefoniert er mit seinen Eltern und mit seinen Geschwistern in Eritrea. Jonas kann, wie auch die anderen Flüchtlinge, Besuch empfangen, auch von Frauen. Allerdings ist eine Übernachtung der Besucher nicht erlaubt.
Da für Jonas ein Asylantrag gestellt wurde, hat er eine Aufenthaltsgestattung und kann sich freizügig im Bundesgebiet bewegen. Er wartet jetzt auf die Anhörung durch einen Sachbearbeiter der Bochumer Nebenstelle des Bundesamtes für Migration, der dann entscheidet, ob Jonas als Flüchtling anerkannt wird oder nicht. Wird er anerkannt, erhält Jonas eine Aufenthaltserlaubnis und wechselt in die Zuständigkeit des Job-Centers.
Jonas würde gerne arbeiten
Gemeinnützige Arbeit darf Jonas auch jetzt schon verrichten. Er würde sich über ein Angebot eines Unternehmers freuen, ein Praktikum in einem Garten- und Landschaftsbetrieb abzuleisten; müsste dafür allerdings vorher eine Genehmigung beantragen.
"Elly" ermöglicht "Hilfe zur Selbsthilfe"
Neben den vielen Mitarbeitern der Flüchtlingshilfe hilft auch Elrauda Mohamed vom DRK Sprockhövel bei der Flüchtlingsbetreuung. Elrauda, die von den Flüchtlingen nur Elly genannt wird, spricht neben englisch auch arabisch, begleitet und dolmetscht bedarfsgerecht für die Flüchtlinge bei Ämtern, Ärzten und Behörden.
Hilfe zur Selbsthilfe ist ihre Devise, um die Flüchtlinge selbstständig zu machen. Als Sozialkünstlerin nutzt sie auch die Möglichkeit, die teilweise traumatisierten Flüchtlinge durch soziale Kunst, d.h. auch durch Nähkurse und durch die Gestaltung von Gemeinschaftsräumen auf ihrem neuen Weg in Sprockhövel zu begleiten und erfolgreich zu integrieren.
Jonas, der „Vorzeigeflüchtling“, begleitet mich am Ende des Pressegespräches zur Tür der Traglufthalle und hofft, dass sich ein Unternehmer meldet, um ihm einen Praktikumsplatz im Garten- Landschaftsbau anzubieten.
Autor:Hans-Georg Höffken aus Hattingen |
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