Bürgerempfang der Stadt Hattingen in der Gebläsehalle
Zwar wäre es wohl vermessen zu sagen, das politische und gesellschaftliche Leben in Hattingen erwache durch den von Bürgermeister Dirk Glaser wieder eingeführten Bürgerempfang in der Gebläsehalle. Unbestritten jedoch dürfte sein, dass sich viele Vertreter aus Politik und Verwaltung, Verbänden und Vereinen ebendort erstmals im neuen Jahr nach der Weihnachtszeit und einem möglichen Urlaub wiedertreffen.
Daher ist diese Einrichtung „Bürgerempfang“ nicht mehr und nicht weniger als eine aktuelle Informationsbörse. Dabei kommt es nämlich in der Tat zu jenen immer wieder geforderten „fruchtbaren Gesprächen“, zum gegenseitigen Kennenlernen, zum Vertiefen bestehender Kontakte oder zum Knüpfen neuer, zum Gedankenaustausch und – klar – auch zum launigen Plausch.
Trotz des fast frühlingshaften Wetters kamen daher auch viele Eingeladene in die Gebläsehalle. 1.300 Einladungen hatte zu diesem zweiten Empfang in der Ära Glaser die Stadtverwaltung verschickt, 530 Zusagen hatte es laut Pressesprecherin Susanne Wegemann gegeben. Letztlich mögen es gut 600 Gäste gewesen sein, welche die Halle mit Gesprächen füllten.
Die meisten von ihnen blieben sogar länger, also bis nach der traditionellen Rede des Bürgermeisters. Ob das am Grünkohl mit Mettwurst lag, der wie immer von Groß-Gastronom Alfred Schulte-Stade spendiert wurde, sei dahin gestellt.
Auf jeden Fall mussten alle Sitzfleisch mitbringen, so sie denn einen der wenigen Stühle in der Halle ergattert hatten. Stehvermögen war für alle anderen nicht von Nachteil. Der Grund: Bürgermeister Dirk Glaser hatte in dieser seiner zweiten Ansprache während seiner noch relativ jungen Amtszeit viel zu sagen, blickte dabei auch über den Tellerrand. So kommen eben locker 40 Minuten zusammen, die immer wieder von Applaus unterbrochen wurden. Oder auch von unüberhörbar höhnischem Gelächter und Murren etwa beim Thema Steuern.
Bürgermeister Dirk Glaser sprach locker 40 Minuten
Zunächst sprach Dirk Glaser all jenen die Wertschätzung aus die sich um das Gemeinwohl verdient machen, ging danach mit anderen ins Gericht: „Ich bin jedes Mal beeindruckt, wie gut Neubürger über unsere Stadt reden. Umso mehr schmerzt es mich, dass manche Bürger, die schon lange in Hattingen ihre Heimat haben, dies nicht so sehen oder sehen wollen und nicht gut über Hattingen reden und so manches Haar in der Suppe entdecken. Ich will Beschwerden nicht kleinreden. Aber die Schärfe, mit der sie manchmal vorgetragen werden, gibt mir zu denken. Das sollten wir künftig vermeiden.“ Dafür gab es nur eher zögerlichen Applaus.
Und der Dank an die Hattinger für ihre Steuern und Abgaben stieß auf das bereits angesprochene eher höhnische Gelächter.
Mehr Zustimmung erntete der erste Bürger der Stadt für seine Worte an Bund und Land zum Punkt Fördergelder, die momentan so reichlich flössen: „Kommunen können nicht Personal in den Planungsämtern für einen solchen Eventualfall vorhalten. Die Sicht in Berlin und Düsseldorf erscheint mir etwas sehr weltfremd zu sein. Die Strukturen stimmen nicht mehr. Die Städte verhungern am gedeckten Tisch.“
Und weiter: „Während wir die letzten Ecken des Haushalts ausfegen und Leistungen für die Bürger zurückfahren müssen, haben die Hattinger im vergangenen Jahr 1,63 Mio. Euro aufgebracht, die wir in den Fonds Deutsche Einheit einbezahlt haben. Bis 2019 wird sich eine Summe von gut 50 Mio. Euro angehäuft haben. Da fehlen einem die Worte. Mal eine andere Zahl daneben: In unserer Bilanz steht ein negatives Eigenkapital von 86 Mio. 50 Mio. hätten uns da ganz gut getan.“
In Richtung der Abgeordneten in Bund und Land rief Dirk Glaser aus: „Vertreten Sie die Interessen Ihrer heimischen Wähler. Treten Sie in Berlin oder Düsseldorf dafür ein, dass die Kommunen strukturell und finanzielle in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben im Dienste der Allgemeinheit übernehmen zu können. In Städten und Gemeinden schlägt das Herz der Demokratie. Das sollte man in Berlin und Düsseldorf nicht vergessen.“
Ansprache auch mit einem Blick über den Tellerrand
Nach einem kurzen, aber aus dem Herzen kommenden Blick in die Welt- und Europa-Politik und die dort lauernden Gefahren durch „Vereinfacher und Populisten“ auch für Deutschland, mahnte er: „Demokratie ist ein sehr mühsames Geschäft, aber ohne lebenswerte Alternative.“ Für diese Ausführungen erntete er sehr viel Applaus.
