Daniel Pause reist zum Kontinent Mythodea
„Kane“ wie „Kane der Verfluchte“ aus den Fantasy-Romanen des Amerikaners Karl Edward Wagner sieht eigentlich beinahe unerwartet manierlich aus. Weißes Hemd, offener Blick, freundlich eben – so kommt der Unternehmensberater von der Dahlhauser Straße zur Begrüßung aus seinem Büro. „Hallo, ich heiße Daniel Pause“, sagt er zur Begrüßung lächelnd.
Daniel Pause alias Kane ist ein begeisterter Rollenspieler. Genauer und auf „neudeutsch“ heißt sein Hobby „live action role playing“ (LARP). Er freut sich jetzt schon auf den 6. bis 10. August. Dann fährt er mit seiner Frau und seiner sechsjährigen Tochter (die Dreijährige bleibt zuhause) sowie dem elfjährigen Neffen – alle sind erstmals dabei, sollen aber für dieses „andere Leben“ nach seiner Vorstellung ebenfalls begeistert werden – zum „ConQuest of Mythodea“ am Rittergut Brokeloh in der Nähe von Hannover.
Allein sein mit einer Handvoll Gleichgesinnter werden die Hattinger dort nicht. „Die Veranstalter erwarten bis zu 10.000 Akteure“, erzählt Daniel Pause. Er war schon mehrfach dabei und bekommt glänzende Augen, wenn er davon erzählt: von den gigantischen Schlachten zwischen den Völkern des Fantasie-Kontinents Mythodea, von den großen Städten, dem Zusammensitzen an der Feuerstelle bei der Essenszubereitung, dem Zusammensitzen in den Tavernen, dem gemeinsamen Lachen und der Freude am Spiel.
"Wir hauchen Mythodea Leben ein"
Denn genau das ist dieser „ConQuest“, wie Daniel Pause erklärt: „Wir hauchen unserem ge- und erdachten Kontinent Mythodea an diesen Tagen Leben ein. Dazu gilt es weit über 1000 einzelne Handlungsstränge, Rätsel und Abenteuer mit Kopf, Kampf und Geschick zu lösen, um das Schicksal Mythodeas in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. So beschreiben es die Veranstalter treffend.“
Und weiter: „Jeder, der sich schon einmal vorgestellt hat, wie es wäre als Ritter in die Schlacht zu ziehen oder als edle Dame von tapferen Recken besungen zu werden, ist beim Live-Rollenspiel richtig, denn hier kann man genau das tun!“
Groben Schätzungen nach sind es rund 80.000 Deutsche, die sich immer wieder an Wochenenden oder in ihrem Urlaub auf solche Rollenspiele einlassen. Nicht alle bevorzugen wie Daniel Pause das Mittelalter und den Fantasybereich. Nach seinen Worten gibt es diese für jede Epoche der Menschheit – natürlich auch für die Zukunft.
Seit der Kindheit begeisterter Rollenspieler
Der heute 35jährige ist schon als Sechsjähriger in seiner Heimatstadt Herne, aus der er später der Liebe wegen nach Hattingen umzog, bei einer dortigen Spielemesse auf den Geschmack gekommen, spielte bald selbst begeistert mit.
Allerdings „nur“ in irgendeinem Wohnzimmer. Daniel Pause: „Das war damals so eine Mischung aus Gesellschaftsspiel, Erzählung und Improvisationstheater. Ein Spielleiter gab dabei die ,Richtung‘ vor, aber die Mitspieler können dabei ihre Rolle frei interpretieren. Als ich älter wurde, reichte mir das irgendwann nicht mehr. Ich wollte weg vom Wohnzimmertisch und in die freie Natur gehen, um die erdachte Handlung quasi ,real‘ zu erleben, also dort auszuspielen.“
Seit acht Jahren geht das nun so. In der Zeit haben sich natürlich ganz schön viele Requisiten angesammelt. Das fängt mit der „zeitgemäßen“ Kleidung an, Gewandung genannt, geht über Waffen, Schriftrollen, Schreibzeug und Rüstung bis hin zum Trinkbecher, zum Mittelalter-Zelt, zur Kochstelle und seit letztem Jahr zu einer (Western!)-Kaffeekanne, die direkt ins Feuer gestellt werden kann. Tabu ist für alle während des „ConQuest“ natürlich der ganze „moderne Kram“ wie Uhren, Handys oder Turnschuhe.
Da oftmals das Essen für diese Zeit selbst mitgebracht werden muss, geht‘s wie für einen normalen Campingausflug allerdings vorher zum Supermarkt oder Discounter. Niemand, der Hunger hat, muss also mit Pfeil und Bogen erst durch die Wälder streifen. Nebenbei: Das ginge auch gar nicht. Sämtliche Waffen sind nämlich – aus Schaumstoff.
„Freie Reisegesellschaft Schwarzer Rabe“
Wegen des Wertes, den die über Jahre zusammen gekommenen selbst gemachten oder gekauften Requisiten haben, hat Daniel Pause mit anderen in Hattingen die „Freie Reisegesellschaft Schwarzer Rabe“ gegründet. Seit Ende Juni ist der Verein durchs Finanzamt als gemeinnützig anerkannt.
Gut anderthalb Tonnen Gepäck müssen die Hattinger Anfang August nach Hannover transportieren. Dummerweise ist ihnen der Transporter ausgefallen, der bislang immer treue Dienste geleistet hatte. Jetzt sucht der Verein händeringend nach Ersatz.
Denn schließlich soll Kane ja auf Rittergut Brokeloh auferstehen. Der Karawanenleiter spielt sicher eine wichtige Rolle bei der Besiedlung von Mythodea. Jeder Teilnehmer kann sich natürlich aussuchen, ob er Mitspieler oder nur (stummer) Statist sein möchte. Auch die Ausgestaltung seiner Rolle bleibt ihm selbst überlassen. Eigentlich ist man Schauspieler und Zuschauer gleichermaßen.
Daniel Pause: „Ich selbst bin im normalen Leben eher rational veranlagt, spiele als Kane aber gegen meinen Charakter an und bin sehr aufbrausend. Ich gehörte sogar mal einer Diebesgilde an. Wo sonst kann man Leute bestehlen?“
Das brachte ihm sogar schon einmal den Tod auf dem Schlachtfeld ein. Aber dank zweier schneller (Wunder-)Heiler – natürlich ebenfalls ein eigener Handlungsstrang unter den weit über 1.000 (!), die es beim ConQuest gibt – genas er wieder und weilt neuerlich unter den Lebenden.
Was Daniel Pause an solchen Rollenspielen gefällt? „Durch den Verzicht aus Errungenschaften der Zivilisation kann man seine eigenen Grenzen ausloten. Man trägt Konflikte anders aus als im täglichen Leben – durchaus rauer. Aber man muss sofort mit den Konsequenzen leben, etwa wenn es durch Krieg oder Fehde nichts zu essen gibt. Außerdem sind wir eine Woche lang in der freien Natur.“
Bevor Daniel Pause allerdings richtig zu „Kane“ wird, hat er einen Teil seiner Verwandlung bereits in Hattingen zu erledigen und bringt damit regelmäßig seine Kunden und Nicht-LARP-Freunde zum Staunen: Er lässt sich seine Haare sehr anders schneiden und diesen „Irokesen“ dann auch noch blau färben, wie „Kane“ es eben trägt auf dem fantastischen Kontinent Mythodea...
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
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