Besinnliches von Dr. Jürgen Wilbert: "Olympischer Nachgeschmack"

Dr. Jürgen Wilbert, Vorsitzender Deutsches Aphorismus Archiv (DAphA) in Hattingen
  • Dr. Jürgen Wilbert, Vorsitzender Deutsches Aphorismus Archiv (DAphA) in Hattingen
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Erinnern Sie sich noch an die Olympischen Spiele in London? Am vergangenen Sonntag sind sie zu Ende gegangen. Sie hielten die Medienlandschaft gefühlte sechs Monate besetzt, ja selbst im Lokalteil der Zeitungen fanden sich Berichte von Müttern, Vätern, Großeltern oder Schulkameraden von Olympioniken, die stellvertretend all ihre Hoffnung auf Edelmetall setzten – was in Zeiten der Finanzkrise nur allzu verständlich ist.
Was konnte man nicht alles mit verfolgen: Eine von Weinkrämpfen erschütterte Asiatin, die ihren Kampf um Gold aufgrund eines Fehlers der Zeitmessung verlor, eine Amerikanerin eher gesetzten Alters, die mit ihrem Gewehr ohne Fehlschuss um sich ballerte, Teenager, die Gewichte stemmten und vor und nach ihrer Aktion von alten Männern getätschelt wurden, ständig triumphierend aufschreiende Athleten – gleichgültig, ob sie nun einen Punkt gemacht haben oder nicht, Volleyballerinnen in knappsten Bikinis, die im Sand um die Gunst des grölenden Partypublikums baggerten…
Was ist von alledem geblieben? Denn am Nachgeschmack zeigt sich erst, ob es wirklicher Genuss gewesen ist. Um es in einem Satz, dem Titel eines Abba-Hits, zusammenzufassen: „The winner takes it all.“
Die zweiten, geschweige denn die dritten oder gar die „unter ferner liefen“ kommen in der Berichterstattung nicht mehr vor. Da schon eher die Verletzten, die kläglich Gescheiterten oder die vom Kampfgericht offenkundig Benachteiligten.
Dabei sein ist schon längst nicht mehr alles. Was zählt, ist Edelmetall und sonst gar nichts.
Womit wir generell beim Thema Werte gelandet wären. Denn waren und sind die Olympischen Spiele nicht stets eine zeitnahe Bühne für praktizierte menschliche Tugenden und Laster, womit nicht nur Doping gemeint ist? Heine hat sich einmal so geäußert: „Geld ist rund und rollt weg. Bildung bleibt.“ Medaillen sind im Übrigen auch rund.
Doch was sind bleibende Werte? Bei Wertanlagen denken die meisten inzwischen ohnehin an Aktien und Immobilien. Da gibt es ja auch die entsprechenden Berater.
Für manche stehen Werte halt nur noch auf dem Papier. Und Papier ist bekanntlich geduldig.
Doch wer berät uns, wenn es um Moral, ethische Werte – herkömmlich auch Tugen­den genannt – geht? Ich meine etwa solche charaktergebundenen Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Fairness, Mitgefühl, Mäßigung, Besonnenheit, Aufmerksamkeit, Dankbarkeit, Toleranz.
In der FAZ war vor kurzem in einem Artikel über den Aphorismenwettbewerb von DAphA zum Thema „Vom Stellenwert der Werte“ gar von „Hattinger Werten“ die Rede. Welche Werte könnten das sein?
Mit dieser Frage lasse ich Sie nun allein, aber nicht, ohne Ihnen hier einige Wertvorschläge zu unterbreiten: Freundlichkeit, Humor, Echtheit, Ausdauer, Bescheidenheit.
Doch dabei sollte man beachten, dass die Übertreibung einer Tugend auch schnell zum Laster werden kann. So kann Sparsamkeit auch in Geiz umschlagen.
Im Übrigen gilt ja nach wie vor Selbsterkenntnis als der erste Weg zur Besserung.
Und daher widmet sich das nächste Aphoristikertreffen vom 1. bis 3. November in Hattingen ganz dieser Thematik „Wertsetzung – Wertschätzung. Der Aphorismus im Wandel der Werte.“
Hattingen bleibt also am Ball – auch nach Olympia, was die Wertediskussion betrifft.
Dr. Jürgen Wilbert
Vorsitzender Deutsches
Aphorismus Archiv (DAphA)

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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