Auf das Stichwort Steuern zurückkommend sagte Dirk Glaser: „Wir wissen, dass wir unseren Bürgern mit den bereits realisierten Erhöhungen eine Menge abverlangen und wir in NRW damit ganz oben sind. Wir werden in den nächsten Jahren unsere Sparbemühungen weiter fortsetzen müssen, auch wenn kaum noch Einsparpotenzial vorhanden ist. Das wird immer schwieriger. Denn erstens ist die Finanzierung der Kommunen nicht auskömmlich, auf Deutsch: Es reicht vorne und hinten nicht. Und zweitens steigen die Anforderungen der Gesetzgeber an die Städte, ohne dass es mehr Geld gibt. So gleicht jede Aufstellung eines Haushalts in Hattingen der Quadratur des Kreises. Der Haushalt wird bestimmt von Pflichtausgaben. Nur rund sechs Prozent unserer Haushaltsmittel sind sogenannte freiwillige Leistungen. Dazu gehören Schwimmbäder und die Stadtbibliothek.“
Dirk Glaser erinnerte an die Eröffnung des Holschentores – nach seinen Worten „ein Kleinod“ - als Beispiel für eine „soziale Innovation, die im weiten Umkreis ihresgleichen sucht“, an die Eröffnung des Platzes vor dem Bügeleisenhaus, den Bauboom in Hattingen.
„Die alte Feuerwache und die St.-Georg-Schule können nun vermarktet werden und auch im maroden Gebäude Werksstraße 40 wohnen keine Flüchtlinge mehr. Die Unterbringung der Flüchtlinge ist gut vorangekommen. Mehr als 450 leben bereits dezentral in Wohnungen. Dazu haben wir Kapazitäten bei O&K und in der Werksstraße mit den Containern geschaffen. Schon Mitte 2016 ist es uns gelungen, fast alle Turnhallen wieder für die Sanierung frei zu geben. Auch die Turnhalle Bismarckstraße wird seit Anfang des Jahres wieder für dn Sportbetrieb genutzt. Mit der Sporthalle Talstraße wird es nicht mehr lange dauern. Wir rechnen mit der Inbetriebnahme Ende März.“
In Zukunft mit weniger mehr erreichen
Thema Ruhr: „Ein Großprojekt, das Hattingen um eine Attraktion reicher machen kann, ist die Renaturierung der Ruhr. Auch hier empfehle ich weniger auf Empörung zu setzen, sondern die Chancen zu sehen, die sich für unsere Stadt ergeben können. Ich setze hier auf einen tragbaren Kompromiss für alle.“
Unter dem Überbegriff „Vision“ sagte Dirk Glaser unter anderem: „Wenn es um Aufgaben der Zukunft geht, muss es das Ziel der Bemühungen von Politik und Verwaltung sein, mit weniger mehr zu erreichen. (…) Ich will es als Bürgermeister noch erleben, dass unsere Stadt auf soliden finanziellen Füßen steht. (…) Eine Vision ist eine viel stärkere Zusammenarbeit der Kommunen. Wir fangen an mit einer gemeinsamen Dienststelle für Rechnungsprüfung, die wir zusammen mit Sprockhövel und Gevelsberg betreiben werden. Ich bin guter Dinge, dass dieser Anfang im Frühjahr gesetzt werden wird. Weitere kommunale Kooperationen müssen folgen. (…) Ich setze mich dafür ein, das Kirchturmdenken weiter abzubauen. (…) Grundsätzlich dauert es auch mir oft viel zu lange, bis Ideen geprüft und Lösungen gefunden und Maßnahmen umgesetzt werden. Aber ich habe in einem Jahr Bürgermeister gelernt, nicht locker zu lassen und mit Beharrlichkeit zu reagieren, wo Beharrungsvermögen dem Neuen entgegensteht.“
Tröstende und versöhnliche Worte gab es von Bürgermeister Glaser am Ende seiner Ausführungen: „Wir müssen nicht besonders mutig sein, um weiter an die gute Zukunft dieser Stadt zu glauben – eine gute Zukunft, für die wir auch 2017 wieder entscheidende Schritte gehen wollen!“
Noch mehr Fotos vom Bürgerempfang in der Gebläsehalle von STADTSPIEGEL-Fotograf Holger Groß gibt eshier!
Autor:Roland Römer aus Hattingen |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.